Erbrecht - BGH zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Grundbuchamt

Erbrecht - BGH zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Grundbuchamt

„1a. Das Grundbuchamt darf zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach § 35 Abs. 2 HS 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 HS 2 GBO ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder europäisches Nachlasszeugnis nur verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung von Todes wegen Zweifel tatsächlicher Art ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können.

1b. Ist ein nachlassgerichtliches Verfahren anhängig, in dem das Nachlassgericht Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des Testaments oder sonstigen Einwänden gegen die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung nachgeht, muss das Grundbuchamt die beantragte Eintragung der durch eine Verfügung des Testamentsvollstreckers bewirkten Rechtsänderung davon abhängig machen, dass dessen Verfügungsbefugnis durch ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder europäisches Nachlasszeugnis nachgewiesen wird.

2. Der in dem Grundbuch eingetragene Testamentsvollstreckervermerk nach § 52 GBO soll lediglich negativ die Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben kundtun und auf diese Weise verhindern, dass ein Dritter in Unkenntnis der Testamentsvollstreckung das Eigentum an dem Grundstück gutgläubig von dem oder den Erben erwirkt. Er ist daher nicht geeignet, gegenüber dem Grundbuchamt die nach § 35 Abs. 2 GBO erforderlichen Nachweise der Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Verfügung über das Nachlassgrundstück zu erbringen, und vermittelt keinen guten Glauben an das Bestehen oder Fortbestehen der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers über das Nachlassgrundstück.“

BGH, Beschluss vom 19.10.2023 – V ZB 8/23


Arbeitsrecht - Wellenstreik ist zulässig!

Arbeitsrecht - Wellenstreik ist zulässig!

Der Versuch der Deutschen Bundesbahn am hessischen Landesarbeitsgericht den Lokführerstreik zu stoppen, scheiterte letzte Woche nach dem bereits am vergangenen Montagabend das Arbeitsgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen den Ausstand abgelehnt hatte. Millionen Fahrgäste waren daher letzte Woche erneut vom Streik der Lokführer betroffen.

Das Instrument des Wellenstreiks der GDL sei als Nadelstichtaktik zulässig, teilte der Vorsitzende Richter am hessischen Landesarbeitsgericht Michael Horcher mit. Eine grundsätzliche Entscheidung über eine angemessene Vorlaufzeit für Streikankündigungen könne das Gericht an dieser Stelle nicht treffen. Der Vorsitzende Richter regte den Gang in eine formale Schlichtung an und appellierte an die Kompromissfähigkeit beider Parteien. Der Wellenstreik ist eine Art des Streiks, bei der Arbeitsniederlegungen kurzfristig stattfinden, nicht von langer Dauer sind und dem Arbeitgeber vorher nicht angekündigt werden. Nach der geltenden Rechtsprechung ist es das Hauptziel eines Wellenstreiks, mit möglichst wenigen Arbeitnehmern der Arbeitgeberseite ein Höchstmaß an Schäden zuzufügen. Dem Arbeitgeber wird es durch diese Streiktaktik erschwert, geeignete Gegenmaßnahmen zu planen und umzusetzen. Der Arbeitgeber geht bei unvorhersehbarer Wiederaufnahme der Arbeit insbesondere das Risiko ein, dass Vertretungskräfte Arbeitsplätze besetzen und er gegenüber den vertretenen Arbeitskräften, die zuvor gestreikt haben, in Annahmeverzug (§§ 615, 293 ff. BGB) gerät. Laut Beurteilung des BAG ist der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der Arbeitskampfrisikolehre bis zum Ende einer Schicht nicht verpflichtet, eine angebotene Arbeitskraft nach Beendigung eines Wellenstreiks anzunehmen und zu vergüten. Wenn allerdings der Arbeitgeber rein vorsorglich Ersatzarbeitskräfte beschäftigt, um drohende Arbeitsniederlegungen seiner vermeintlich streikbereiten Belegschaft vorzubeugen, so entbindet ihn das nicht von seiner Lohnzahlungspflicht nach Beendigung des Wellenstreiks.

