Insolvenzrecht - teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot

Die vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidende Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Über das Vermögen der Beschwerdeführerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. August 2020 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Eröffnung erfolgte aufgrund von drei Gläubigeranträgen. Die Gläubiger hatten jeweils eine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung gegen die Beschwerdeführerin angeführt und die entsprechenden Vollstreckungsbescheide vorgelegt. Der Eröffnungsbeschluss enthielt keine nähere Begründung, insbesondere keine Ausführungen zum Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Insolvenzanträge unzulässig seien.

Die Beschwerdeführerin legte gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde zum Insolvenzgericht ein. Sie führte hierzu im weiteren Verlauf unter anderem aus, dass die vorliegenden Insolvenzanträge unzulässig seien, da das Bestehen einer Forderung des jeweiligen Gläubigers nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Vollstreckungsbescheide seien rechtswidrig und nicht rechtskräftig. Die Vorlage eines nicht rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids genüge zur Glaubhaftmachung einer Forderung nicht. Hinsichtlich eines weiteren Vollstreckungsbescheids, der gegen eine andere Gesellschaft über die gleiche Forderung erwirkt worden sei, sei bei gleicher Sachlage die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid durch Beschluss des hanseatischen Oberlandesgerichts mittlerweile eingestellt worden.

Aus den Gründen dieses Beschlusses sei zu erzählen, dass die Titel zu Unrecht vollstreckbar gewesen seien. Das Insolvenzgericht Amtsgericht Hamburg half der sofortigen Beschwerde nicht ab. Auch das Landgericht Hamburg wies die sofortige Beschwerde zurück. Im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung gegen den Beschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sei maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung ein Insolvenzgrund gemäß § 16 InsO vorgelegen habe.

Das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beide Eröffnungsgründe, nämlich Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beschwerdeführerin, vorgelegen hätten. Dies gelte auch dann, wenn man Verbindlichkeiten, hinsichtlich derer die Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden einstweilen eingestellt worden sei, nicht berücksichtigen würde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO, die durch das Landgericht Hamburg auch als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Aufgrund dessen wendet sich die Beschwerdeführerin nun mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg sowie gegen die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg.

Sie rügt die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg sowie durch die beiden Beschlüsse des Landgerichts Hamburg. Bei verständiger Würdigung der Entscheidungen könne nur davon ausgegangen werden, dass die Gerichte den Vortrag der Beschwerdeführerin über das Nichtbestehen der titulierten Forderungen und über die Art und Weise des Zustandekommens der Vollstreckungsbescheide jeweils gar nicht zur Kenntnis genommen hätten.

Weiter rügt sie die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots durch die beiden Beschlüsse des Landgerichts Hamburg. Den Beschluss über die Anhörungsrüge geäußerte tragende Erwägung des Landgerichts, wonach es im Beschwerdeverfahren gegen einen Eröffnungsbeschluss nicht mehr auf die Zulässigkeit des Insolvenzantrags, sondern nur noch auf seine Begründetheit ankomme, sei unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar, sondern willkürlich.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist. So verletzte der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom Dezember 2020 das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 (in der Ausprägung als Willkürverbot) i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG.

Demnach verstößt ein Richterspruch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür, wenn er unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn es eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, die Rechtslage als in krasser Weise verkannt wird.

So lag der Fall hier.

Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzantrag, der zulässig und begründet sein muss. Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag, setzt die Zulässigkeit desselben gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 InsO voraus, dass der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Begründet ist der Insolvenzantrag, wenn gemäß § 16 InsO ein Eröffnungsgrund gegeben ist, im Falle eines Gläubigerantrags also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zur Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Eröffnung vorliegen.

Die Annahme des Landgerichts, ob das für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde allein maßgeblich sei, bezogen auf den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung ein Eröffnungsgrund im Sinne von § 16 InsO gegeben sei, lässt sich damit nicht in Einklang bringen.

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