BGH – Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung ist von Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gedeckt

BGH – Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung ist von Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gedeckt

Der BGH hat mit Urteil vom 18.11.2020 (Az.: IV ZR 217/19) entschieden, dass eine Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung grundsätzlich von der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt ist. Bei der sogenannten D & O- Versicherung handelt es sich um eine Versicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt.

Hintergrund

Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der A- Maschinenfabrik (im Folgenden: Schuldnerin), nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Versicherungsleistungen aus einer D & O – Versicherung in Anspruch. Die Schuldnerin schloss mit der Beklagten im Jahr 2008 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter von GmbHs ab. Die Versicherungssumme ist auf 1,5 Millionen Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres begrenzt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) heißt es auszugsweise:

Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit: Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

2.3 Versicherte Schäden: Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.

Im August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Im Dezember 2015 nahm der Kläger den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Im August 2016 focht die Beklagte ihre Vertragsannahme wegen arglistiger Täuschung an. Mit Vereinbarung vom 8.11.2016 trat der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Deckungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab. Der Kläger macht geltend, die Schuldnerin sei spätestens seit September 2011 zahlungsunfähig gewesen. Das LG Wiesbaden hat die Klage abgewiesen. Das OLG Frankfurt a.M. hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

 

Entscheidung des BGH

Der BGH hat festgestellt, dass der in § 64 S. 1 GmbHG geregelte Anspruch einer Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen, die der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft aus ihrem Vermögen vornimmt, ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 ULLA ist. Damit ist endlich die seit längerem kontrovers diskutierte Frage geklärt, ob die Forderungen, die ein Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG geltend macht, von einer D&O-Versicherung gedeckt sind, welche in zahlreichen Fällen gerade die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppungsschäden abdecken sollen. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 20.07.2018 (Az.: 4 U 93/16) diese Frage verneint, was für erhebliches Aufsehen bei Geschäftsführern, Insolvenzverwaltern und Industrieversicherern sorgte. Zur Begründung führte das OLG Düsseldorf im Wesentlichen aus, der Anspruch auf Ersatz der Zahlungen, die nach Eintritt einer Insolvenzreife geleistet werden, sei ein Anspruch „sui generis“. Derartige Forderungen, die ein Insolvenzverwalter nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Geschäftsführer geltend mache, seien keine Schadensersatzansprüche, die nach den Versicherungsbedingungen unter den Schutz einer D&O-Versicherung fallen.

Die Karlsruher Richter sehen das anders. Der BGH stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine Auslegung der Versicherungsbedingungen nach dem Horizont des Versicherungsnehmers bzw. der durch den Abschluss der Versicherung zu schützenden Person zu erfolgen habe. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer, so der BGH in den Entscheidungsgründen, wird ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese Unterscheidung nicht nachvollziehen können. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung der gegen den Geschäftsführer geltend gemachten Forderungen der Insolvenzmasse, so der BGH, beabsichtigen die Parteien eines D&O-Vertrages bei Abschluss des Vertrages, an die Verwirklichung eines Ereignisses bestimmte Rechtsfolgen zu knüpfen. Im Fall der D&O-Versicherung bestehen diese nach Ansicht des BGH darin, die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers im Falle einer Insolvenzverschleppung abzusichern. Hierbei spiele es keine Rolle, ob sich die Geltendmachung der Forderungen der Insolvenzmasse dann am Ende als Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder als Geltendmachung von Forderungen „sui generis“ darstelle.

 

Fazit

Die Entscheidung des BGH entscheidet endlich die durch das OLG Düsseldorf angestoßene Ungewissheit über den Schutzbereich von D&O-Versicherungen. Außerdem stellen die Richter den durch den Abschluss der Versicherung beabsichtigten Schutzzweck in den Fokus. Dadurch werden Schäden, die durch eine verspätete Insolvenzantragstellung entstehen können, vom Versicherungsschutz erfasst. Dies führt in der Konsequenz zu einem Schutz der geschädigten Gläubiger, die zukünftig mit höheren Massezuwächsen und damit mit höheren Insolvenzquoten bei Insolvenzverschleppungen rechnen können. Dies setzt natürlich voraus, dass das jeweilige Unternehmen eine D&O-Versicherung abgeschlossen hat.

 

In unserer auf das Insolvenz – und Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen zum Thema Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


Sportrecht – Profifußballer hat Recht auf Informationen über Provisionszahlungen an seine Beratungsfirma hinsichtlich eines Vereinswechsels

Sportrecht – Profifußballer hat Recht auf Informationen über Provisionszahlungen an seine Beratungsfirma hinsichtlich eines Vereinswechsels

Das Landgericht Köln entschied im Auguste letzten Jahres, dass ein professioneller Fußballspieler alle Informationen erhalten muss, die seinem Wechsel zu einem anderen Verein betreffen. Es bestehe ein recht darauf, die Beraterfirma bei ihrer Tätigkeit für ihn zu kontrollieren und die notwendige Klarheit über seine Rechtsstellung zu verschaffen (LG Köln, Urteil vom 04.08.2020 – 21O 315/19).

Hintergrund

Der Kläger ist ein ehemaliger Lizenzspieler des 1. FC Köln. Die Beklagte betreibt eine Spielerberateragentur. Sie wirbt damit, dass sie sich intensiv um ihre Spieler kümmert. Der Kläger wird als ein von ihr betreuter Spieler auf ihrer Internetseite aufgeführt. Der Profifußballer verlängerte unter Beteiligung der beklagten Beratungsagentur seinen Spielervertrag beim 1. FC Köln bis Juni 2021, bevor er Anfang 2018 zu Dynamo Moskau wechselte. Die Agentur erhielt für diesen Wechsel ins Ausland eine hohe Provision von dritter Seite und teilte dies dem Spieler auch mit.

 

Kläger verlangte Informationen über die gezahlten Provisionen

Der Spieler ist der Ansicht, er hätte der beklagten Spielervermittlung den Auftrag erteilt, ihn nach Russland zu vermitteln und daraus resultiere auch sein Anspruch auf Auskunft, welche weiteren Zahlungen die Spieleragentur für seine Vermittlung erhalten habe. Die Beklagte meint, dass ein konkreter Vertrag zwischen ihr und dem Spieler mit dem Ziel, den Spieler an Dynamo Moskau zu vermitteln, gar nicht erst geschlossen worden sei und der Spieler habe daher auch kein Recht habe, Informationen über die gezahlten Provisionen zu erhalten.

