Arbeitsrecht – „Crowdworker“ sind (manchmal) Arbeitnehmer(innen)

Arbeitsrecht – „Crowdworker“ sind (manchmal) Arbeitnehmer(innen)

Das BAG hat mit Urteil vom 01.12.2020 entschieden, dass ein „Crowdworker“ unter bestimmten Umständen als Arbeitnehmer einzustufen ist (Az.: 9 AZR 102/20).

Was versteht man unter Crowdworking?

Beim Crowdworking werden Aufträge, meist zerteilt in kleinere Aufgaben, über digitale Plattformen an sog. Crowdworker vergeben. Über die Plattformen werden Aufgaben wie Programmieraufträge, das Aufladen von E-Scootern oder die Kontrolle von Werbemaßnahmen angeboten. In Deutschland erzielen Hunderttausende mit derartigen Mikro-Aufträgen zumeist einen Zuverdienst. Die Gewerkschaften beobachten das Crowdworking mit Sorge und befürchten das Unterlaufen wichtiger arbeitsrechtlicher Standards – in Anlehnung an „Outsourcing“ wird vielfach vom „Crowdsourcing“ gesprochen. Ungeachtet dessen ist von den Arbeitsgerichten bislang überwiegend die Auffassung vertreten worden, dass in derart gelagerten Fällen mangels Leistungsverpflichtung kein Arbeitsverhältnis besteht.

 

Hintergrund

Die Beklagte betreibt eine Internetplattform und führt unter anderem für Markenhersteller Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel und bei Tankstellen durch. Diese Aufträge werden über eine “Crowd” vergeben. Der Abschluss einer Basisvereinbarung berechtigt dazu, über eine App die auf einer Internetplattform angebotenen Aufträge zu übernehmen. Bei erfolgter Übernahme ist ein Auftrag regelmäßig innerhalb von zwei Stunden nach bestehenden Vorgaben abzuarbeiten. Der Kläger übernahm regelmäßig kleinere Aufträge, oft mehrere hundert im Monat und erzielte damit im Jahr 2017 einen Umsatz von ca. €. 20.000,00. So kontrollierte er zum Beispiel bei Geschäften, ob bestimmte Werbeplakate korrekt zu sehen waren. Im April 2018 beendete die Beklagte die Zusammenarbeit. Dagegen wehrt sich der Kläger und macht geltend, dass er Arbeitnehmer sei.

 

BAG – Crowdworker als Arbeitnehmer

Das BAG hat im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände entschieden, dass die Beklagte als Auftraggeberin die Zusammenarbeit so gesteuert hat, dass der Kläger als Auftragnehmer seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten konnte. Vielmehr habe der Kläger in arbeitnehmertypischer, weisungsgebundener und fremdbestimmter Art und Weise Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. So führt das BAG in seiner Pressemitteilung vom 1. Dezember 2020 aus: „Zwar sei er (der Kläger) vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Beklagten verpflichtet gewesen. Die Organisationsstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem ermöglicht es den Nutzern der Online-Plattform, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Durch dieses Anreizsystem wurde der Kläger dazu veranlasst, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen.“ Der klagende Crowdworker habe daher faktisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Betreiber der Internetplattform gehabt. Die von der Beklagten gesetzten Anreize für eine kontinuierliche Zusammenarbeit haben dazu geführt, dass die Tätigkeit letztlich doch eher als fremd- und nicht als selbstbestimmt anzusehen sei.

 

Höheres Haftungsrisiko für Plattformbetreiber

Das Urteil ist nicht verallgemeinerbar. Nicht jeder Crowdworker kann als Arbeitnehmer eingestuft werden. Dies hängt stets von den Mechanismen und der Organisation der einzelnen Plattformen und insbesondere auch der Anreizsysteme ab. Die Haftungsrisiken für Plattformbetreiber jedoch sind mit der Entscheidung des BAG sicherlich größer geworden. Mit der Entscheidung des BAG steht fest, dass das Verhältnis zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker durchaus ein faktisches Arbeitsverhältnis darstellen kann.

Haben Sie Fragen zum Thema Crowdworking? Wurden Sie vom Plattformbetreiber gekündigt und wollen sich dagegen wehren oder sind Sie Betreiber einer Plattform und überlegen, ob sie einem Ihrer Mitarbeiter ohne Haftungsrisiko kündigen können?

 

In unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei vertreten wir sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und stehen Ihnen rund um das Thema Kündigung mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


Steuerberaterhaftung bei Insolvenzgefahr

Steuerberaterhaftung bei Insolvenzgefahr

Verletzung Hinweis- und Warnpflicht

Der BGH hat die Anforderungen und Haftungsrisiken des Steuerberaters bei Insolvenzreife seines Mandanten entscheidend verschärft (Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14). Abweichend von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. BGH, ZIP 2013, 829) ist der IX. Senat nunmehr der Ansicht, dass eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht kommt, wenn der Steuerberater das Vorliegen eines Insolvenzgrundes erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass ein Insolvenzgrund vorliegen könnte. Zudem muss er davon ausgehen, dass seinem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bekannt ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater beispielsweise dann erkennbar sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. In diesem Fall hat der Steuerberater seinem Mandanten konkrete Hinweise für den Einzelfall zu erteilen. Es genügt nicht, wenn der Steuerberater nur auf die allgemeinen Prüfungspflichten des Geschäftsführers verweist. Der BGH stützt sich dabei auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Danach hat der Steuerberater zu prüfen, ob die Bilanzierung zu Fortführungswerten im Einzelfall noch vertretbar ist. Allerdings ist der Steuerberater nicht verpflichtet von sich aus, eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen.

