Erbrecht - BGH zur Gewährung von Einsicht in Nachlassakten für an Verfahren unbeteiligten Dritten

„1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist der statthafte Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Nachlassgerichts nach § 13 Abs. 7 FamFG über die Nichtgewährung von Einsicht in die Nachlassakten eines abgeschlossenen Verfahrens für einen am Verfahren nicht beteiligten Dritten.

2. Zum berechtigten Interesse auf Akteneinsicht in Nachlassakten eines verfahrensfremden Dritten nach § 13 Abs. 2 FamFG.“

BGH, Beschluss vom 15.11.2023 – IV ZB 6/23

Die Parteien streiten über das Recht der Beteiligten zu 1.), Einsicht in die Nachlassakten betreffend ihren im Jahr 2021 verstorbenen Kommanditisten C zu nehmen. In § 18 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Beteiligten zu 1.) ist geregelt, dass Gesellschafter durch letztwillige Verfügungen über ihre Gesellschaftsbeteiligung verfügen können, aber stets nur einen Nachfolger in ihrer Gesellschafterstellung benennen dürfen. Der Beteiligten zu 2.) wurde unter dem 20. Januar 2022 antragsgemäß ein Erbschein erteilt, der sie als Alleinerbin ihres Ehemanns C ausweist.

Die Beteiligte zu 1.) hat mit Schreiben vom 10. Februar 2022 beantragt, ihr Einsicht in die Nachlassakten zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr sei nach dem Tod ihres Kommanditisten mitgeteilt worden, die Beteiligte zu 2.) habe die Erbschaft nach ihrem Ehemann ausgeschlagen. Von der Beteiligten zu 2.) habe sie ferner erfahren, die Ausschlagungserklärung sei angefochten worden. Die Beteiligte zu 1.) wolle prüfen, inwieweit sich die Ausschlagung und die Anfechtung der Ausschlagungserklärung auf die Erbenstellung ausgewirkt hätten.

Das Nachlassgericht hat das Akteneinsichtsgesuch der Beteiligten zu 1.) zurückgewiesen und ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 13 Abs. 2 FamFG der Beteiligten zu 1.) an der beantragten Akteneinsicht verneint, denn sie habe schon aufgrund des übersandten Erbscheins ausreichend Kenntnis von der Erbfolge. Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens sei inzident über die Erbausschlagung entschieden worden. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1.) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt, hilfsweise Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG eingelegt.

Im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG hat das OLG der Beteiligten zu 1.) Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewährt und das Nachlassgericht angewiesen, den Antrag der Beteiligten zu 1.) auf Einsicht in die Nachlassakten unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG neu zu bescheiden. Hiergegen wandte sich die Beteiligte zu 2.) mit einer Rechtsbeschwerde zum OLG.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das OLG hat ohne Rechtsfehler ein berechtigtes Interesse der Beteiligten zu 1.) als Dritte auf Gewährung von Einsicht in die Nachlassakten gemäß § 13 Abs. 3 FamFG angenommen.

Ein berechtigtes Interesse muss sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen, es geht über ein rechtliches Interesse hinaus und ist anzunehmen, wenn ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse besteht, das auch tatsächlicher, etwa wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art zeigen kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Es wird nicht durch den Gegenstand des Verfahrens, dessen Akten eingesehen werden sollen, begrenzt. Ein berechtigtes Interesse liegt regelmäßig vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten auch nur mittelbar berührt werden können, um Kenntnis vom Inhalt der Akten für ihn zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist.

Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Ermessensausübung hat aufgrund einer Abwägung zu erfolgen, der eine mehrstufige Prüfung vorauszugehen hat. Zunächst ist festzustellen, ob der Dritte ein berechtigtes Interesse dargelegt hat. Erforderlich ist im nächsten Schritt eine Glaubhaftmachung. Weiter dürfen keine schutzwürdigen Interessen eines Beteiligten oder Dritten entgegenstehen. Sodann sind gegebenenfalls die unterschiedlichen Interessen abzuwägen.

Dies hat das OLG rechtsfehlerfrei angenommen.

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