 

LG bejaht Informationsrecht aufgrund vom Kläger erteilten Transferauftrags

Das Landgericht gab dem Kläger Recht. Die Parteien hätten einen Vertrag geschlossen, sodass der Spieler auch wissen dürfe, welche Zahlungen die Beraterfirma für seinen Wechsel erhalten habe. Zwar ergebe sich ein solcher Auftrag nicht aus dem Rahmenvertrag zwischen den Parteien, seine Angelegenheiten zu betreuen, ihn zu beraten und im Bedarfsfall für ihn tätig zu werden. Der Kläger habe sich jedoch für den Wechsel zu Dynamo Moskau ausdrücklich mit einer WhatsApp an die Beklagte gewandt und ihr den Vermittlungsauftrag erteilt. In dieser Textnachricht habe der Profi seinen Wunsch geäußert nach, nach Russland zu wechseln. Daraufhin habe die Beklagte ihre umfangreiche Tätigkeit für den Spieler aufgenommen, die mit viel Zeit- und Arbeitsaufwand nach erheblichen Verhandlungen mit den beiden Vereinen und intensiven Beratungen mit dem Kläger schließlich zu dem Wechsel ins Ausland geführt habe.

 

LG trifft keine Aussagen über konkreten Zahlungsanspruch

Der Kläger habe als Auftraggeber ein Recht darauf, die Beraterfirma bei ihrer Tätigkeit für ihn zu kontrollieren und die notwendige Klarheit über seine Rechtstellung zu verschaffen, auch wenn er selbst für diesen Auftrag nichts gezahlt habe. Ob daraus dann auch ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beraterfirma erwachse, sei nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und bleibe gegebenenfalls einer weiteren rechtlichen Auseinandersetzung vorbehalten. Grundsätzlich könne der Auftraggeber von dem Beauftragten verlangen, alles herauszugeben, was dieser durch den Auftrag erlangt habe, also auch die erhaltenen Provisionen, Geschenke und andere Vorteile. Es bestehe ansonsten nämlich grundsätzlich die Gefahr, dass die Beauftragte, also hier die Beratungsfirma, ihre Tätigkeit nicht mehr alleine an den Interessen ihres Auftraggebers, des Spielers, ausrichte, sondern auch eigene Interessen im Spiel seien.

 

Fazit

Das Urteil ist zu begrüßen, da durch die Offenlegung der Provisionszahlungen verhindert werden kann, dass die Beraterfirma aus eigenem finanziellen Interesse oder gar für den anderen Verein handelt, anstatt für den Spieler. Daher schließen wir uns auch der Auffassung der Kölner Richter an, wonach diese Provisionen oder Geschenke an den Spieler herauszugeben wären. Die Beraterfirma wird ausschließlich für den Spieler tätig und muss hierbei die Interessen des Profis wahren. Ansonsten besteht auch die Gefahr, dass die Beraterfirma entgegen den Willen des Spielers versucht, diesen an den Meistbietenden zu vermitteln, ohne auf die Bedürfnisse des Spielers einzugehen, was bisher leider häufig der Fall ist. Das Urteil ist daher ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Bei Fragen rund um Sport- und Vereinsrecht stehen wir Ihnen gerne kompetent zur Seite.


Neuerungen im Maklerrecht

Neuerungen im Maklerrecht

Am 23.12.2020 trat ein neues Gesetz in Kraft, das die Verteilung der Maklercourtage beim Immobilienkauf regelt. Beauftragt der Verkäufer eines Einfamilienhauses oder einer Wohnung den Makler, muss er mindestens die Hälfte der Courtage tragen. Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchte, muss damit nur noch höchstens die Hälfte der Kosten für den Immobilienberater zahlen.

Dem sogenannten Bestellerprinzip, das bei der Vermietung einer Immobilie eine Rolle spielt, wurde damit eine Absage erteilt. Das neue Gesetz ist am 23.12.20 in Kraft getreten. Welche Änderungen mit dem neuen Gesetz explizit einhergehen, soll im Folgenden näher erläutert werden:

Bisherige Rechtslage: Bestellerprinzip

In der Vergangenheit erfolgte die Aufteilung und Höhe der Maklerprovision mangels gesetzlicher Regelung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen sowie in einigen Regionen Niedersachsens fiel die volle Maklerprovision auf den Käufer an. In den übrigen Ländern haben sich Käufer und Verkäufer die Provisionen in der Regel geteilt. Entscheiden war insbesondere die vertragliche Vereinbarung. In den meisten Fällen blieb jedoch der Käufer auf der vollen Maklerprovision sitzen. Die Käufer wurden hierdurch stark benachteiligt, wenn sie sich nicht auf diese kostspielige Regelung einlassen wollten. Durch die neue gesetzliche Regelung wird dieser Benachteiligung nun ein Ende gesetzt.

 

Das neue Maklerrecht 2020 – Halbteilungsprinzip

Mit dem neuen Maklerrecht wir erstmals eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen, die Transparenz und Rechtssicherheit bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser erhöhen und den Käufer vor der Ausnutzung einer faktischen Zwangslage schützen.

 

Halbteilungsprinzip

Künftig dürfen nur noch maximal 50 Prozent der Maklercourtage auf den Käufer übertragen werden. Durch diese Regelung sind beide Parteien gleichermaßen an den Kosten für die Maklercourtage beteiligt. Wenn der Makler mit einer Partei vereinbart hat, für diese unentgeltlich tätig zu sein, kann er von der anderen Partei keine Vergütung beanspruchen. Nach diesem neu eingeführten Halbteilungsprinzip kann der Makler aufgrund zweier Maklerverträge als Interessenvertreter für sowohl Käufer als auch Verkäufer seine Courtage nur von beiden Parteien zu gleichen Teilen verlangen. Hat hingegen z. B. allein der Verkäufer den Maklerauftrag erteilt, dann ist er auch allein dem Makler zur Provisionszahlung verpflichtet. Zwar kann er sich eine Teilerstattung durch die Käuferseite ausbedingen, jedoch nur bis zur Höhe von maximal 50 Prozent der Maklercourtage. Dabei wird der Zahlungs- oder Erstattungsanspruch erst dann fällig, wenn der Verkäufer dem Käufer seine Eigenleistung an den Makler nachweist.

 

Neuregelung zur Maklerprovision gilt nur für Verbraucher

Der Gesetzgeber schränkt den persönlichen Anwendungsbereich des Halbteilungsprinzip ein und legt in der als Verbraucherschutz verstandenen Neuregelung § 656 b BGB fest, dass die §§ 656 c und 656 d BGB nur gelten, wenn der Käufer ein Verbraucher ist.

