Gesellschaftsrecht / Erbrecht - Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung

1. Die Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbH-Gesetz gilt auch für die Erben eines GmbH-Gesellschafters. Sie können Gesellschafterrechte erst dann ausüben, wenn sie in die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG aufgenommen worden sind. Dies gilt auch für einen Nachlasspfleger, der für die unbekannten Erben des Gesellschafters bestellt ist.

2. Die Beschwerdebefugnis gegen die Anordnung einer Notgeschäftsführungsansicht steht dem Erben eines GmbH-Gesellschafters erst mit der Eintragung in die Gesellschafterliste zu.

KG Berlin, Beschluss vom 23.11.2022 – 22 W 50/22

Hintergrund

Die Gesellschaft, eine GmbH, ist seit dem 2. Juli 2020 in das Handelsregister, Abteilung B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Als Unternehmensgegenstand ist der Betrieb eines Restaurants festgelegt. Am 10. Dezember 2021 verstarb der einzige Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Gesellschafter W. Zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben (der Erblasser war geschieden), seine einzige Schwester schlug die Erbschaft aus, ernannte das zuständige Amtsgericht Wedding am 4. Februar 2022 für die unbekannten Erben nach W. den Beteiligten zu 1.) als Nachlasspfleger.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2.), der Lebensgefährtin des Erblassers und Mitarbeiterin in dem von der Gesellschaft betriebenen Restaurants, bestellte das Amtsgericht Charlottenburg diese mit Beschluss vom 05.05.2022 zur alleinvertretungsberechtigten Notgeschäftsführerin. Nachdem das Registergericht den Beteiligten zu 1.) auf seine Nachfrage hin, mit Schreiben vom 08.07.2022 eine Abschrift des Bestellungsbeschlusses übersandt hatte, hat dieser mit einem Schreiben vom 14.07.2022, das beim Registergericht am 20.07.2022 per Post eingegangen ist, für die unbekannten Erben Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, eine Abberufung der Notgeschäftsführerin zu erreichen. Insoweit rügt er, dass er wegen des Antrags auf Notgeschäftsführerbestellung nicht angehört worden ist. Die Voraussetzungen des § 29 BGB seien auch nicht gegeben, die Erben könnten die Gesellschafterrechte ohne weiteres ausüben. Darüber hinaus sei die Beteiligte zu 2.) auch als Geschäftsführerin ungeeignet, da sie Erbschaftsbesitzerin sei und jede Zusammenarbeit verweigere. Die Erben hätten an der Weiterführung des Geschäftsbetriebs kein Interesse, da dieser eingestellt werden sollte.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 08.08.2022 zur Entscheidung vorgelegt.

Beschwerde nicht erfolgreich

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) gegen den Bestellungsbeschluss vom 05.05.2022 ist zwar nach § 402 Abs. 1 FamFG statthaft, da sich bei der Bestellung eines Notgeschäftsführers, auch wenn dieser auf einer entsprechenden Anwendung des § 29 BGB beruht, um ein unternehmensrechtliches Verfahren nach § 375 FamFG handelt. Die Beschwerde ist aber unzulässig, dementsprechend ist sie gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verwerfen, weil die unbekannten Erben, auf die es für diese Frage ankommt, durch die Entscheidung des Amtsgerichts, für die Gesellschaft einen Notgeschäftsführer zu bestellen, nicht unmittelbar in eigenen Rechten beschwert sind, sodass es an den Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG fehlt.