 

Aktiver Hinweis auf Risiko der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Aus dieser Änderung der Rechtsprechung ergeben sich erhebliche Konsequenzen für die Haftung von Steuerberatern bei der Beratung von Krisenmandaten, aber auch für Wirtschaftsprüfer. Steuerberater müssen nunmehr ihre Mandanten detailliert und konkret auf das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hinweisen. Auf der anderen Seite bietet die neue Rechtsprechung die Möglichkeit, Insolvenzrisiken frühzeitig zu kommunizieren und somit rechtzeitig die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Damit kann die Gefahr der Insolvenzverschleppung in Zukunft gemindert werden. Die Risiken für den Steuerberater sollten auf keinen Fall unterschätzt werden, zumal bisher nur wenige Steuerberater beispielsweise mit der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzantragsgrund routinemäßig Erfahrung sammeln konnten.

 

Beihilfe zur Insolvenzverschleppung

Unterlässt der Steuerberater entsprechende Hinweise, kommt eine Haftung für den Insolvenzvertiefungsschaden in Betracht. Selbst dann, wenn der Geschäftsführer erkennen lässt, dass ihm das Problem der bilanziellen Überschuldung bekannt ist, ist die Haftung des Steuerberaters nicht grundsätzlich auszuschließen, wenn in weiteren Dienstleistungen für das schuldnerische Unternehmen Beihilfe für Insolvenzverschleppung gesehen werden sollte, §§ 830, 840 BGB i.V.m. § 823 BGB, 15 a Abs. 4 InsO, § 27 StGB. Auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nach §§ 283 ff. StGB kommt in Betracht.

 

In unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei klären wir Sie mit unserer langjährigen Erfahrung über Haftungsrisiken auf und beraten Sie umfassend bei der Betreuung von Krisenmandaten.


Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel kann zur fristlosen verhaltensbedingten Kündigung führen:

Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel kann zur fristlosen verhaltensbedingten Kündigung führen:

Das LAG Düsseldorf hat am 14.01.2021 in einer Kündigungsschutzklage festgestellt, dass der Arbeitgeber zur fristlosen verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein kann, wenn ein Arbeitnehmer einen Liter Desinfektionsmittel entwendet. Das Gericht hat festgestellt, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt. Der Arbeitgeber hat mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe. Auch fiel die Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers aus, wobei diese grundsätzlich für den jeweiligen Einzelfall gesondert zu prüfen ist.


Neue Entscheidung des BGH im Insolvenzanfechtungsrecht – Immobilienübertragung an Verwandte vor Insolvenz kann anfechtbar sein

Neue Entscheidung des BGH im Insolvenzanfechtungsrecht – Immobilienübertragung an Verwandte vor Insolvenz kann anfechtbar sein

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 22.10.2020 (Az.: IX ZR 208/18) festgestellt, dass die Möglichkeit einer Anfechtung des Hausverkaufs des Insolvenzschuldners an nahestehende Verwandte potentiell anfechtbar ist. Veräußert der Schuldner einen Vermögensgegenstand erheblich unter Wert, scheidet eine Anfechtung wegen einer teilweise unentgeltlichen Leistung aus, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen vor Vertragsschluss selbst von einem Austauschgeschäft und der Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen ausgehen.

Der Insolvenzverwalter muss ggf. beweisen, dass die Fehlvorstellung über die Gleichwertigkeit der Leistungen keine Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses hatte. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast muss jedoch der Anfechtungsgegner solche Umstände substantiiert darlegen.

Hintergrund

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verlangt der Insolvenzverwalter als Kläger vom beklagten Sohn des Insolvenzschuldners die Rückübertragung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Dieses war vom späteren Insolvenzschuldner nach Ermittlung eines „überschlägigen Verkehrswerts“ durch einen Sachverständigen von € 395.000,00 auf den Beklagten übertragen worden. Als Gegenleistung sollten ein durch den Grundbesitz gesichertes Darlehen über ca. € 215.000,00 schuldbefreiend übernommen werden. Die Bank lehnte eine Entlassung des späteren Insolvenzschuldners aus der Haftung ab, erhielt aber Zahlungen auf die Annuitäten vom Beklagten. Ein dingliches Wohnrecht im Wert von ca. € 180.000,00 war eingetragen worden. Der Kläger behauptete einen Verkehrswert des Grundbesitzes bei Übertragung von wenigstens € 600.000,00.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht begründete dies mit dem guten Glauben der beiden Teile an die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies an das Berufungsgericht zurück.