 

Maklervertrag bedarf künftig der Textform

Das neue Maklerrecht wird (endlich) auch eine neue Formvorschrift beinhalten. Gemäß der neuen Vorschrift § 656a BGB bedarf „ein Maklervertrag, der den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus oder die Vermittlung eines solchen Vertrags zum Gegenstand hat, (…) der Textform”. Ausreichend ist daher bspw. auch eine Vereinbarung über E-Mail. Eine mündliche Abrede oder ein Handschlag reichen demnach nicht mehr aus, um einen wirksamen Maklervertrag zu begründen. Hierdurch wird missbräuchlichen Abreden endlich ein Riegel vorgeschoben.

Durch die bundeseinheitliche Regelung wird mehr Transparenz und Rechtssicherheit auf dem Immobilienmarkt geschaffen. Gerade Käufer werden vor Ausnutzung einer faktischen Zwangslage geschützt. Die Einführung der Textform für Maklerverträge schiebt rechtsmissbräuchlichen Abreden oder Behauptungen einen Riegel vor, weshalb die Gesetzesänderung zu begrüßen ist.

Bei Fragen rund um die neuen Regelungen und Rechtsfolgen im Zusammenhang mit der Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Maklerrechts kompetent zur Verfügung.


Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen

Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens einen entsprechenden Eilantrag des Arbeitnehmers auf Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung abgewiesen und dabei ausgeführt, dass der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher das Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung überwiegt.


Neues Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) in Kraft – Erleichterte Sanierungsmöglichkeiten für drohend zahlungsunfähige Unternehmen außerhalb der Insolvenz

Neues Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) in Kraft – Erleichterte Sanierungsmöglichkeiten für drohend zahlungsunfähige Unternehmen außerhalb der Insolvenz

Seit dem 01.01.2021 stehen Unternehmen mit dem neuen Restrukturierungsrahmen erweiterte finanzwirtschaftliche Sanierungsinstrumente außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung. Die Diskussion um die konkrete Ausgestaltung eines geregelten Sanierungsverfahrens außerhalb der Insolvenz für Unternehmen lief unter dem Stichwort „Präventiver Restrukturierungsrahmen“ schon länger. Ausgangspunkt ist eine europäische Richtlinie zur Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens, die im Juni 2019 verabschiedet wurde. Diese Richtlinie wurde nun in deutsches Recht übertragen und umgesetzt. Der Bundestag hat am 17.12.2020 das sogenannte Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG – verabschiedet, welches am 01.01.2021 in Kraft getreten ist. Das Gesetz enthält eine Vielzahl von Regelungen, die einerseits den präventiven Restrukturierungsrahmen umfassen, andererseits das bestehende Sanierungs- und Insolvenzrecht auf Grundlage der Ergebnisse der Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen fortentwickeln und ergänzen sollen.

Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen

Der präventive Restrukturierungsrahmen heißt „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen“ (SRR) und ist im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen („StaRUG“) geregelt. Dieser bietet Unternehmen in der Krise erstmals einen gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich ohne ein Insolvenzverfahren grundlegend sanieren können. So bietet der SRR einen von dem Insolvenzverfahren unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der SRR ermöglicht als festgelegtes Restrukturierungsverfahren Unternehmen, sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens eigenverantwortlich zu sanieren. Die Anforderungen in diesem Restrukturierungsverfahren sind weitaus niedriger als in einem Insolvenzverfahren. Ausreichend ist, dass das Unternehmen die Restrukturierungsnotwendigkeit und die Stabilität des Geschäftsbetriebs schriftlich darstellen und einem gesonderten Restrukturierungsgericht anzeigen.


Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems

Um die Sanierungsmöglichkeiten nicht zu verpassen und Haftungsrisiken vorzubeugen, muss die Geschäftsführung die Liquiditätsentwicklung des Unternehmens genau beobachten und für mindestens 24 Monate vorplanen. Daher sieht das StaRUG auch die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems durch die Geschäftsführung vor.


Restrukturierungsplan

Das Unternehmen muss im Rahmen des SRR einen Restrukturierungsplan (§§ 5 ff. StaRUG) erstellen, der alle für die erfolgreiche Sanierung notwendigen Maßnahmen beschreibt. Dieser Plan tritt in Kraft, wenn die betroffenen Gläubiger ihm mit einer Drei-Viertel- Mehrheit zustimmen. Hierfür werden die Planbetroffenen in Gruppen eingeteilt. Für die Annahme des Restrukturierungsplans ist gemäß § 25 Abs. 1 StaRUG grundsätzlich erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens 75 Prozent der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Es ist aber auch möglich, dass die Zustimmung einzelner Gruppen ersetzt wird (§§ 26-28 StaRUG). Der SRR kann also auch gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. Ausgenommen hiervon sind allerdings unter anderem Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung. Um eine solche präventive Sanierung innerhalb des SRR durchzuführen, darf das Unternehmen aber noch nicht zahlungsunfähig sein.


Neu: Restrukturierungsgericht

Im Rahmen des StaRUG wurden neue sogenannte Restrukturierungsgerichte eingerichtet. Die sachliche Zuständigkeit für diese Verfahren liegt gemäß § 34 StaRUG bei neuen Abteilungen der Amtsgerichte am Sitz eines OLG. Zugleich ist es den Ländern erlaubt, diese sachliche Zuständigkeit einem anderen Amtsgericht im OLG-Bezirk zuzuweisen.


Außergerichtliches Verfahren, Einbeziehung des Restrukturierungsgerichts aber möglich

Grundsätzlich erfordern die Ausarbeitung und Abstimmung über den Restrukturierungsplan keine gerichtliche Beteiligung. Nur die sogenannten Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erfordern eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht und dessen Tätigwerden (§ 29 StaRUG-E). Hierzu gehört insbesondere:

 

  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans und
  • die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung.

 

Eine gerichtliche Planabstimmung soll allerdings nur in Ausnahmefällen erfolgen.


Sanierungsmoderation im Vorfeld des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

Das StaRUg eröffnet mit § 94 der Schuldnerin die Möglichkeit, im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten eine gerichtlich bestellte Sanierungsmoderatorin in Anspruch zu nehmen. Dies unabhängig vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen. Diese soll als unabhängige, in Sanierungs- und Restrukturierungsfragen sachkundige Person bei der Ausarbeitung einer Sanierungslösung unterstützen.


Moderate Verschärfung der Haftung für Geschäftsführer

Durch § 1 StaRUG etabliert eine rechtsformunabhängige Pflicht von Geschäftsführern zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern. Die Geschäftsleitung muss nach § 32 Abs. 1 StaRUG die Restrukturierungssache mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers“ betreiben und Maßnahmen unterlassen, die das Restrukturierungsziel gefährden.