Der Zeitpunkt, Ort und Dauer eines jeden Streiks von den Gewerkschaften grundsätzlich frei gewählt werden dürfen, ist prinzipiell auch der Wellenstreik rechtmäßig. Das hessische Landesarbeitsgericht entschied damit im Gleichklang mit den 4 Entscheidungen des BAG zum Wellenstreik. Das BAG betrachtet Arbeitskämpfe als freies Wechselspiel von Aktion und Reaktion.

In unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei sämtlichen Fragen des Arbeitskampfrechts kompetent zur Verfügung.


Erbrecht - OLG Brandenburg zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments bei Tod des Nacherbens und den Voraussetzungen einer Ersatznacherbschaft

Erbrecht - OLG Brandenburg zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments bei Tod des Nacherbens und den Voraussetzungen einer Ersatznacherbschaft

„Falls ein in einem gemeinschaftlichen Testament als Nacherbe bestimmter Abkömmling vor Eintritt des Nacherbfalls verstirbt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob nach dem Willen des Erblassers der Nachlass in der Familie bleiben soll und deshalb die Abkömmlinge als Nacherben an dessen Stelle treten sollen oder ob der Vorerbe insoweit frei über das Erbe verfügen kann.“

(Leitsatz Deutsches Notarinstitut zu OLG Brandenburg, Urteil vom 15.08.2023 – 3 U 204/2022).

Hintergrund

In dem vom OLG Brandenburg zu entscheidenden Fall begehrt die Klägerin Feststellung, dass sie zu 1/6 Nacherbin nach ihrem Großvater geworden ist. Die Großeltern der Klägerin, O. H. und R. H., errichteten am 25.05.1974 handschriftlich folgendes gemeinschaftliches Testament:

„Unser gemeinsamer letzter Wille

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben der Weise ein, dass der Überlebende von uns hinsichtlich des Nachlasses des Erstversterbenden Vorerbe wird. Nacherben sind jeweils unsere gemeinsamen Kinder:

1. D .H.
2. M. H.
3. T. H.

Der Nacherbfall soll jeweils eintreten dann, wenn der Überlebende von uns verstirbt oder sich wieder verheiratet.“

Der Erblasser verstarb am 06.04.2011, sein Sohn P. H. am 13.07.2011. Die Klägerin und ihre Schwester sind die einzigen Abkömmlinge des D. H. Dieser errichtete am 06.09.1996 ein handschriftliches Testament, mit dem er verfügte, dass im Falle meines Ablebens der mir gehörende Anteil von 50 % an dem Reihenhaus in das Eigentum meiner Lebensgefährtin C. N. übergeht und sie somit alleinige Eigentümerin dieses Wohnhauses wird. Am 13.01.2012 erließ das Amtsgericht einen Erbschein, der die Beklagte als Alleinerbin ausweist.

Der Erblasser hinterließ mehrere Grundstücke, die in seinem Alleineigentum gestanden hatten. Das Amtsgericht erteilte seiner Ehefrau R. H. am 07.06.2013 einen Erbschein, der sie als alleinige Vorerbin des Erblassers ausweist. In der Folge wurde sie mit Vorerbenvermerk als Alleineigentümerin in das Grundbuch von F. eingetragen. Das Grundbuch enthält außerdem einen Nacherbenvermerk unter namentlicher Nennung der drei Abkömmlinge des Erblassers.

R. H. verkaufte mit notariellem Vertrag vom 13.10.2021 die vorgenannten Grundstücke an ihre Enkelin und deren Ehemann. Die an dem Vertragsschluss beteiligten Nacherben und die Beklagte stimmten der Veräußerung zu und bewilligten die Löschung des Nacherbenvermerks. Während T. H. im Gegenzug ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wurde, erhielten M. H. und die Beklagte jeweils eine Ausgleichszahlung von € 100.000,00.

Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass sie Nacherbin zu 1/6 nach dem am 06.04.2011 verstorbenen O. H. ist.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 18.10.2022 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, in Abweichung einer Entscheidung des BGH sei die Vermutungsregel des § 2069 BGB anzuwenden, die hier nicht widerlegt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wurde auf das Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte wendet sich nun mit ihrer Berufung gegen die Klagestattgabe. Sie meint, die Klägerin habe kein Feststellungsinteresse, da die Ehefrau des Erblassers noch lebe. Auf Feststellung des Erbrechts nach noch lebenden Personen könne nicht geklagt werden, da die bloße Möglichkeit, Erbe zu werden, kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO sei. Es liege im berechtigten Interesse des potentiellen Erblassers, nicht schon zu Lebzeiten in gerichtliche Verfahren über das Schicksal seines Vermögens verwickelt zu werden.

Außerdem sei die Klägerin nicht Nacherbin des Erblassers geworden. Dem Wortlaut des Testaments vom 25.05.1974 lasse sich keine Regelung für den Fall des Vorversterbens eines Nacherben entnehmen. Das Testament sei daher ergänzend auszulegen, in dem der hypothetische Wille der Testierenden im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ermittelt werden. Dieser könne entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht allein aus dem seinerzeitigen Alter der Eheleute und ihrer Abkömmlinge abgeleitet werden. Es sei aus damaliger Sicht nicht zwingend gewesen, dass die Söhne vor Eintritt des Erbfalls Abkömmlinge haben würden. Auch lasse diese bloße Möglichkeit keinen Rückschluss darauf zu, wie die Eheleute testiert hätten, wenn sie das Vorversterben eines ihrer Abkömmlinge bedacht hätten. Weitere Umstände, die dafür sprächen, dass die testierenden Ehegatten ihre Enkel als Ersatznacherben eingesetzt hätten, sei nicht ersichtlich. Es sei auf die gesetzlichen Auslegungs- und Vermutungsregeln zurückzugreifen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei § 2069 BGB auf den vorliegenden Fall allerdings nicht entsprechend anwendbar. Diese Frage sei zwar streitig. Der BGH habe aber zutreffend festgestellt, dass die Lebenserfahrung und die typische Interessenlage nicht ausreichend sein, um stets die vorhandene Regelungslücke dahingehend zu schließen, der Erblasser habe den Ersatznacherben den Vorzug geben wollen. Dem sei hier zu folgen, da der Erblasser nicht habe vorhersehen können, wie viele Enkelkinder haben würde.

Wenn wir hier kein entgegenstehender Wille des Erblassers feststellbar sei, gelte § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB. Danach gehe das Recht eines eingesetzten Nacherben auf dessen Erben über, wenn der eingesetzte Nacherbe vor Eintritt der Nacherbfolge, aber nach Eintritt des Erbfalls versterbe. Ein entgegenstehender Wille des Erblassers liege nicht vor.

Die Beklagte sei als Alleinerbin des vorverstorbenen Nacherben in dessen Rechtsposition eingerückt. Sie sei über 20 Jahre lang dessen Lebensgefährtin gewesen und habe zur Familie gehört.

Entscheidung des OLG Brandenburg: Feststellungsklage zulässig

Nach § 256 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Ein Rechtsverhältnis besteht hier zwischen den Parteien als jeweilige Nacherbprätendenten auch vor Eintritt des Nacherbfalls. Der Einwand der Beklagten, dass nicht schon zu Lebzeiten des Erblassers erbrechtliche Fragen durch Feststellungsklage geklärt werden könnten, da der Erblasser ein berechtigtes Interesse habe, nicht schon zu Lebzeiten in Rechtsstreitigkeiten über das Schicksal seines Vermögens nach seinem Tode verwickelt zu werden, verfängt hier nicht. Da der künftige Erbe zu Lebzeiten des Erblassers nur eine tatsächliche Aussicht auf den Erwerb der Erbschaft besitzt, ist ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Erblasser grundsätzlich zu verneinen. Klagen auf Feststellungen des künftigen Eintritts oder des Nichteintritts eines gesetzlichen oder gewillkürten Erbrechts oder auf Feststellung des Entstehens bzw. nicht Entstehens eines Vermächtnisses sind unzulässig.