 

BGH: Rückübertragung Grundbesitz

Der BGH weist darauf hin, dass es für die Frage der Unentgeltlichkeit im Zwei-Personen-Verhältnis im Rahmen der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO in erster Linie auf die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers ankomme. Fehlvorstellungen der Beteiligten seien nur dann erheblich, wenn sie ihre Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses finden. Den Insolvenzverwalter treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners, wobei dafür der Nachweis eines objektiven Missverhältnisses der Werte nicht ausreiche. Er habe darzulegen und zu beweisen, dass keine Umstände vorgelegen haben, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlaube. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zu solchen negativen Tatsachen müsse der Insolvenzverwalter nur die vom Anfechtungsgegner zu substantiierenden Umstände, die einen guten Glauben an die Gleichwertigkeit begründen, ausräumen. Gelinge dies dem Insolvenzverwalter, sei der Nachweis für solche negativen Tatsachen erbracht.

Die Karlsruher Richter waren der Auffassung, dass der Kläger Umstände vorgetragen habe, die gegen einen aus dem Wertgutachten abgeleiteten Irrtum der Vertragsparteien sprechen. Das Berufungsgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Schuldner und der Beklagte nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, der Vorüberlegungen der Vertragsparteien und des Vertragsschlusses selbst von einem wertäquivalenten Austauschgeschäft ausgegangen sind und zudem in gutem Glauben von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung überzeugt waren.

Die beantragte Rechtsfolge der Rückübertragung des Grundbesitzes insgesamt sei zulässig und eine mögliche Rechtsfolge einer (nur) teilweisen Unentgeltlichkeit oder einer verschleierten Schenkung, da die höherwertige Leistung des Schuldners unteilbar sei.

Für das weitere Verfahren wies der BGH noch darauf hin, dass nach dem klägerischen Vorbringen eine verschleierte Schenkung vorliegen könne und das Berufungsgericht eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO a.F. zu prüfen habe. Die Indizien, die gegen die Annahme des guten Glaubens bezüglich des Grundstückswertes sprechen, könnten auch Indizien für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sein.

 

Als Fachanwälte für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter kennen wir beide Seiten der Insolvenzanfechtung und stehen Ihnen bei Fragen rund um das Thema Insolvenzanfechtung kompetent zur Verfügung.


Kindesunterhalt – Auskunft des Vaters auch bei hohem Einkommen

Kindesunterhalt – Auskunft des Vaters auch bei hohem Einkommen

Erklärt sich ein Vater hinsichtlich des Kindesunterhalts für „unbegrenzt leistungsfähig“, ist er seinem Kind gegenüber dennoch zur Auskunft über sein Einkommen verpflichtet. Dabei ist eine Fortschreibung des Bedarfs über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle nicht ausgeschlossen. Das hat der Bundesgerichtshof, mit Beschluss vom 16.09.2020 entschieden und damit teilweise seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben (BGH, Beschluss vom 16.09.2020, Az.: XII ZB 499/19).

Hintergrund

In dem Fall verlangte das Kind von ihrem Vater Auskunft zu seinem Einkommen und Zahlung von Kindesunterhalt. Diesbezüglich hatte er sich für unbegrenzt leistungsfähig erklärt. Im Jahr 2014 ließen sich die Eltern nach fünf Jahren Ehe scheiden. Sie waren gemeinsam sorgeberechtigt. Der Vater war Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften, die Schülerin lebte bei ihrer Mutter. Eine im Juni 2012 geschlossene Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung enthielt eine bis zum 30.06.2019 befristete Regelung zum – mit dem Ehegattenunterhalt zusammengefassten – Kindesunterhalt. Ab Juli 2019 verpflichtete sich der Ex-Mann durch notarielle Urkunde zur Zahlung von 160 Prozent des Mindestunterhalts. Dieser ließ sich mittels der Düsseldorfer Tabelle entsprechend der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergelds berechnen.

 

Düsseldorfer Tabelle sieht Einzelfallprüfung vor

Das AG München gab dem Antrag teilweise statt. Das OLG München wies die Beschwerde des Vaters zurück und entschied, dass die Auskunftsverpflichtung des Vaters bestehen bleibe. Die Düsseldorfer Tabelle sehe bei Überschreiten der höchsten Einkommensgruppe eine Einzelfallprüfung vor. Dabei sei von Bedeutung, welcher Finanzbedarf des Kindes angesichts der konkreten Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen noch als angemessen anzusehen sei. Der Umstand, dass die Eltern sich schon kurz nach der Geburt des Kindes getrennt hätten, könne nicht von vornherein für eine Begrenzung des Kindesunterhalts herangezogen werden, da das Kind seine Lebensstellung auch von einem Elternteil ableite, mit dem es nie zusammengelebt habe.