Eintritt der Insolvenzreife

Tritt nach einer Anzeige einer Restrukturierungssache beim Restrukturierungsgericht Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist dies dem Restrukturierungsgericht anzuzeigen. Dies insbesondere deshalb, da während der Dauer der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist. Die Anzeige der zwingenden Insolvenzantragsgründe ersetzt dann die Insolvenzantragstellung. Das Restrukturierungsgericht hat nach Anzeige der Insolvenzreife die Möglichkeit, die Restrukturierungssache aufzuheben.


Erleichterte Sanierung für drohend zahlungsunfähige Unternehmen

Mit der Einführung des Restrukturierungsrahmens eröffnet sich erstmals die Möglichkeit, mit Mehrheitsentscheidungen und weitestgehend gerichtsfrei eine Restrukturierung zu organisieren. Es sind keine aufwendigen Gutachten notwendig, um sich unter den Schutz des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zu begeben. Es ist ausreichend, dass die Unternehmensführung die Restrukturierungsnotwendigkeit und die Stabilität des Geschäftsbetriebes für die Phase der Verhandlungen darstellt und dem Restrukturierungsgericht anzeigt. Bislang war auch immer eine 100 prozentige Zustimmung aller Beteiligten zum Sanierungskonzept erforderlich. Durch die 75 Prozentregelung und die Möglichkeit die Zustimmung einzelner Gläubigergruppen zu ersetzen, verschafft dies den Unternehmen einen größeren Handlungsspielraum. Unternehmen sollen nicht erst nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht mit der Restrukturierung beginnen. Durch das Frühwarnsystem sollen Unternehmen rechtzeitig auf Krisensituationen oder finanzielle Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht werden und diese im Rahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eigenständig überwinden. Die Unternehmen können dabei jede mögliche Restrukturierungsmaßnahme im Restrukturierungsplan niederlegen.

Die Möglichkeit der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens und damit auch ohne das Stigma eines solchen Verfahrens ist zu begrüßen. Aus Sicht der Praxis ist insbesondere von großem Vorteil, dass eine Veröffentlichung von gerichtlichen Beschlüssen nur auf Antrag der Schuldnerin erfolgen soll.


Änderungen des geltenden Insolvenzrechts

Das SanInsFoG enthält neben dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen auch noch weitere Änderungen, die die Insolvenzordnung betreffen.


Eigenverwaltung

So werden die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung präzisiert und erhöht (§§ 270 ff. InsO). Der Unternehmer muss seinem Antrag auf Eigenverwaltung zusätzlich eine Eigenverwaltungsplanung (§ 270 a InsO n.F.) beifügen. Diese umfasst insbesondere

 

  • einen Finanzplan für die Dauer von 6 Monaten,
  • eine genaue Angabe der Finanzquellen,
  • ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens,
  • die Darstellung zum Stand der Verhandlungen mit den Gläubigern sowie Dritten und
  • eine Darstellung der Mehr- oder Minderkosten, die im Rahmen der Eigenverwaltung im Vergleich zum Regelverfahren voraussichtlich anfallen werden.

 

Durch diese neue Vorgabe soll insbesondere die Rechtssicherheit erhöht werden und die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit des Verfahrens vorab auf den Prüfstand gestellt werden.


Prognosezeiträume drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

Um die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung besser abgrenzen zu können beträgt der Prognosezeitraum der drohenden Zahlungsunfähigkeit nun 24 Monate (§ 18 Abs. 2 InsO-E), derjenige der Überschuldung 12 Monate (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO-E).


COVInsAG

Vor dem Hintergrund der aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber weiterhin, zeitlich befristet, umfassende Sonderregelungen für die Insolvenzantragstellung von Unternehmen geschaffen („COVInsAG“).

So können betroffene Unternehmen unter vereinfachten Bedingungen eine Eigenverwaltung beantragen. Diese muss bereits im Insolvenzantrag von einem unabhängigen Experten bescheinigt werden. Auch gibt es im COVInsAG Regelungen, wonach die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags ganz ausgesetzt wird. Hierbei ist allerdings ein detaillierter Anforderungskatalog einzuhalten.

Bei Fragen rund um das Thema Restrukturierung, Sanierung und Eigenverwaltung stehen wir Ihnen in unserer durch unsere Fachanwälte für Insolvenzrecht mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


Neuerungen im Maklerrecht

Neuerungen im Maklerrecht

Am 23.12.2020 trat ein neues Gesetz in Kraft, das die Verteilung der Maklercourtage beim Immobilienkauf regelt. Beauftragt der Verkäufer eines Einfamilienhauses oder einer Wohnung den Makler, muss er mindestens die Hälfte der Courtage tragen.

Der Bundestag hat im Mai den Gesetzesentwurf der Bundesregierung über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser verabschiedet. Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchte, muss damit nur noch höchstens die Hälfte der Kosten für den Immobilienberater zahlen. Dem sogenannten Bestellerprinzip, das bei der Vermietung einer Immobilie eine Rolle spielt, wurde damit eine Absage erteilt. Das neue Gesetz ist am 23.12.20 in Kraft getreten. Welche Änderungen mit dem neuen Gesetz explizit einhergehen, soll im Folgenden näher erläutert werden:

Bisherige Rechtslage: Bestellerprinzip

In der Vergangenheit erfolgte die Aufteilung und Höhe der Maklerprovision mangels gesetzlicher Regelung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen sowie in einigen Regionen Niedersachsens fiel die volle Maklerprovision auf den Käufer an. In den übrigen Ländern haben sich Käufer und Verkäufer die Provisionen in der Regel geteilt. Entscheiden war insbesondere die vertragliche Vereinbarung. In den meisten Fällen blieb jedoch der Käufer auf der vollen Maklerprovision sitzen. Die Käufer wurden hierdurch stark benachteiligt, wenn sie sich nicht auf diese kostspielige Regelung einlassen wollten. Durch die neue gesetzliche Regelung wird dieser Benachteiligung nun ein Ende gesetzt.

Das neue Maklerrecht 2020 – Halbteilungsprinzip

Mit dem neuen Maklerrecht wir erstmals eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen, die Transparenz und Rechtssicherheit bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser zu erhöhen und den Käufer vor der Ausnutzung einer faktischen Zwangslage zu schützen.