Anerkannt ist aber, dass ab Eintritt des ersten Erbfalls zwischen dem Vor- und Nacherben ein gesetzliches Schuldverhältnis und damit ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO besteht, welches Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. So ist der Nacherbe etwa berechtigt, im Wege der Feststellungsklage die Unwirksamkeit gemäß § 2113 Abs. 2 BGB einer Verfügung des Vorerben für den Fall des Eintritts der Nacherbfolge geltend zu machen.

Auch hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass das Bestehen dieses Rechtsverhältnisses alsbald durch richterliche Entscheidung festgestellt wird.

Die Klägerin ist zur Ersatznacherbin bestimmt. Stirbt der eingesetzte Nacherbe vor dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge, aber nach dem Eintritt des Erbfalls, so geht sein Recht auf seine Erben über, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB. Bei Anwendung der gesetzlichen Regelvorschrift wäre das Nacherbenrecht mit dem Tod des D. H. auf dessen Erben, hier also die Beklagte übergegangen. Hier ist aber ein auf den Ausschluss der Vererblichkeit gerichteter Wille des testierenden Ehegatten anzunehmen. Ob ein solcher Wille vorliegt, ist vorrangig durch unmittelbare, hilfsweise ergänzende Testamentsauslegung zu klären.

Bei der Frage nach dem konkludenten Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenrechts stellt der BGH außerdem entscheidend darauf ab, ob es den Testierenden auf den Verbleib des Erblasservermögens über den Nacherbfall hinaus innerhalb der Familie ankam (dann gilt Ersatzerbfolge der weiteren Abkömmlinge) oder sie die Erhöhung der Kreditfähigkeit des unmittelbar berufenen Nacherben damit dessen Eigeninteresse im Sinn hatten (dann geht die Vererbung des Anwartschaftsrechts auf die Nacherben erben). Für letzteres spricht hier in Zusammenschau mit den vorgenannten Kriterien dem seinerzeitigen Alter der Abkömmlinge nichts.

In unserer auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei der Auslegung von letztwilligen Verfügungen sowie bei Fragen zur Vor- und Nacherbschaft kompetent zur Verfügung.


Maklerrecht – Unklare Widerrufsbelehrung setzt den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang.

Maklerrecht – Unklare Widerrufsbelehrung setzt den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 01.12.2022, Az. I ZR 28/22, darauf hingewiesen, dass bei einer unklaren Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht anläuft, sondern vielmehr die Widerrufsfrist 12 Monate und 14 Tage beträgt.

In dem zu entscheidenden Fall hat die Maklerfirma Sparkassen Immo als Tochter einer Sparkasse eine Widerrufsbelehrung erteilt, bei der der Adressat des Widerrufs entweder die Maklerfirma, also die Tochter der Sparkasse sein konnte oder die Sparkasse selbst.

Für diesen Fall hat der BGH eine Irreführung des Verbrauchers angenommen und damit festgestellt, dass die verwendete Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen würde, weshalb die Widerrufsfrist 12 Monate und 14 Tage gedauert hätte.


Maklerrecht – Käufer sollten Provisionszahlung zurückhalten, bis der Verkäufer den Nachweis der Provisionszahlung erbracht hat

Maklerrecht – Käufer sollten Provisionszahlung zurückhalten, bis der Verkäufer den Nachweis der Provisionszahlung erbracht hat

Der Käufer einer Immobilie, die von einem Makler erfolgreich vermittelt wurde, sollte seine Provisionszahlung wegen § 656 c Abs. 1 BGB zurückhalten, bis der Maklernachweis, dass der Auftraggeber des Maklers seiner Zahlungspflicht tatsächlich nachgekommen ist, vorliegt (BT-Drs. 19/15827, S. 33).

Zahlt der Käufer allerdings die Provision anstandslos und fordert sie später zurück, weil er der Meinung ist, der Auftraggeber, also der Verkäufer habe seinen Provisionsanteil noch nicht bezahlt, so muss er dies auch beweisen, wie das LG Münster in seinem Urteil vom 15.12.2022, Az. 8 O 212/22, entschieden hat. Eine Pflicht zur Urkundenvorlegung im Rahmen eines Auskunftsanspruchs des Kunden zu Lasten des Maklers hat das Landgericht verneint.


