Dieselskandal- Gutachten entdeckt illegale Abschalteinrichtungen bei Daimler

Ein vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten deckt nun gleich zwei Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung von Mercedes Benz Fahrzeugen auf. Dies obwohl Daimler stets beteuert hat, dass in ihren Fahrzeugen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen eingebaut wären.

Alle Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge betroffen

Der Sachverständige hat in der Software-Dokumentation aller Euro 5 und Euro 6 Fahrzeuge der Daimler AG entsprechende Programmierungen gefunden, egal ob die Fahrzeuge von einem amtlichen Rückruf betroffen sind oder nicht.

Zwei Abschalteinrichtungen

Die Programmierungen stellen nach Ansicht des Gutachters gleich zwei Abschalteinrichtungen dar: Zum einen wird durch eine spezielle Ansteuerung die sogenannte Kühlmittelsolltemperatur künstlich herabgeregelt, wenn ein Prüfzyklus erkannt wird. Befindet sich das Fahrzeug in einem niedrigen Last- und Drehzahlbereich wird diese Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad anstelle der üblichen 100 Grad Celsius herabgeregelt. Das Ergebnis: solange die Kühlmitteltemperatur so niedrig gehalten wird, stößt das Fahrzeug weniger Schadstoffe aus, vor allem das Umweltgift NOx wird hierdurch künstlich verringert. Diese Regelung auf 70 Grad kommt aber nur unter ganz besonderen Umständen zum Einsatz – nämlich dann, wenn das Fahrzeug konstant mit einer niedrigen Drehzahl und einer sehr geringen Beschleunigung gefahren wird – wie es im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) der Fall ist. Die maximale Beschleunigung, in der das Fahrzeug hier noch im „sauberen“ Modus bewegt wird, liegt nach Beschreibung des Sachverständigen etwa bei der Beschleunigung eines Freizeit-Radfahrers, was nicht gerade der üblichen Beschleunigung eines Mercedes-Benz entspricht. Wird die niedrige Beschleunigung oder die niedrige Drehzahl auch nur für 5 Sekunden überschritten, ändert die Software die Kühlmittelsolltemperatur von 70 auf 100 Grad. Dies hat zur Folge, dass der Motor weiter aufheizt und die Schadstoffe rapide zunehmen.

Der Sachverständige konnte noch eine weitere Funktion feststellen: Wenn die Kühlmittelsolltemperatur auf 70 Grad geregelt ist, also im NEFZ, öffnen sich die sogenannten Kühlerjalousien deutlich früher und bleiben – anders als bei einer normalen Fahrt – auch dauerhaft geöffnet. Der Motor wird hierdurch noch weiter gekühlt und die Schadstoffemissionen werden so noch weiter reduziert.

Besonders auffällig in der Programmierung der Motorsteuerung: wenn die Software erst einmal festgestellt hat, dass die Drehzahl und Beschleunigung für 5 Sekunden über den Werten des NEFZ lagen, setzt die Software die höhere Temperatur für die maximal programmierbare Zeit von gut 54 Minuten fest. Selbst wenn das Fahrzeug nach 5 Sekunden höherer Beschleunigung wieder mit sehr geringer Beschleunigung gefahren wird, kehrt es nicht in den „sauberen“ Modus mit einer Solltemperatur von 70 Grad zurück.

Die Erkenntnis aus dieser Programmierung widerlegt das wesentliche Argument von Daimler in den bisherigen Prozessen: Alle Abschalteinrichtungen in den Fahrzeugen seien nicht illegal, so Daimler, weil sich die Fahrzeuge im Realbetrieb stets genau so verhalten würden wie auf dem Prüfstand. Eine Programmierung, die nach 5 Sekunden höherer Beschleunigung nicht mehr in den Modus zurückkehrt, der auf dem Prüfstand dauerhaft (für 20 Minuten) aktiviert ist, dürfte diesen Anforderungen nicht genügen.

Es ist nun an den Stuttgarter Richtern zu entscheiden, ob es sich bei den gefundenen Programmierungen um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt. Nach dem Urteil des EuGH vom 17.12.2020 (Rechtssache C-693/18), welches sämtliche Abschalteinrichtungen als unzulässig einstuft, dürfte dies die logische Konsequenz sein.

Die Chancen für betroffene Daimler Kunden Schadensersatz zu erzielen, sind nach diesem Gutachten erheblich gestiegen. Gerne prüfen wir für Sie, ob auch Sie Ansprüche gegen Daimler geltend machen können und stehen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte kompetent zur Seite.