Halbteilungsprinzip

Künftig dürfen nur noch maximal 50 Prozent der Maklercourtage auf den Käufer übertragen werden. Durch diese Regelung sind beide Parteien gleichermaßen an den Kosten für die Maklercourtage beteiligt. Wenn der Makler mit einer Partei vereinbart hat, für diese unentgeltlich tätig zu sein, kann er von der anderen Partei keine Vergütung beanspruchen. Nach diesem neu eingeführten Halbteilungsprinzip kann der Makler aufgrund zweier Maklerverträge als Interessenvertreter für sowohl Käufer als auch Verkäufer seine Courtage nur von beiden Parteien zu gleichen Teilen verlangen. Hat hingegen z. B. allein der Verkäufer den Maklerauftrag erteilt, dann ist er auch allein dem Makler zur Provisionszahlung verpflichtet. Zwar kann er sich eine Teilerstattung durch die Käuferseite ausbedingen, jedoch nur bis zur Höhe von maximal 50 Prozent der Maklercourtage. Dabei wird der Zahlungs- oder Erstattungsanspruch erst dann fällig, wenn der Verkäufer dem Käufer seine Eigenleistung an den Makler nachweist. Diese Änderungen sollen sich in den neuen Normen §§ 656c Abs. 1, 656d Abs. 1 BGB widerspiegeln. Zweck dieser Regelung ist die Sicherstellung, dass es auch tatsächlich zu einer Umsetzung der getroffenen Vereinbarung kommt und nicht eine Partei – in unserem Fall der Käufer – im Ergebnis dennoch die Maklerkosten alleine trägt. Bei Auftragserteilung durch beide Seiten soll das Halbteilungsprinzip dadurch verwirklicht werden, dass sich der Makler von jeder Seite nur die Hälfte der gesamten Provision versprechen lassen darf. Abweichende Vereinbarungen sollen unwirksam sein.

Neuregelung zur Maklerprovision gilt nur für Verbraucher

Der Gesetzgeber schränkt den persönlichen Anwendungsbereich des Halbteilungsprinzip ein und legt in der als Verbraucherschutz verstandenen Neuregelung § 656 b BGB fest, dass die §§ 656 c und 656 d BGB nur gelten, wenn der Käufer ein Verbraucher ist.

Maklervertrag bedarf künftig der Textform

Das neue Maklerrecht wird (endlich) auch eine neue Formvorschrift beinhalten. Gemäß der neuen Vorschrift § 656a BGB bedarf „ein Maklervertrag, der den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus oder die Vermittlung eines solchen Vertrags zum Gegenstand hat, (…) der Textform”. Ausreichend ist daher bspw. auch eine Vereinbarung über E-Mail. Eine mündliche Abrede oder ein Handschlag reichen demnach nicht mehr aus, um einen wirksamen Maklervertrag zu begründen. Hierdurch wird missbräuchlichen Abreden endlich ein Riegel vorgeschoben.

Durch die bundeseinheitliche Regelung wird mehr Transparenz und Rechtssicherheit auf dem Immobilienmarkt geschaffen. Gerade Käufer werden vor Ausnutzung einer faktischen Zwangslage geschützt. Die Einführung der Textform für Maklerverträge schiebt rechtsmissbräuchlichen Abreden oder Behauptungen einen Riegel vor, weshalb die Gesetzesänderung zu begrüßen ist.

Bei Fragen rund um die neuen Regelungen und Rechtsfolgen im Zusammenhang mit der Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Maklerrechts kompetent zur Verfügung.


EuGH zum Dieselskandal – Abschalteinrichtungen sind illegal

EuGH zum Dieselskandal- Abschalteinrichtungen sind illegal

„Ein Hersteller darf keine Abschalteinrichtungen einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, um ihre Zulassung zu erreichen. Die Tatsache, dass eine solche Abschalteinrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern, kann ihr Vorhandensein nicht rechtfertigen.“ (Rechtssache C-693/18, Entscheidung vom 17.12.2020).

Die lang ersehnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Thema Abgasskandal ist endlich da. Kurz vor Weihnachten entschieden die Luxemburger Richter, dass Abschalteinrichtungen bei Dieselmotoren illegal sind. Dieses Urteil hat neben VW Auswirkungen auf zahlreiche Autobauer und deren Motoren. Die bisher in der deutschen Rechtsprechung stark umstrittenen „Thermofenster“ sind nach der Wertung des EuGH ebenfalls unzulässig.

Hintergrund

In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall geht es um einen Fall aus Frankreich, in dem gegen einen Hersteller wegen arglistiger Täuschung ermittelt wird. Dieser wird in den Gerichtsakten mit „X“ bezeichnet. Volkswagen hat jedoch bestätigt, dass es um seine Fahrzeuge geht. Die fraglichen Fahrzeuge waren mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) ausgestattet. Das AGR-Ventil ist eine der Technologien, die von den Automobilherstellern zur Kontrolle und Verringerung der endgültigen NOx-Emissionen verwendet werden. Es handelt sich um ein System, das darin besteht, einen Teil der Abgase von Verbrennungsmotoren zum Ansaugkrümmer, d. h. dorthin, wo die dem Motor zugeführte Frischluft eintritt, zurückzuführen, um die endgültigen NOx-Emissionen zu verringern. Vor ihrem Inverkehrbringen wurden diese Fahrzeuge in einem Labor Zulassungstests nach einem anhand verschiedener technischer Parameter (Temperatur, Geschwindigkeit etc.) vordefinierten Zyklus (dem Neuen Europäischen Fahrzyklus, NEFZ) unterzogen. Diese Tests dienen unter anderem dazu, die Höhe der NOx-Emissionen und die Einhaltung der insoweit in der Verordnung Nr. 715/20071 festgelegten Grenzwerte zu überprüfen. Die Emissionen der fraglichen Fahrzeuge waren somit nicht unter realen Fahrbedingungen analysiert worden. Ein technisches Gutachten, das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erstellt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Fahrzeuge über eine Einrichtung verfügen, die es ermöglicht, die Phasen der Zulassungstests zu erkennen und infolgedessen die Funktion des AGR-Systems so anzupassen, dass die vorgeschriebene Emissionsobergrenze eingehalten wird. Umgekehrt führt diese Einrichtung unter anderen Bedingungen als jenen der Zulassungstests, d. h. beim normalen Fahrbetrieb, zu einer (teilweisen) Deaktivierung des AGR-Systems und damit zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen. Der Gutachter gab an, dass die Fahrzeuge erheblich weniger NOx erzeugt hätten, wenn das AGR-System bei realem Fahrbetrieb so funktioniert hätte wie bei den Zulassungstests. Bei diesen Fahrzeugen wären aber unter anderem aufgrund einer schnelleren Verschmutzung des Motors häufigere und kostspieligere Wartungsarbeiten angefallen.