Dieselskandal - Deutsche Umwelthilfe klagt erfolgreich gegen Kraftfahrtbundesamt - Fahrzeuge mit Thermofenstern droht Stilllegung

Dieselskandal - Deutsche Umwelthilfe klagt erfolgreich gegen Kraftfahrtbundesamt - Fahrzeuge mit Thermofenstern droht Stilllegung

Die deutsche Umwelthilfe konnte vor dem Verwaltungsgericht Schleswig erneut einen Sieg gegen das deutsche Kraftfahrtbundesamt einfahren. So hält eine Kammer des Verwaltungsgerichts in Schleswig die vor Jahren genehmigten Thermofenster bei Fahrzeugen des VW-Konzerns für unzulässig. Wie auch das Internetportal LTO berichtet, möchte die DUH, dass das Kraftfahrtbundesamt sogenannte Freigabebescheide aufhebt. Mit diesen hat es in der Vergangenheit ein Software-Update als ausreichende Nachbesserung im Zusammenhang mit den unzulässigen Abschalteinrichtungen an bestimmten Dieselmotoren genehmigt.

Dem schiebt das Verwaltungsgericht Schleswig nun den Riegel vor. So hält dieses die sogenannten Thermofenster für unzulässige Abschalteinrichtungen, die das Kraftfahrtbundesamt nicht hätte genehmigen dürfen. Betroffen sind 62 ältere Modelle verschiedener Marken des Volkswagenkonzerns. Im Gleichklang mit dem EuGH sowie dem Bundesgerichtshof sind nach dem Verwaltungsgericht Schleswig Abschalteinrichtungen nur zulässig, wenn sie dazu dienen, Schäden am Motor zu verhindern. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Der Volkswagenkonzern berief sich stets darauf, dass das Thermofenster dazu dient, den Motor zu schützen und damit Unfälle vorbeugt. Es ging sogar soweit, dass mitgeteilt wurde, dass Fahrzeuge unter Thermofenster nicht genehmigungsfähig wären.

Dieser Argumentation folgten die Richter aber nicht. Folge des nunmehrigen Urteils ist, dass das VG Schleswig Millionen Dieselfahrzeuge des VW-Konzerns für illegal hält. Das Kraftfahrtbundesamt muss die Freigabebescheide aufheben. Den Fahrzeugen droht nun ein Stilllegungsverfahren.

Insoweit eröffnet sich hier noch mal eine Möglichkeit, Schadensersatzansprüche gegenüber den Fahrzeugherstellern geltend zu machen.

Mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Abgasskandals stehen wir Ihnen bei der Prüfung von möglichen Ansprüchen gerne jederzeit zur Verfügung.


Erbrecht - Bundesfinanzhof zu § 23 EStG: Kein anteiliger Erwerb eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks bei entgeltlichem Erwerb eines Miterbenanteils

Erbrecht - Bundesfinanzhof zu § 23 EStG: Kein anteiliger Erwerb eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks bei entgeltlichem Erwerb eines Miterbenanteils

Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks.

1.
Eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt.

2.
Eine anteilige Zurechnung im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO wird im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst den Besteuerungsbestand erfüllt. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, da kein Grundstück, sondern ein Gesellschaftsanteil der Gemeinschaft oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist.

3.
Soweit im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 – GrS 2/89 ausgeführt ist, dass dem Erbteilskäufer Anschaffungskosten für die hinzuerworbenen Anteile am Gemeinschaftsvermögen entstehen, lässt diese Aussage nicht hinreichend klar erkennen, ob die Anschaffungskosten den Anteilen oder den Gegenständen im Gemeinschaftsvermögen zuzuordnen sind. Eine Anfrage an die anderen Senate bzw. einer erneuten Anrufung des Großen Senats des BFH bedarf es nicht.

4. § 23 Abs. 1 S. 4 EStG ist auf Erbengemeinschaft nicht anwendbar.

§ 23 Abs. 1 S. 4 EStG besagt, dass die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt. Dieser Grundsatz ist nach der Rechtsauffassung des BFH nicht auf die Erbengemeinschaft anwendbar. Veräußert die Erbengemeinschaft einen zum Nachlass gehörende Immobilie, fällt grundsätzlich hier keine Einkommensteuer an, soweit schon einmal vorher ein Anteil an der Erbengemeinschaft verkauft wurde (vgl. BFH, Urteil vom 26.09.2023 – IX R 13/22).