Auf die weitere Frage, ob die Einreichung der Beschwerde per Post angesichts der Regelung in § 14 b Abs. 1 FamFG formgerecht war, kommt es daher nicht an. Durch die Anordnung der Notgeschäftsführerin werden laut dem KG Berlin die unbekannten Erben nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung ihrer Vertretungsbefugnis ist nicht eingetreten. Denn diese sind durch den Wegfall des Erblassers nicht in dessen Stellung als Vertretungsorgan eingetreten. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbH-Gesetz, der nur die passive Vertretung ermöglicht und deshalb zur Weiterführung oder auch nur Abwicklung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft nicht ausreichend ist, greift zugunsten der Erben des Alleingesellschafters nicht, da diese nicht als Gesellschafter in der zuletzt in den Registerordner aufgenommenen Gesellschafterliste aufgeführt sind. Die Aufnahme einer solchen Liste ist auch im Erbfall vorgesehen. Ob eine Ausnahme in Betracht kommt, wenn die Erben durch einen Erbschein ausgewiesen sind und ob diesem der Beschluss über eine Nachlasspflegerbestellung gleichsteht, kann letztlich dahinstehen. Denn auch insoweit geht es nur darum unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbH-Gesetz eine zutreffende Gesellschafterliste zur Aufnahme in den Registerordner zu erstellen, die dann die Ausübung der Gesellschafterrechte rechtfertigt.

Weil es an einer die unbekannten Erben ausweisenden Gesellschafterliste fehlte, sind die unbekannten Erben auch nicht in ihrem Recht auf Bestellung der Vertretungsorgane als Gesellschafter beeinträchtigt. Auch die weiteren Ausführungen des Beteiligten zu 1.) zu einer Ungeeignetheit der Beteiligten zu 2.) zur Geschäftsführung rechtfertigen nicht die Annahme, die unbekannten Erben wären durch den Bestellungsbeschluss unmittelbaren eigenen Rechten beeinträchtigt. Der Hinweis, die Beteiligte zu 2.) sei Erbschaftsbesitzerin und kooperiere insoweit nicht mit dem Beteiligten zu 2.), ist unerheblich. Bezüglich der GmbH haben die Erben lediglich die Geschäftsanteile erworben. Die Geltendmachung der hieraus entstehenden Rechte setzt die Erstellung einer entsprechenden Gesellschafterliste und deren Aufnahme in den Registerordner voraus. Dass die Beteiligte zu 2.) als ehemalige Lebensgefährtin des Erblassers über andere Nachlassgegenstände verfügt, steht in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob eine Notgeschäftsführerbestellung erforderlich ist.

Ob sich eine Beschwerdebefugnis daraus ergeben könnte, dass die unbekannten Erben als zukünftige Gesellschafter gegen die Gesellschaft und damit die Notgeschäftsführerin einen Anspruch auf Erstellung einer sie als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste haben, wie der Beteiligte zu 1.) auch mit Schriftsatz vom 17.11.2022 geltend gemacht hat, kann hier offenbleiben.

Denn insoweit käme lediglich ein Angriff auf die als Notgeschäftsführer ausgewählte Person im Betracht, nicht aber eine Beschwerde gegen die Anordnung der Notgeschäftsführung an sich. So kann die erhobene Beschwerde aber nicht verstanden werden. Denn sie ist auf eine ersatzlose Aufhebung der Bestellung gerichtet. Dies ergibt sich daraus, dass der Beteiligte zu 1.) auf Nachfrage des Senats ausdrücklich erklärt und mit dem Schriftsatz vom 17.11.2022 bekräftigt hat, eine Notgeschäftsführung sei nicht erforderlich, der Geschäftsbetrieb solle sofort eingestellt werden, was aber angesichts des durch die GmbH geführten Restaurantbetriebs ohne Geschäftsführung ohnehin nicht möglich sein dürfte. Dies gilt im Übrigen auch, soweit – wie der Beteiligte zu 1.) angekündigt hat – ein Insolvenzantrag gestellt werden soll. Auf die von ihm weiter erhobenen Missbrauchsvorwürfe gegenüber der Bestellten kommt es nach alledem nicht an.

Die Entscheidung zeigt erneut deutlich, dass gesellschaftsrechtliche Regelungen oftmals dem Erbrecht vorgehen. So können Erben eines GmbH-Gesellschafters ihre Gesellschafterrechte erst dann ausüben, wenn sie auch tatsächlich in die Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG aufgenommen worden sind.

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