 

BGH: Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle sachgerecht

Die Rechtsbeschwerde des Vaters hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Das OLG München sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Auskunftsverpflichtung des Vaters nach § 1605 BGB bestehe. Durch den Umstand, dass sich der Unterhaltspflichtige für unbegrenzt leistungsfähig erklärt hat, steht aus Sicht des BGH lediglich fest, dass das Gericht den Unterhalt grundsätzlich ohne Rücksicht auf dessen Leistungsfähigkeit festzusetzen hat. Dies bedeute nicht, dass der Unterhaltsbedarf auch ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden könne.

 

Keine konkrete Bedarfsermittlung erforderlich

Eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte hielt der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht für sachgerecht und verlangte bei hohen Einkommen grundsätzlich eine konkrete Bedarfsermittlung. Diese Rechtsprechung geben die Karlsruher Richter nun teilweise auf. Das Kind leitet aus Sicht des BGH seinen Lebensstandard von den Eltern ab, ohne dass es an diesem tatsächlich teilgenommen hat. Einen Anspruch auf Teilhabe an dem Luxus der Eltern habe es dagegen nicht. Der Unterhalt werde durch das „Kindsein“ geprägt. Laut dem XII. Zivilsenat wird diese Grenze durch eine an der neueren Rechtsprechung des Senats zum Ehegattenunterhalt ausgerichtete Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle noch nicht berührt. Der Unterhalt lasse sich, basierend auf dem konkreten Einkommen des Vaters, nunmehr aus der der möglichen Fortschreibung des Tabellenbedarfs über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle ermitteln.

 

Bei Fragen rund um das Thema Unterhalt stehen wir Ihnen als auf das Familienrecht spezialisierte Anwälte gerne kompetent zur Seite.


Arbeitsrecht – Kündigung bei H&M – Modekette will vorrangig Mütter entlassen

Arbeitsrecht – Kündigung bei H&M – Modekette will vorrangig Mütter entlassen

Der schwedische Modekonzern Hennes & Mauritz will in Deutschland Stellen abbauen. Vor allem Mütter in Elternzeit sollen laut Medienberichten entlassen werden – weil sie abends und vor und an Samstagen nicht arbeiten können oder wollen.

„Freiwilligenprogramm“

Der Modekonzern Hennes & Mauritz erhöht laut dem Magazin Business Insider den Druck auf seine Mitarbeiter. H&M will in Deutschland 800 Stellen abbauen. Dafür hat das Unternehmen ein „Freiwilligenprogramm“ aufgesetzt, das den Mitarbeitern beim Einschlagen und vorzeitigen Ausscheiden bescheidene Abfindungen bietet. Vor allem junge Mütter, langzeiterkrankte Mitarbeiter und Schwerbehinderte sind Adressaten des Programms, weil sie weniger einsetzbar sind in Abendschichten und an Samstagen.

 

Drohung: Betriebsbedingte Kündigung als nächster Schritt

H&M setzt seine Mitarbeiter derzeit gezielt unter Druck. Aus internen E-Mails geht hervor, wie der Konzern in dieser Woche der Belegschaft gedroht hat, das Freiwilligenprogramm anzunehmen. So schreibt die Konzernführung laut Business Insider an die Belegschaft: „Sollte über dieses Angebot nicht ausreichend Kollegen bzw. Kolleginnen erreicht werden, ist die betriebsbedingte Kündigung der nächste Schritt.“ Zahlreiche Mitarbeiter und Betriebsräte haben Business Insider berichtet, dass die Konzernführung schon seit Längerem enormen Druck auf die Mitarbeiter ausübe, das Programm anzunehmen. Laut ihren Aussagen könne von Freiwilligkeit keine Rede sein. Außerdem bestätigen sie, dass vor allem Mütter und Behinderte vom Führungspersonal darauf angesprochen werden, das Abfindungsprogramm doch anzunehmen.

 

Habe ich Anspruch auf eine Abfindung und wenn ja, in welcher Höhe?

Es gibt keine Vorschriften und schon gar keine gesetzlichen Regelungen darüber, wie hoch eine Abfindung sein sollte. Die Höhe der Abfindung, die der Arbeitgeber an Sie zahlt, ist ausschließlich Verhandlungssache.

Droht auch Ihnen eine Kündigung durch H&M oder wurden Sie sogar schon gekündigt und wollen das Maximum aus Ihrer Kündigung holen? Wichtig ist nun schnell zu handeln, um Ihre Ansprüche mit einer Kündigungsschutzklage durchzusetzen und eine höhere Abfindung zu erzielen.

In unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen im Falle einer Kündigung aber auch schon zuvor kompetent zur Seite und helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche


BGH- Entscheidung zum Insolvenzanfechtungsrecht: Anfechtungsrisiko bei Zahlungsvereinbarungen bleibt mit dem Urteil des BGH vom 07.05.2020 (IX ZR 18/19) bestehen.

BGH- Entscheidung zum Insolvenzanfechtungsrecht: Anfechtungsrisiko bei Zahlungsvereinbarungen bleibt mit dem Urteil des BGH vom 07.05.2020 (IX ZR 18/19) bestehen.

„Bei der Vermutung, dass der andere Teil im Falle einer Zahlungsvereinbarung oder einer sonstigen Zahlungserleichterung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung nicht kannte, handelt es sich um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung.