Im gegenständlichen Streitfall kaufte der Steuerpflichtige Anteile von Miterben an der Erbengemeinschaft und veräußerte dann im Anschluss die Immobilien. Dieser Verkauf wurde vom Finanzamt gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG als privates Veräußerungsgeschäft besteuert. Hiergegen wandte sich der BFH. Voraussetzung für die Besteuerung sei demnach, dass das veräußerte Vermögen zuvor auch angeschafft worden sei. Dies wäre im Hinblick auf den Kauf von Anteilen an einer Erbengemeinschaft bezüglich des zum Nachlass gehörenden Vermögens aber nicht der Fall. Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung geändert und ist der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden entgegengetreten. In Fällen wie diesen kann also Nachlassvermögen steuerfrei veräußert werden.

Unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen zu sämtlichen Themenkomplexen des Erbrechts sowie bei Schenkungen zu Lebzeiten jederzeit kompetent zur Verfügung.


Familienrecht - Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen

Familienrecht - Kindesunterhalt bei überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen

Hintergrund

Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt. Die am 21.06.2011 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners und dessen geschiedener Ehefrau. Die im Jahr 2010 geschlossene Ehe des Antragsgegners mit der Kindesmutter wurde im Februar 2014 rechtskräftig geschieden. Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Die Antragstellerin ist Schülerin und lebt in der Obhut der Kindesmutter, die für die gemeinsame Wohnung monatliche Ausgaben in Höhe von ca. € 2.100,00 hat. Der Antragsgegner hat sich hinsichtlich des Kindesunterhalts für unbegrenzt leistungsfähig erklärt.

Eine im Juni 2013 geschlossene Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung enthielt unter anderem eine bis zum 30.06.2019 befristete Regelung zum mit dem Ehegattenunterhalt zusammengefassten Kindesunterhalt. Für die Zeit ab Juli 2019 verpflichtete sich der Antragsgegner durch notarielle Urkunde vom 08.11.2018 zur Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle entsprechend der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes.

Die Antragstellerin hat nach Abschluss der Auskunftsstufe eines Stufenverfahrens erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung der notariellen Unterhaltsverpflichtung zu verpflichten, zu Händen ihres gesetzlichen Vertreters ab dem 01.07.2019 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von € 4.500,00 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 19.04.2021 zunächst beantragt, den Leistungsantrag der Antragstellerin insoweit abzuweisen, als er verpflichtet werden sollte, an die Antragstellerin einen monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen, der über 272 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht und ausgeführt, dass der Bedarf der Antragstellerin grundsätzlich mit dem Tabellenunterhalt von 272 % der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt und ein etwaiger berechtigter Mehrbedarf für das Hobby Reiten nicht schlüssig dargelegt worden sei. Weiter hat der Antragsgegner, der für die Zeit von Juli 2019 bis März 2022 einen Kindesunterhaltsbetrag in Höhe von € 87.253,99 bezahlt hat, mit einem Wiederantrag beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, den seit 01.07.2019 von ihm bezahlten, über 272 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehenden Betrag, hilfsweise den über den in diesem Verfahren rechtskräftig festgestellten Unterhalt hinausgehenden Betrag an ihn zurückzuzahlen.

Mit Schriftsatz vom 23.06.2021 hat er diese Anträge dahin abgeändert, dass Kindesunterhalt nur in Höhe eines Betrages von 200 % des Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle geschuldet werde, dieser Prozentsatz auch auf das Rückzahlungsbegehren zu beziehen sei.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem 01.07.2019 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von € 2.259,49 zu zahlen. Auf den Wiederantrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht die Antragstellerin verpflichtet, an ihn € 6.095,94 zu zahlen.