EU-Verordnung Nr. 715/2007- Auslegungssache

Die Verordnung Nr. 715/2007 verbietet ausdrücklich die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen unter normalen Nutzungsbedingungen verringern. Die Autobauer haben sich bisher immer darauf berufen, dass diese Abschalteinrichtungen zulässig sind, solange sie den Motor schützen. Dieses Schlupfloch hat der EuGH nun überzeugend geschlossen. In dem Verfahren ging es daher insbesondere um die Auslegung rechtlicher Spielräume, die den Schutz vor Motorteilen in älteren Dieselautos betreffen. Das Argument des Motorschutzes wird nicht nur von VW sondern von der gesamten Automobilbranche, also auch von der Konzerntochter Audi und dem Daimler Konzern vorgebracht. Dem schiebt der EuGH nun einen Riegel vor, indem er dieses Argument konsequent entkräftet. Nach Auffassung der Richter dürfen Fahrzeuge keine Software haben, die in Prüfsituationen systematisch die Emissionskontrolle verbessern, um das Zulassungsverfahren zu bestehen. Auch ein geringerer Motorverschleiß könne deren Einsatz nicht rechtfertigen. Diese Aussage ist richtungsweisend, da sie das von der Automobilbranche verwendete Argument des Motorschutzes entkräftet.

Thermofenster unzulässig

Das Urteil hat neben VW Auswirkungen auf die gesamte Automobilbranche. Insbesondere steht nun auch fest, dass die in der deutschen Rechtsprechung umstrittenen Thermofenster unzulässig sind. Viel Autobauer haben argumentiert, dass die Abgasreinigung in einem gewissen Temperaturbereich heruntergefahren werden muss, um den Motor vor Versottung zu schützen. Daher funktioniere die Reinigung bei einigen Modellen zum Beispiel auch nur zwischen zehn und 32 Grad. Wenn es kälter oder wärmer ist, wird sie heruntergefahren oder ganz ausgesetzt. In der deutschen Rechtsprechung war bisher umstritten, das Herunterfahren der Abgasreinigung, das sog. Thermofenster, mit europäischem Recht vereinbar ist oder nicht. Zwar hat der EuGH dieses Thermofenster in der Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt, dennoch handelt es sich beim Thermofenster letztlich um eine Abschalteinrichtung, die grundsätzlich unzulässig ist. In den nächsten Monaten werden hierzu konkrete Entscheidungen erwartet.

Entscheidung EuGH richtungsweisend

Die Entscheidung des EuGH ist richtungsweisend. Die nationalen Gerichte müssen nun die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen der unterschiedlichen Hersteller einzeln bewerten. Dabei werden sie sich an der verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof (BGH). So befassen sich die Richter im Februar mit der Zulässigkeit des VW-Softwareupdates, das ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält und im März geht es dann um ein Verfahren gegen Daimler in Bezug auf die Zulässigkeit von Thermofenstern.

Das Urteil zeigt, dass auch Kunden, deren Fahrzeuge nicht mit dem typischen Motor EA 189 von VW ausgestattet sind, gute Chancen auf Schadensersatz haben. Hierbei ist es wichtig schnell zu handeln. Der BGH entschied zuletzt, dass wer erwiesenermaßen mitbekommen hat, wie der Dieselskandal publik wurde, auch gleich handeln hätte müssen (BGH, Urteil vom 17.12.2020, Az.: VI ZR 739/20). Einige Kunden, die erst 2019 oder später Klage eingereicht haben, werden daher keinen Schadensersatz erzielen können. Sie müssten belegen – und das ist schwierig – dass sie 2015 überhaupt nichts von dem Skandal mitbekommen haben. Für Verbraucher ist die Rechtsdurchsetzung in den meisten Fällen mit keinem Risiko verbunden, da die Rechtschutzversicherungen auch weiterhin die vollen Verfahrenskosten übernehmen.

Gerne prüfen wir Ihre Chancen auf Schadensersatz und stehen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche kompetent zur Seite.


Dieselskandal – Gutachten entdeckt illegale Abschalteinrichtungen bei Daimler

Dieselskandal- Gutachten entdeckt illegale Abschalteinrichtungen bei Daimler

Ein vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten deckt nun gleich zwei Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung von Mercedes Benz Fahrzeugen auf. Dies obwohl Daimler stets beteuert hat, dass in ihren Fahrzeugen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen eingebaut wären.

Alle Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge betroffen

Der Sachverständige hat in der Software-Dokumentation aller Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge der Daimler AG entsprechende Programmierungen gefunden, egal ob die Fahrzeuge von einem amtlichen Rückruf betroffen sind oder nicht.

Zwei Abschalteinrichtungen

Die Programmierungen stellen nach Ansicht des Gutachters gleich zwei Abschalteinrichtungen dar: Zum einen wird durch eine spezielle Ansteuerung die sogenannte Kühlmittelsolltemperatur künstlich herabgeregelt, wenn ein Prüfzyklus erkannt wird. Befindet sich das Fahrzeug in einem niedrigen Last- und Drehzahlbereich wird diese Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad anstelle der üblichen 100 Grad Celsius herabgeregelt. Das Ergebnis: solange die Kühlmitteltemperatur so niedrig gehalten wird, stößt das Fahrzeug weniger Schadstoffe aus, vor allem das Umweltgift NOx wird hierdurch künstlich verringert. Diese Regelung auf 70 Grad kommt aber nur unter ganz besonderen Umständen zum Einsatz – nämlich dann, wenn das Fahrzeug konstant mit einer niedrigen Drehzahl und einer sehr geringen Beschleunigung gefahren wird – wie es im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) der Fall ist. Die maximale Beschleunigung, in der das Fahrzeug hier noch im „sauberen“ Modus bewegt wird, liegt nach Beschreibung des Sachverständigen etwa bei der Beschleunigung eines Freizeit-Radfahrers, was nicht gerade der üblichen Beschleunigung eines Mercedes-Benz entspricht. Wird die niedrige Beschleunigung oder die niedrige Drehzahl auch nur für 5 Sekunden überschritten, ändert die Software die Kühlmittelsolltemperatur von 70 auf 100 Grad. Dies hat zur Folge, dass der Motor weiter aufheizt und die Schadstoffe rapide zunehmen.

Der Sachverständige konnte noch eine weitere Funktion feststellen: Wenn die Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad geregelt ist, also im NEFZ, öffnen sich die sogenannten Kühlerjalousien deutlich früher und bleiben – anders als bei einer normalen Fahrt – auch dauerhaft geöffnet. Der Motor wird hierdurch noch weiter gekühlt und die Schadstoffemissionen werden so noch weiter reduziert.

Besonders auffällig in der Programmierung der Motorsteuerung: wenn die Software erst einmal festgestellt hat, dass die Drehzahl und Beschleunigung für 5 Sekunden über den Werten des NEFZ lagen, setzt die Software die höhere Temperatur für die maximal programmierbare Zeit von gut 54 Minuten fest. Selbst wenn das Fahrzeug nach 5 Sekunden höherer Beschleunigung wieder mit sehr geringer Beschleunigung gefahren wird, kehrt es nicht in den „sauberen“ Modus mit einer Solltemperatur von 70 Grad zurück.