 Zur Widerlegung der Vermutung kann sich der Insolvenzverwalter auf alle Umstände berufen, die über die Gewährung der Zahlungserleichterung und die darauf gerichtete Bitte des Schuldners hinausgehen.

 Die Vermutung kann auch durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die bereits vor Gewährung der Zahlungserleichterung bestanden und aus denen nach der gewährten Zahlungserleichterung wie schon zuvor zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen war“ (BGH, Urteil vom 07.05.2020 – IX ZR 18/19).

Zum Fall

Der BGH hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der später Insolvenzschuldner betrieb eine Gaststätte. Ihm wurde von einer Bank ein Darlehen gewährt. Hierzu zog die Bank die vereinbarten monatlichen Raten im Lastschriftverfahren beim Schuldner ein. Im Hinblick auf die Einzugsversuche der Monate April und Mai kam es zu Rücklastschriften. Von Juni bis August zog die Bank die fälligen Raten nicht ein. Im August kündigte die Bank das Darlehen und in der Folgezeit schloss die Bank mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung. Aufgrund dieser Vereinbarung zahlte der Schuldner von September bis November des gleichen Jahres Raten an die Bank. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners erfolgte die Insolvenzanfechtung dieser Ratenzahlungseingänge gegenüber der Bank durch den Insolvenzverwalter.

Die im Zuge dieses Urteiles relevante Fragestellung ist, ob die Bank, die mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen hatte, sich erfolgreich auf die gesetzliche Vermutung nach § 133 Abs. 3 S. 2 InsO berufen konnte und damit auf die Vermutung, dass sie die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte, mit der Folge, dass der Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO ihr gegenüber nicht besteht.

 

Hintergrund

Oft befindet sich eine Partei in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und bittet daher den Vertragspartner um Zahlungserleichterungen, nicht selten um eine Ratenzahlung. Hiermit erklärt sich der Vertragspartner als Forderungsinhaber einverstanden. Der Ratenzahlungsplan wird vereinbart. Die monatlichen Beträge werden gezahlt und später gerät der Gläubiger in die Insolvenz.

Der Insolvenzverwalter macht in der Folge einen Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO (sogenannte vorsätzliche Benachteiligung) auf Rückzahlung der geleisteten Raten geltend. Er begründet dies unter anderem damit, dass der Gläubiger aufgrund der damaligen Situation (z.B. über längere Zeit verspätete Zahlungen oder Rücklastschriften) über die Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt habe.

 

Einschränkung des Anfechtungsrechtes durch gesetzliche Änderungen im Jahr 2017

Um diesen Anfechtungsanspruch und damit das wirtschaftliche Risiko der Gläubiger zu reduzieren, gab es im Jahre 2017 eine Gesetzesänderung im Hinblick auf den Tatbestand der vorsätzlichen Benachteiligung in § 133 InsO. Unter anderem umfassten diese Änderungen folgende Aspekte:

– Zum einen wurde der Anfechtungszeitraum für Zahlungen, mit denen eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wurde (sogenannte kongruente Deckung) von 10 Jahren auf 4 Jahre reduziert (§ 133 Abs. 2 InsO);

– Und zum anderen wurde eine gesetzliche Vermutung in den Gesetzestext in § 133, Abs. 3 S. 2 InsO aufgenommen, die wie folgt lautet: „Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

Über die Bedeutung und den Umfang dieser Vermutung gibt es unterschiedliche Ansichten und mit seinem Urteil vom 07.05.2020 (Az. IX R 18/19) hat der BGH hierzu seine Rechtsansicht und letztendlich damit die Richtschnur, nach der nunmehr zu entscheiden und zu handeln ist, mitgeteilt.

 

BGH: Widerlegliche Vermutung

Der BGH stellt zunächst fest, dass es sich bei der Regelung in § 133 Abs. 3 S. 2 InsO um eine widerlegliche gesetzliche Vermutung handelt. Damit ist es dem Insolvenzverwalter möglich, durch Vortrag entsprechender Kenntnis, die der Anfechtungsgegner und damit die Bank gehabt hätte, die gesetzlich Vermutung zu widerlegen.

 

Aspekte zum Widerlegen der Vermutungsfolge

Zu diesem möglichen Vortrag des klagenden Insolvenzverwalters, die Vermutungsfolge zu widerlegen, benennt der BGH in seinem Urteil folgende zu berücksichtigende Aspekte:

  • Die Vermutung nach § 133 Abs. 3 S. 2 InsO hat die Wirkung, dass sich der Verwalter weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die darauf gerichtete Bitte des Schuldners stützen kann. Er darf die den Vermutungstatbestand bildenden Umstände daher nicht heranziehen, um die Vermutungsfolge zu widerlegen.
  • Als Vortrag, die Vermutungsfolge zu widerlegen und damit die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Gläubigers darzulegen, gibt es nach Ansicht des BGH keine zeitliche Begrenzung. So kommen dafür nicht nur Umstände in Betracht, die nach der Gewährung der Zahlungserleichterung aufgetreten sind. Auch mit Umständen aus der Zeit vor der Zahlungsvereinbarung kann der Beweis erbracht werden, dass der Gläubiger zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (hier der Zahlung) Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Das Feld der Argumentation für den Insolvenzverwalter ist also weit.