Beschwerde

Gegen diesen Beschluss haben sowohl Antragstellerin als auch der Antragsgegner Beschwerde eingereicht. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin in vollem Umfang zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragsgegner hat es den Beschluss des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den Antragsgegner dazu verpflichtet, an die Antragstellerin ab dem 01.04.2020 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von € 1.808,37 zu bezahlen. Auf den Wiederantrag des Antragsgegners hat es die Antragstellerin verpflichtet, an den Antragsgegner für einen Zeitraum vom 01.07.2019 bis einschließlich März 2022 überzahlten Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt € 18.076,54 zurückzuzahlen.

Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts haben die Antragstellerin die zugelassene Rechtsbeschwerde und der Antragsgegner Anschlussrechtsbeschwerde eingelegt.

Rechtsbeschwerde begründet

Das Beschwerdegericht befand die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin und die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragsgegners als begründet.

Nach § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltspflicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Es entspricht vom Senat gebilligter Praxis, sich bei der Bemessung des in diesem Sinne angemessenen Unterhalts an den von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellenwerken zu orientieren.

Wirtschaftliche Situation der Eltern maßgebend

Bei höherem Elterneinkommen muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, sodass der Kindesunterhalt auch bei einem den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für seinen Unterhaltsbedarf nicht faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden darf.

Eine allgemein gültige feste Obergrenze besteht für den Kindesunterhalt weiterhin nicht. Vielmehr bleibt dem unterhaltsberechtigten Kind die Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen. Allerdings ist insbesondere beim Unterhalt minderjähriger Kinder zu beachten, dass dieser keine bloße Teilhabe am Luxus der Eltern beinhaltet und naturgemäß erst recht nicht zur Vermögensbildung des unterhaltsberechtigten Kindes dient. Schließlich ist das Maß des den Kindern zu gewährenden Unterhalts auch maßgeblich durch das Kindsein geprägt, berechtigt also insbesondere nicht zu einer gleichen Teilhabe am Elterneinkommen. Welche Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten danach unterhaltsrechtlich relevant sind und welche Wünsche des Unterhaltsberechtigten als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssen, kann nur unter Würdigung der besonderen Verhältnisse der jeweiligen Beteiligten namentlich auch einer Gewöhnung des Unterhaltsberechtigten ein von seinen Eltern während des Zusammenlebens gepflegten aufwändigen Lebensstil festgestellt werden.

Ob und in welcher Höhe ein vom Unterhaltsberechtigten geltend gemachter erhöhter Regelbedarf oder ein Mehrbedarf angemessen ist, obliegt der tatrichterlichen Würdigung. Bei der Bemessung des erhöhten Regelbedarfs ist das Gericht nicht gehindert, den zur Bedarfsdeckung erforderlichen Betrag unter Heranziehung des Mehrbetrags zu berechnen, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer Bedürfnisse mit bereits von den Richtwerten der Düsseldorfer Tabelle erfassten Grundbedürfnissen ergibt und unter Zuhilfenahme allgemeinen Erfahrungswissen nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 287 ZPO zu bestimmen.

Unsere auf das Familienrecht spezialisierten Anwältinnen stehen Ihnen bei sämtlichen Fragestellungen dieses Rechtsgebiets kompetent zur Verfügung.


Insolvenzrecht - OLG Frankfurt zur Frage, ob Vollstreckungsmaßnahmen eines Vollstreckungsorgans Rechtshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO darstellen können

Insolvenzrecht - OLG Frankfurt zur Frage, ob Vollstreckungsmaßnahmen eines Vollstreckungsorgans Rechtshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO darstellen können

„1. Eine Vollstreckungsmaßnahme des Vollstreckungsorgans stellt keine Rechtshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO dar. Einer solchen Rechtshandlung steht es aber nicht entgegen, wenn der Schuldner unter dem Druck der Zwangsvollstreckung zahlt. Übergibt der Schuldner dem Vollziehungsbeamten Bargeld, deren Pfändung andernfalls hätte hinnehmen müssen, ist diese Zahlung nicht nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar. Umgekehrt ist aber bei einer Barzahlung von einer Rechtshandlung auszugehen, wenn der Vollziehungsbeamte auf das Bargeld nicht ohne tatsächliche oder rechtliche Hindernisse hätte zugreifen können.