Die Erkenntnis aus dieser Programmierung widerlegt das wesentliche Argument von Daimler in den bisherigen Prozessen: Alle Abschalteinrichtungen in den Fahrzeugen seien nicht illegal, so Daimler, weil sich die Fahrzeuge im Realbetrieb stets genau so verhalten würden wie auf dem Prüfstand. Eine Programmierung, die nach 5 Sekunden höherer Beschleunigung nicht mehr in den Modus zurückkehrt, der auf dem Prüfstand dauerhaft (für 20 Minuten) aktiviert ist, dürfte diesen Anforderungen nicht genügen.

Es ist nun an den Stuttgarter Richtern zu entscheiden, ob es sich bei den gefundenen Programmierungen um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt. Nach dem Urteil des EuGH vom 17.12.2020 (Rechtssache C-693/18), welches sämtliche Abschalteinrichtungen als unzulässig einstuft, dürfte dies die logische Konsequenz sein.

Die Chancen für betroffene Daimler Kunden Schadensersatz zu erzielen, sind nach diesem Gutachten erheblich gestiegen. Gerne prüfen wir für Sie, ob auch Sie Ansprüche gegen Daimler geltend machen können und stehen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte kompetent zur Seite.


Mietrecht: Volle Mietzahlungspflicht des Gewerbemieters bei behördlich angeordneter Schließung in Zeiten der Coronapandemie?

Mietrecht: Volle Mietzahlungspflicht des Gewerbemieters bei behördlich angeordneter Schließung in Zeiten der Coronapandemie?

Viele Gewerbemieter haben infolge der behördlichen Schließungsanordnungen aufgrund der Coronapandemie ihre Mietzahlungen eingestellt. Welche rechtlichen Konsequenzen sich hieraus ergeben, beschäftigt immer mehr Gerichte. Zwischenzeitlich liegen mit dem Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 19.08.2020, Az.: HK O 17/20 und dem Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2020, Az.: 5 O 66/20, erste Entscheidungen zugunsten der Vermieter vor. Das Landgericht München hat allerdings zugunsten der Mieter entschieden. Noch kann man keine klare Tendenz in der Rechtsprechung erkennen, da auch obergerichtliche Entscheidungen bislang fehlen. Von dem her bleibt es abzuwarten, ob Gewerbemieter trotz behördlicher Schließungsanordnungen uneingeschränkt zur Zahlung der Miete verpflichtet bleiben oder nicht.

LG München I bejaht Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB

Das LG München I hat in seinem Urteil vom 22.09.2020 einen Mangel der Mietsache bejaht, der zu einer Minderung der Miete um bis zu 100 Prozent führen kann. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Mieter eines Möbelgeschäfts mit Wohnaccessoires in Innenstadtlage wegen der corona-bedingten Schließungsordnung ab April 2020 die Mietzahlungen eingestellt.

LG München bezieht sich auf Entscheidungen des Reichsgerichts

Das LG München I beruft sich hierbei im Wesentlichen auf vier Urteile des Reichsgerichts aus der Zeit des ersten Weltkrieges (Entscheidung vom 09.11.1915, Rep. III.145/15; Entscheidung vom 15.02.1916, Rep. III.333/15; Entscheidung vom 26.10.1917, Rep. III 212/17), darunter auch die bekannte Tanzlokalentscheidung. Das Gericht schließt sich den Reichsgerichtsentscheidungen an, die aufgrund des Verbots der Öffnung von Verkaufsstellen für den Einzelhandel oder das Gastgewerbe einen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB bejahen, da die Tauglichkeit der Mieträume für den vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert ist.

So führt es aus:

„Schriftlich festgelegter (§ 1 Mietvertrag) und überdies deutlich von den Parteien vorausgesetzteer Mietzweck war der Betrieb zur Nutzung als Möbelgeschäft mit Wohnaccessoires zum Zwecke des Einzelhandels. Dieser Mietzweck konnte nach den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen infolge der Corona Pandemie nicht mehr eingehalten werden. Diese Beschränkungen fallen nicht in den Risikobereich der beklagten Mieterin. Soweit vertragsgemäß festgehalten ist, dass die Mieterin verpflichtet ist, auf ihr Risiko alle weiteren etwaigen für ihren Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten, führt dies zu keiner anderen Risikoverteilung, da dies nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien nur baurechtliche oder ggf. arbeitsrechtliche Genehmigungen sein konnten; die Parteien haben sich sicherlich zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages keine Gedanken um Nutzungseinschränkungen in der Innenstadt wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht. Damit trifft die behördliche Einschränkung die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, da nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien gerade ein Ladengeschäft für hochwertige Möbel und hochwertige Wohnaccessoires in zentraler Münchner Lage betrieben werden sollte. An diesem Mietzweck muss sich auch die Vermieterin festhalten lassen, der zudem gelegen war eine hochwertige Umgebung für das Gesamtensemble zu erhalten. Damit unterscheidet sich die Situation auch grundsätzlich von der Situation einer Gaststätte, die von durch Volksentscheid herbeigeführter Bayerischen Rauchverbotsregelung betroffen ist. Vorliegend ist der vereinbarte und von beiden Parteien vorausgesetzte Nutzungszweck der Mietsache, auf dem die Fruchtziehung der Beklagten beruht, erheblich gestört. Dies begründet in der vorliegenden Gewerbemiete mit oben angeführten Darlegungen einen Mietmangel.“

LG Heidelberg und LG Zweibrücken sehen keinen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB

Demgegenüber haben sowohl das LG Zweibrücken als auch das LG Heidelberg das Vorliegen eines Mietmangels verneint. Dies wird damit begründet, dass Geschäftsschließungen, die auf behördlichen Beschränkungen und gesetzgeberischen Maßnahmen beruhen, gerade nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand und der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang stehen.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB

Die Gerichte sind sich bisher nicht einig, ob eine Störung der Geschäftsgrundlage hier vorliegt. Das LG Heidelberg verneint eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters, weil diesem ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist. Im entscheidenden Fall kam das LG Heidelberg zu dem Ergebnis, dass weder eine Existenzgefährdung noch eine unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung des Mieters vorliegt. Begründet wird dies insbesondere damit, dass dem vorgetragenen Nettoumsatzrückgang weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahmen von Kurzarbeit noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt wurden. Zudem spricht entscheidend gegen eine Unzumutbarkeit der begrenzte Zeitraum der Schließung von nur 4,5 Wochen.