 

Beleuchtung der Geschäftsverbindung

Damit kann der Insolvenzverwalter praktisch mit Ausnahme der Aspekte, dass es eine Ratenzahlungsvereinbarung gegeben hat und um diese auf Seiten des Schuldners gebeten wurde, sämtliche Geschehnisse aus der Geschäftsverbindung zwischen Insolvenzschuldner und seinem Vertragspartner, gegenüber dem die Anfechtung erklärt worden ist und der Zahlungen erhalten hat, heranziehen – um den Nachweis der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Anfechtungsgegners zu erbringen.

Im vorliegenden Fall ist dies die Situation aus der Darlehensverbindung zwischen späterem Insolvenzschuldner und Bank, wonach es vier Rücklastschriften gegeben hat. Hierdurch wird die vorgenannte gesetzliche Vermutung widerlegt und damit angenommen, dass die beklagte Bank die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und damit ihres Vertragspartners kannte.


Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

Des Weiteren muss die beklagte Bank als Anfechtungsgegnerin gewusst haben, dass die angefochtenen Handlungen (hier die Ratenzahlungen) die Gläubiger benachteiligen. Sonst besteht der Anfechtungsanspruch ihr gegenüber nicht.

Weiß ein Anfechtungsgegner von einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen. Hiervon ist auszugehen, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass es noch andere Gläubiger gibt, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig bedient werden. Mit Letzterem wiederum muss der Gläubiger rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist. Dies bedeutet in der zwangsläufigen Konsequenz: Ein Gläubiger, der Kenntnis von der unternehmerischen Tätigkeit seines Vertragspartners hat, kennt damit zwangsläufig die Benachteiligung der anderen Gläubiger.


Risiko für Anfechtungsgegner

Die Folge des vorbenannten Urteils des BGH ist, dass die im Zuge der Gesetzesänderung im Jahre 2017 aufgenommene gesetzliche Vermutung (§ 133 Abs. 3 S. 2 InsO) ein nur sehr schwaches Argument zur Verteidigung und Hilfestellung für Gläubiger ist.

Meist wird nicht nur um Ratenzahlung gebeten. Es gibt immer auch eine Vorgeschichte, die mit einbezogen werden muss. Der Sachverhalt, der dem vorbenannten Urteil des BGH zugrunde liegt, zeigt hierfür ein Beispiel in Form von nicht eingelösten Lastschriften. Dies sind die Indizien, aufgrund derer eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Vertragspartners angenommen werden kann. Hierauf wird sich der Insolvenzverwalter stützen und die gesetzliche Vermutung über die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit widerlegen.

Wenn es diese Aspekte, aufgrund derer eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit durch den Vertragspartner angenommen werden kann, in einer Geschäftsverbindung gibt, bleiben Ratenzahlungsvereinbarungen einem Anfechtungsrisiko ausgesetzt.

 

Als Fachanwälte für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter kennen wir beide Seiten der Insolvenzanfechtung und stehen Ihnen bei Fragen rund um das Thema Insolvenzanfechtung kompetent zur Verfügung.


Unterhalt bei hohem Einkommen – Berücksichtigung höherer Altersvorsorgeleistungen

Unterhalt bei hohem Einkommen – Berücksichtigung höherer Altersvorsorgeleistungen

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass bei höheren Einkommen nicht alles für den laufenden Lebensbedarf eingesetzt wird, sondern ein Teil auch der Vermögensbildung zufließt. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte bis zu einem Betrag den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens für den Lebensbedarf vermuten, der dem Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle entspricht. Dies ist anerkannte Grundlage für die Unterhaltsberechnung (BGH, Urteil vom 25.09.2019, Az.: XII ZB 25/19).

Sachverhalt

Im konkreten Fall war die geschiedene Ehefrau mit einem Stundelohn in Höhe von € 10,50 brutto in einer Schulmensa teilzeiterwerbstätig, wohingegen der geschiedene Ehemann im relevanten Jahr ein unterhaltsrelevantes Bruttojahreseinkommen in Höhe von € 294.000,00 erzielt hat. Er bewegte sich damit in einem Bereich, in dem Teile des Einkommens üblicherweise auch der Vermögensbildung dienen und nicht in den allgemeinen Lebensunterhalt mit einfließen.

 

Hintergrund

Der nacheheliche Unterhalt bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, de facto nach dem verfügbaren Familieneinkommen. Bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen berechnen die Gerichte den nachehelichen Unterhalt daher nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten. Zugrunde liegt dabei die Vermutung, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Im Ergebnis wird bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts das Familieneinkommen nach dem Halbteilungsgrundsatz hälftig auf beide Ehegatten verteilt.