2. Die Beweislast für die Rechtshandlung trägt der anfechtende Insolvenzverwalter.

3. Liegen Quittungen für den Einzahler vor, ausweislich derer der Vollziehungsbeamte jeweils einen glatten Einzahlungsbetrag in bar erhalten hat, dann sprechen die glatten Beträge für willensgeleitete Entscheidungen des Schuldners und gegen Pfändungen.

4. Ein Beklagter darf nicht pauschal eine Erklärung mit Nichtwissen abgeben, wenn ihm die Urkunden zum gegnerischen Vortrag vorgelegt worden sind. Er muss dann substantiiert bestreiten.“

Bei Fragen hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen stehen Ihnen unsere auf das Insolvenzrecht spezialisierten Anwälte kompetent zur Verfügung.


Insolvenzrecht - Beihilfe an einer Insolvenzverschleppung durch einen Notar

Insolvenzrecht - Beihilfe an einer Insolvenzverschleppung durch einen Notar

Hintergrund

Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft Lübeck Anklage gegen einen Rechtsanwalt und Notar erhoben, da sie ihm zur Last legt, einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat – einer Insolvenzverschleppung gemäß §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO – Beihilfe geleistet zu haben.

So habe der Angeklagte in seiner Funktion als Notar am 20.09.2017 den Geschäftsanteilskaufvertrag mit der Urkunden Nr. 367/2017 über den Verkauf und die Abtretung von Gesellschaftsanteilen, die Geschäftsführerabberufung und Neubestellung sowie die Sitzverlegung der pp. beurkundet. Hierbei soll er gewusst haben, dass die bei diesen Beurkundungen beteiligten Personen mit der Übernahme der Gesellschaftsanteile und der Geschäftsführung den Zweck verfolgten, dieser einer ordnungsgemäßen insolvenzrechtlichen Abwicklung zu entziehen. Trotz Zahlungsunfähigkeit der pp. am 31.10.2017 hätten pp und pp. innerhalb von drei Wochen keinen Insolvenzantrag gestellt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen seien. Das Amtsgericht Lübeck hatte im März 2021 daher einen Strafbefehl gegen pp. erlassen unter anderem wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Bezug auf die pp. Das Amtsgericht ging davon aus, dass die pp. spätestens am 31.10.2017 zahlungsunfähig gewesen sei.

Im Weiteren hat das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, da keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts in Bezug auf die Begehung einer Straftat gemäß §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO, 27 StGB vorliegen. Die ermittelten Umstände begründeten keine Beihilfehandlung des Angeklagten. So liege weder eine berufsuntypische Handlung des Angeklagten vor noch sei er in die Planungen von pp. einbezogen gewesen. Bei den Beurkundungen am 20.09.2017 habe der Angeklagte nicht erkannt, dass das Handeln auf die Begehung einer Insolvenzverschleppung gerichtet gewesen sei. Dies sah das Landgericht Lübeck zusammen mit der Staatsanwaltschaft Lübeck, die die Beschwerde eingelegt hat, anders.

„1. Hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilungen einer Hauptverhandlung mit voll gültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung in der Hauptverhandlung muss in der Regel höher sein als diejenige eines Freispruchs.

2. Auch ein faktischer Geschäftsführer ist nach §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO strafrechtlich verantwortlich.

3. Bei einer berufstypischen Handlung liegt nur dann eine Beihilfehandlung vor, wenn der Handelnde weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer Straftat abzielt oder wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass es sich die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließen.

4. Die Kenntnis eines Notars im Hinblick auf die Förderung einer Insolvenzverschleppung kann durch die Feststellung von Indizien belegt werden. Hierfür kommen unter anderem insbesondere in Betracht: Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an einen Dritten, Änderung der Firmierung, wiederholter Wechsel in der Person des Geschäftsführers, Sitzverlegungen der Gesellschaft an einen entfernt gelegenen Ort oder ins Ausland.“

LG Lübeck, Beschluss vom 27.03.2023 – 6 QS 33/22.

In unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen zu den Voraussetzungen einer Insolvenz sowie zu den Gefahren einer Insolvenzverschleppung gerne zur Verfügung.