BGH – Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung ist von Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gedeckt

Der BGH hat mit Urteil vom 18.11.2020 (Az.: IV ZR 217/19) entschieden, dass eine Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung grundsätzlich von der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt ist. Bei der sogenannten D & O- Versicherung handelt es sich um eine Versicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt.

Hintergrund

Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der A- Maschinenfabrik (im Folgenden: Schuldnerin), nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Versicherungsleistungen aus einer D & O – Versicherung in Anspruch. Die Schuldnerin schloss mit der Beklagten im Jahr 2008 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter von GmbHs ab. Die Versicherungssumme ist auf 1,5 Millionen Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres begrenzt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) heißt es auszugsweise:

Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit: Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

2.3 Versicherte Schäden: Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.

Im August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Im Dezember 2015 nahm der Kläger den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Im August 2016 focht die Beklagte ihre Vertragsannahme wegen arglistiger Täuschung an. Mit Vereinbarung vom 8.11.2016 trat der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Deckungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab. Der Kläger macht geltend, die Schuldnerin sei spätestens seit September 2011 zahlungsunfähig gewesen. Das LG Wiesbaden hat die Klage abgewiesen. Das OLG Frankfurt a.M. hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

 

Entscheidung des BGH

Der BGH hat festgestellt, dass der in § 64 S. 1 GmbHG geregelte Anspruch einer Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen, die der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft aus ihrem Vermögen vornimmt, ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 ULLA ist. Damit ist endlich die seit längerem kontrovers diskutierte Frage geklärt, ob die Forderungen, die ein Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG geltend macht, von einer D&O-Versicherung gedeckt sind, welche in zahlreichen Fällen gerade die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers für Insolvenzverschleppungsschäden abdecken sollen. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 20.07.2018 (Az.: 4 U 93/16) diese Frage verneint, was für erhebliches Aufsehen bei Geschäftsführern, Insolvenzverwaltern und Industrieversicherern sorgte. Zur Begründung führte das OLG Düsseldorf im Wesentlichen aus, der Anspruch auf Ersatz der Zahlungen, die nach Eintritt einer Insolvenzreife geleistet werden, sei ein Anspruch „sui generis“. Derartige Forderungen, die ein Insolvenzverwalter nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Geschäftsführer geltend mache, seien keine Schadensersatzansprüche, die nach den Versicherungsbedingungen unter den Schutz einer D&O-Versicherung fallen.

Die Karlsruher Richter sehen das anders. Der BGH stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine Auslegung der Versicherungsbedingungen nach dem Horizont des Versicherungsnehmers bzw. der durch den Abschluss der Versicherung zu schützenden Person zu erfolgen habe. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer, so der BGH in den Entscheidungsgründen, wird ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese Unterscheidung nicht nachvollziehen können. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung der gegen den Geschäftsführer geltend gemachten Forderungen der Insolvenzmasse, so der BGH, beabsichtigen die Parteien eines D&O-Vertrages bei Abschluss des Vertrages, an die Verwirklichung eines Ereignisses bestimmte Rechtsfolgen zu knüpfen. Im Fall der D&O-Versicherung bestehen diese nach Ansicht des BGH darin, die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers im Falle einer Insolvenzverschleppung abzusichern. Hierbei spiele es keine Rolle, ob sich die Geltendmachung der Forderungen der Insolvenzmasse dann am Ende als Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder als Geltendmachung von Forderungen „sui generis“ darstelle.

 

Fazit

Die Entscheidung des BGH entscheidet endlich die durch das OLG Düsseldorf angestoßene Ungewissheit über den Schutzbereich von D&O-Versicherungen. Außerdem stellen die Richter den durch den Abschluss der Versicherung beabsichtigten Schutzzweck in den Fokus. Dadurch werden Schäden, die durch eine verspätete Insolvenzantragstellung entstehen können, vom Versicherungsschutz erfasst. Dies führt in der Konsequenz zu einem Schutz der geschädigten Gläubiger, die zukünftig mit höheren Massezuwächsen und damit mit höheren Insolvenzquoten bei Insolvenzverschleppungen rechnen können. Dies setzt natürlich voraus, dass das jeweilige Unternehmen eine D&O-Versicherung abgeschlossen hat.

 

In unserer auf das Insolvenz – und Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen zum Thema Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.