Kein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit i.S.d. § 326 Abs. 1 BGB

Das LG Heidelberg hat ein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit verneint, da der Vermieter seiner Leistungspflicht (Zurverfügungstellen der Mieträume) auch dann nachgekommen ist, wenn der Mieter die Räumlichkeiten faktisch wegen der behördlichen Schließungsanordnungen nicht als Verkaufsflächen nutzen konnte.

Die Frage der Mietzahlungspflicht bei Gewerbemietraum ist auch nach den ersten gerichtlichen Entscheidungen noch offen. Erst wenn obergerichtliche Entscheidungen vorliegen, lässt sich eine klare Tendenz ableiten. Grundsätzlich stehen die Chancen für Mieter aber nach der Entscheidung aus München nicht schlecht, zumindest eine Mietminderung durchzusetzen. Bei Fragen rund um das Thema Gewerbemietvertrag und Mietzahlungspflicht stehen wir Ihnen in unserer auf das Mietrecht spezialisierten Kanzlei kompetent zur Seite.


Sportrecht: Profifußballer hat Recht auf Informationen über Provisionszahlungen an seine Beratungsfirma hinsichtlich eines Vereinswechsels

Sportrecht: Profifußballer hat Recht auf Informationen über Provisionszahlungen an seine Beratungsfirma hinsichtlich eines Vereinswechsels

Das Landgericht Köln entschied kürzlich, dass ein Spieler alle Informationen erhalten muss, die seinen Wechsel zu einem anderen Verein betreffen (LG Köln, Urteil vom 24.08.2020 – 21 O 315/19).

Hintergrund

Der Kläger Konstantin Rausch ist ein ehemaliger Lizenzspieler des 1. FC Köln. Die Beklagte betreibt eine Spielerberateragentur und wirbt damit, dass sie sich intensiv um ihre Spieler kümmert. Der Kläger wird als ein von ihr betreuter Spieler auf ihrer Internetseite aufgeführt. Der Spieler verlängerte unter Beteiligung der beklagten Beratungsagentur seinen Spielervertrag beim 1. FC Köln bis Juni 2021, bevor er Anfang 2018 zu Dynamo Moskau wechselte. Die Agentur erhielt für den Wechsel ins Ausland eine hohe Provision von dritter Seite und teilte dies dem Spieler auch mit.

Spieler verlangte vertragliche Auskunft über Höhe der Provision

Der Spieler ist der Ansicht, er hätte der beklagten Spielervermittlung den Auftrag erteilt, ihn nach Russland zu vermitteln und daraus resultiere auch sein Anspruch auf Auskunft, welche weiteren Zahlungen die Spieleragentur für seine Vermittlung erhalten habe. Die Beklagte meint, dass ein konkreter Vertrag zwischen ihr und dem Spieler mit dem Ziel, den Spieler an Dynamo Moskau zu vermitteln, gar nicht erst geschlossen worden sei und der Spieler daher auch kein Recht hätte, Informationen über die gezahlten Provisionen zu erhalten.

LG Köln bejaht Vertragsschluss und bestätigt damit Anspruch auf Auskunft

Das LG Köln war davon überzeugt, dass die Parteien einen Vertrag geschlossen haben und der Spieler daher auch wissen darf, welche Zahlungen die Beraterfirma für seinen Wechsel erhalten hat. Zwar ergebe sich ein solcher Auftrag nicht aus dem Rahmenvertrag zwischen den Parteien. Die Parteien waren nämlich so miteinander verbunden, dass die Beklagte es übernommen hat, den Spieler in allen seinen Angelegenheiten zu betreuen und zu beraten und im Bedarfsfall für ihn tätig zu werden. Für den Wechsel zu Dynamo Moskau hatte sich der Spieler allerdings ausdrücklich mit einer WhatsApp Nachricht an die Beklagte gewandt und ihr den Vermittlungsauftrag erteilt. In der Textnachricht hat der Profi seinen Wunsch geäußert, nach Russland zu wechseln. Daraufhin nahm die Beklagte ihre umfangreiche Tätigkeit für den Spieler auf, die mit viel Zeit- und Arbeitsaufwand nach erheblichen Verhandlungen mit den beiden Vereinen und intensiven Beratungen mit dem Kläger schließlich zu dem Wechsel ins Ausland geführt hat.

Spieler darf Beratungsfirma bei ihrer Tätigkeit kontrollieren

Die Kölner Richter leiten das Recht auf Auskunft aus dem geschlossenen Auftragsverhältnis her. Aus diesem konkreten Auftrag kann der Spieler auch verlangen, dass die Beratungsfirma ihm offenlegt, was sie von dritter Seite für diesen Transfer erhalten hat. Vom Spieler selbst hat die Beraterfirma nämlich keine Provision erhalten. Allerdings hat der Kläger als Auftraggeber das Recht darauf, die Beraterfirma bei ihrer Tätigkeit für ihn zu kontrollieren und die notwendige Klarheit über seine Rechtsstellung zu verschaffen, auch wenn er selbst für diesen Auftrag nichts gezahlt hat.

Zahlungsanspruch gegen Beraterfirma?

Ob daraus dann auch ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beraterfirma erwächst, war nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und bleibt ggf. einer weiteren rechtlichen Auseinandersetzung vorbehalten. Grundsätzlich kann der Auftraggeber nämlich von dem Beauftragten verlangen, alles herauszugeben, was dieser durch den Auftrag erlangt hat, also auch die erhaltenen Provisionen, Geschenke und andere Vorteile. Es besteht dabei nämlich grundsätzlich die Gefahr, dass die Beauftragte, also hier die Spielerberaterfirma, ihre Tätigkeit dann nicht mehr allein an den Interessen ihres Auftraggebers, also des Spielers, ausrichtet, sondern auch eigene Interessen im Spiel sind.

Diese Entscheidung zum Sportrecht zeigt, dass dieses kein in sich abgeschlossenes Rechtsgebiet, sondern vielmehr eine Querschnittsmaterie aus insbesondere Vereinsrecht, Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht und Wirtschaftsrecht ist, die die Rechte von oder gegenüber Sportlern betrifft. Gerade im Bereich der Spielervermittlung und den Rechtsbeziehungen zwischen Spielervermittler und Spieler sind profunde Kenntnisse im Makler- und Vertragsrecht notwendig, um ein optimales Ergebnis für seine Partei zu erzielen. In unserer auf das Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen rund um arbeits- und gesellschaftsrechtliche Vertragsgestaltung und -verhandlung, der Durchsetzung von Provisionsansprüchen, der Erstellung von Satzungen und Ordnungen, sowie als Vertretung in arbeitsgerichtlichen Verfahren kompetent zur Seite.