Neue Entscheidung des BGH im Insolvenzanfechtungsrecht – Immobilienübertragung an Verwandte vor Insolvenz kann anfechtbar sein

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 22.10.2020 (Az.: IX ZR 208/18) festgestellt, dass die Möglichkeit einer Anfechtung des Hausverkaufs des Insolvenzschuldners an nahestehende Verwandte potentiell anfechtbar ist. Veräußert der Schuldner einen Vermögensgegenstand erheblich unter Wert, scheidet eine Anfechtung wegen einer teilweise unentgeltlichen Leistung aus, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen vor Vertragsschluss selbst von einem Austauschgeschäft und der Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen ausgehen.

Der Insolvenzverwalter muss ggf. beweisen, dass die Fehlvorstellung über die Gleichwertigkeit der Leistungen keine Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses hatte. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast muss jedoch der Anfechtungsgegner solche Umstände substantiiert darlegen.

Hintergrund

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verlangt der Insolvenzverwalter als Kläger vom beklagten Sohn des Insolvenzschuldners die Rückübertragung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Dieses war vom späteren Insolvenzschuldner nach Ermittlung eines „überschlägigen Verkehrswerts“ durch einen Sachverständigen von € 395.000,00 auf den Beklagten übertragen worden. Als Gegenleistung sollten ein durch den Grundbesitz gesichertes Darlehen über ca. € 215.000,00 schuldbefreiend übernommen werden. Die Bank lehnte eine Entlassung des späteren Insolvenzschuldners aus der Haftung ab, erhielt aber Zahlungen auf die Annuitäten vom Beklagten. Ein dingliches Wohnrecht im Wert von ca. € 180.000,00 war eingetragen worden. Der Kläger behauptete einen Verkehrswert des Grundbesitzes bei Übertragung von wenigstens € 600.000,00.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht begründete dies mit dem guten Glauben der beiden Teile an die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies an das Berufungsgericht zurück.

 

BGH: Rückübertragung Grundbesitz

Der BGH weist darauf hin, dass es für die Frage der Unentgeltlichkeit im Zwei-Personen-Verhältnis im Rahmen der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO in erster Linie auf die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers ankomme. Fehlvorstellungen der Beteiligten seien nur dann erheblich, wenn sie ihre Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses finden. Den Insolvenzverwalter treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Leistung des Schuldners, wobei dafür der Nachweis eines objektiven Missverhältnisses der Werte nicht ausreiche. Er habe darzulegen und zu beweisen, dass keine Umstände vorgelegen haben, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlaube. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zu solchen negativen Tatsachen müsse der Insolvenzverwalter nur die vom Anfechtungsgegner zu substantiierenden Umstände, die einen guten Glauben an die Gleichwertigkeit begründen, ausräumen. Gelinge dies dem Insolvenzverwalter, sei der Nachweis für solche negativen Tatsachen erbracht.

Die Karlsruher Richter waren der Auffassung, dass der Kläger Umstände vorgetragen habe, die gegen einen aus dem Wertgutachten abgeleiteten Irrtum der Vertragsparteien sprechen. Das Berufungsgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Schuldner und der Beklagte nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, der Vorüberlegungen der Vertragsparteien und des Vertragsschlusses selbst von einem wertäquivalenten Austauschgeschäft ausgegangen sind und zudem in gutem Glauben von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung überzeugt waren.

Die beantragte Rechtsfolge der Rückübertragung des Grundbesitzes insgesamt sei zulässig und eine mögliche Rechtsfolge einer (nur) teilweisen Unentgeltlichkeit oder einer verschleierten Schenkung, da die höherwertige Leistung des Schuldners unteilbar sei.

Für das weitere Verfahren wies der BGH noch darauf hin, dass nach dem klägerischen Vorbringen eine verschleierte Schenkung vorliegen könne und das Berufungsgericht eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO a.F. zu prüfen habe. Die Indizien, die gegen die Annahme des guten Glaubens bezüglich des Grundstückswertes sprechen, könnten auch Indizien für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sein.

 

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