 

Vereinfachte Geltendmachung

Der BGH gibt mit seiner Entscheidung den Gerichten eine einfach anzuwendende Regelung zur Hand. Der Unterhaltsberechtigte muss, um seinen Anspruch geltend machen zu können, auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Bis zur Höhe des Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle (derzeit € 5.500,00) ist damit eine vereinfachte Geltendmachung möglich, denn es braucht nichts zur konkreten Verwendung des Familieneinkommens vorgetragen werden. Erst, wnn der Unterhaltsberechtigte noch höheren Unterhalt nach der sogenannten Quotenmethode geltend machen möchte, muss er die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darlegen und gegebenenfalls in vollem Umfang beweisen.

Mit unserer langjährigen Erfahrung im Unterhaltsrecht beraten wir Sie als spezialisierte Anwälte im Familienrecht gerne in Bezug auf die Geltendmachung und Durchsetzung Ihrer Unterhaltsansprüche oder wehren unberechtigte Forderungen erfolgreich ab.


Mietrecht – Gewerbemiete in der Pandemie

Mietrecht – Gewerbemiete in der Pandemie

„Die in den Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen (BayIfSMV) aufgrund der Corona-Pandemie geregelten Beschränkungen für Hotelbetriebe begründen weder einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache noch einen Fall der Unmöglichkeit, führen aber zu einer Störung der Geschäftsgrundlage. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Höhe der zu zahlenden Miete im Rahmen der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB herabzusetzen ist, bedarf neben dem Rückgriff auf allgemeine Wertungen zur Risikoverteilung zusätzlich zu einer konkreten Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls; Art. 240 § 2 EGBGB entfaltet diesbezüglich keine Sperrwirkung.“ (LG München I, 25.01.2021, Az.: 31 O 7743/20).

Hintergrund

In dem vom LG München I zu entscheidenden Fall stellte der Mieter eines Hotels infolge der Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr 2020 seinen Betrieb ein, und zwar auch für Geschäftskunden, die von dem Verbot nicht umfasst waren. Außerdem zahlte er seinem Vermieter für drei Monate keine Miete, der ihn daraufhin verklagt.

LG München I: Störung der Geschäftsgrundlage

Das Gericht lehnt zwar eine Mietminderung ab, geht aber von einer Störung der Geschäftsgrundlage aus. Dabei hält es den neuen Art. 240 § 7 EGBGB auch auf Altfälle, die zeitlich vor dem Inkrafttreten dieser Norm liegen, für anwendbar.

Art. 240 EGBGB enthält in § 7 folgende Regelung:

  • 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Hiermit wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Miethöhe während des Lockdowns in der Regel anzupassen ist. Wie aber eine solche Anpassung zu erfolgen hat und insbesondere in welcher Höhe eine Mietkürzung in Betracht kommt, bleibt dabei eine Frage des Einzelfalls. Es kommt z. B. darauf an, ob eine Nutzung völlig unterbleibt (Frisöre, Fitnessstudios etc.), oder ob zumindest Teile des Betriebs aufrechterhalten werden (Außengastronomie, „Click & Collect“ im Einzelhandel usw.). Auch können sich staatliche Überbrückungshilfen auf den Anpassungsanspruch des Mieters auswirken.

 

Gericht geht von hälftiger Kürzung der Miete aus

Bei der Frage, ob und wie sich diese Störung auf die Pflicht zur Mietzahlung auswirkt, geht das Gericht, da beide Vertragsteile die Situation gleichermaßen nicht verschulden, im Grundsatz von einer Kürzung der Miete um die Hälfte aus. Der Kürzungsbetrag von 50 Prozent sei allerdings vorliegend weiter zu reduzieren. So hätte der Hotelmieter nicht vollständig schließen müssen. Schließlich war ihm die Beherbergung von Geschäftskunden nach wie vor erlaubt. Zudem habe der Mieter das Gebäude auch während des Lockdowns untergeordnet nutzen können, z. B. für Verbesserungsmaßnahmen. Aber auch unter Berücksichtigung der dann noch verbleibenden Risikoverteilung komme vorliegend ein Anpassungsanspruch des Mieters nicht in Betracht. So habe der Mieter in den vergangenen Jahren beträchtliche Gewinne erzielt, von denen er Rücklagen in Höhe von jedenfalls 20 Prozent für unvorhergesehene Ereignisse hätte bilden müssen. Da aber die Klageforderung nicht die Summe von jeweils 20 Prozent der in den letzten drei Jahren erzielten Gewinne vor Steuern erreichte, verurteilte das Gericht den Mieter zur Nachzahlung der vollen Mieten für April, Mai und Juni 2020.

 

Uneinheitliche Rechtsprechung

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr des Jahres 2020 wird in der Fachwelt über die rechtlichen Folgen der staatlichen Maßnahmen für Gewerbemietverhältnisse diskutiert. Dabei spielt insbesondere die Frage eine Rolle, ob betroffene Mieter auch während der angeordneten Betriebsschließung die volle Miete zu zahlen haben. Es wurden hierzu zwischenzeitlich eine Reihe gerichtlicher Entscheidungen veröffentlicht, die allerdings sehr uneinheitlich sind. Teilweise wurden Mietkürzungen mit dem Argument verneint, dass die Schließungen allein dem Verwendungsrisiko des Mieters unterliegen. Gegenteilige Stimmen gehen von einer vollständigen Mietbefreiung im Lockdown aus. Ob sich die „Klarstellung“ des Gesetzgebers in Art. 240 § 7 EGBGB auch auf Sachverhalte vor Ende 2020 auswirkt, ist ebenfalls noch nicht entschieden. Für Klarheit wird erst der Bundesgerichtshof sorgen können. Bis dahin muss die Branche mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit leben.

Bei Fragen rund um das Thema Gewerbemiete stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet gerne zur Verfügung.


Dieselskandal – OLG München verurteilt Audi AG zu Schadensersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung – obwohl der Motor von Volkswagen entwickelt wurde

Dieselskandal – OLG München verurteilt Audi AG zu Schadensersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung – obwohl der Motor von Volkswagen entwickelt wurde

Das OLG München hat nun entschieden, dass die Audi AG als Herstellerin der betroffenen Fahrzeuge aus eigenem deliktischen Handeln haftet, auch wenn der schadhafte Motor von der Konzernmutter VW entwickelt wurde.

„Überlässt die die Konzerntochter der Konzernmutter die Entwicklung eines Automotors, hat sie für deren sittenwidriges Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung einzustehen.“ (OLG München, Urteil vom 26.01.2021, Az.: 5 U 2386/20).

Hierdurch schiebt das OLG neuerlichen Versuchen der Audi AG, sich aus der Verantwortung zu ziehen, einen Riegel vor. Diese hat in den letzten Monaten damit begonnen, vorzutragen, dass die Motoren des Typs EA 189 einschließlich der Motorsteuerungssoftware ausschließlich von der Volkswagen AG entwickelt und die Software so verriegelt worden, dass die Mitarbeiter der Audi AG hierauf hätten keinen Einfluss mehr nehmen können.

Haftung aus eigenem deliktischen Handeln

Das OLG geht davon aus, dass die Audi AG auch selbst gemäß §§ 826, 31 BGB für eigenes sittenwidriges Handeln haftet, da sie nach ihrem Vortrag die Verantwortlichkeit für die Entwicklung und Herstellung des Motors EA 189 einschließlich der Motorsteuerungssoftware im Rahmen der sog. Baukastenstrategie an ihre Konzernmutter, die Volkswagen AG, übertragen und diesen in der Folge absprachegemäß in die von ihr hergestellten Fahrzeuge eingebaut hat. Denn insoweit ist die Konzernmutter der Audi AG hinsichtlich der Entwicklung und Herstellung des Motors EA189 als Repräsentantin der Audi AG anzusehen.

 

Compliance-System

Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Wir haben in der Vergangenheit in gleich gelagerten Fällen ähnlich argumentiert, wenn die Audi AG und insbesondere deren neu Prozessbevollmächtigte (Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek) vorgetragen haben, sie seien die falschen Ansprechpartner. Irrelevant ist insbesondere, dass der BGH mit Urteil vom 25.05.2020 entschieden hat, dass die VW AG in dem dortigen Verfahren für Motoren des Typs EA 189 deliktsrechtlich verantwortlich ist. Nach den Urteilen des BGH zu den Az. VI ZR 252/19, VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 und VI ZR 5/20, steht zwar fest, dass die VW AG die Käufer vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht hat und im Abgasskandal haftet. Die Audi AG schuldet den Klägern Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber dem Hersteller des VW EA-189 Motors. Dies unabhängig ob der getäuschte Kunde ein Fahrzeug mit EA 189 Motor von Volkswagen, Seat, Audi oder Skoda erworben hat. Die Audi AG kann als Herstellerin des gegenständlichen Fahrzeuges ebenso direkt verklagt werden. Bei den Fahrzeugmodellen der Audi AG handelt es sich um Gemeinschaftsentwicklungen mit der VW AG, bei der die Technik der Fahrzeuge in konzernübergreifender Plattformbauweise neben der Konzernmutter auch den Töchtern zur Verfügung stehen und im Wesentlichen durch unterschiedliche Karosserien markenspezifisches Design erreichen. Es ist nicht vorstellbar, dass kein Vorstandsmitglied der Audi AG von dem Einsatz der illegalen Software gewusst hat. Diese Kenntnis drängt sich geradezu auf angesichts eines bei der Audi AG vorhandenen Compliance-Systems, nach dem für jedes Detail eines zu produzierenden PkW das Einverständnis zumindest eines Vorstandsmitglieds eingeholt werden muss. Die Audi AG haftet aus eigenem deliktischem Handeln. Dies beruht auf dem jeweils von ihnen zu verantwortenden Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeuges bzw. des gegenständlichen Motors (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2020, Az.: 45 U 22/19).

Bei Fragen rund um das Thema Dieselskandal stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir prüfen Ihre Chancen auf Schadensersatz und stehen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche zur Seite.