Familienrecht - Rückforderung vorehelicher Zuwendungen

1. Eine voreheliche Zuwendung kann nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach Scheitern der späteren Ehe jedenfalls zum Teil zurückgefordert werden, auch wenn die Ehegatten später im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, soweit die Beteiligten erwarteten, dass auch der Zuwendende an dem mit der Zuwendung angeschafften Gegenstand partizipieren wird.

2. Das gilt auch, wenn die zugewendeten Mittel zur Finanzierung eines von den künftigen Schwiegereltern durchgeführten Bauprojekts verwendet wurden, wobei diese der Zuwendungsempfängerin ein Nutzungsrecht einräumen.

(AG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2022 – 277 F 262/20).

Hintergrund

Die Beteiligten gingen am 10.12.2016 die Ehe miteinander ein, lebten im gesetzlichen Güterstand und trennten sich Anfang Januar des Jahres 2018. Die Ehe wurde auf den am 18.12.2018 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers mit Beschluss des Gerichts vom 30.01.2019 geschieden. Vor Eheschließung, nämlich am 18.11.2016, überwies der Antragsteller der Antragsgegnerin auf deren Konto einen Betrag in Höhe von 200.000,00 € mit dem Betreff „Darlehen für Baufinanzierung“. Die Antragsgegnerin reichte diesen Betrag in mehreren Teilzahlungen an ihre Eltern weiter.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die aus H. stammenden Eltern der Antragsgegnerin verbrachten ihr Arbeitsleben in Deutschland und kehrten im Rentenalter nach H. zurück. Sie erwarben im Jahre 2013 ein ca. 1.800 m² großes Grundstück am Meer auf der Insel S. in D. Sie bebauten dieses Grundstück mit einer aus mehreren Wohneinheiten bestehenden Wohnhausanlage. Die Beteiligten besichtigten das Grundstück anlässlich eines Urlaubs im August 2016. Der Rohbau war zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt. Das Gebäude wurde im Jahr 2017 / 2018 fertiggestellt.

Es wird seither von den Eltern der Antragsgegnerin, der Antragsgegnerin selbst und der Schwester der Antragsgegnerin mit ihrer Familie teils selbst genutzt, teils vermietet. Die Eltern der Antragsgegnerin sind ausweislich des am 08.05.2021 erstellten, bisher nur in fremder Sprache vorliegenden Grundbuchauszuges als Miteigentümer des betroffenen Grundstücks eingetragen. Die Schwester der Antragsgegnerin hat in erheblichem Umfang zu den Kosten der Bebauung beigetragen. Auch der vom Antragsteller zur Verfügung gestellte und an die Eltern der Antragsgegnerin weitergereichte Betrag in Höhe von 200.000,00 € floss vollumfänglich in den Bau und in die Ausstattung dieser Immobilie.

Die Beteiligten korrespondierten vor und nach der verfahrensgegenständlichen Überweisung untereinander wie auch mit der Mutter der Antragsgegnerin und Dritten zu Details der Bauplanung, der Wohnungseinrichtung und der Finanzierung. So schrieb die Mutter der Antragsgegnerin in eine E-Mail vom 07.11.2016, also vor der verfahrensgegenständlichen Überweisung, zur Küchenplanung: „So ist die Küche, wie wir sie entworfen haben. Ich habe nur nach einem Plan gefragt, damit ich ihn dir schicken kann und du entscheidest natürlich, was du willst und wie, ich will mich nicht einmischen und habe weder Zeit noch Nerven.“

Die Antragsgegnerin leitete diese Nachricht am 08.11.2016 an den Antragsteller weiter mit dem Hinweis: „Anbei Vorschlag und Angebot Küche. Ich denke grundsätzlich passt das so. Wir müssen noch entscheiden, ob wir 60 cm Spülmaschine haben wollen oder ob der kleine mit 45 cm reicht. Außerdem können wir auch überlegen, ob für den freien Arbeitstisch etwas höher setzen, damit wir Barhocker drunter packen können. Was meinst du?“

Am 27.05.2007 schickte der Antragsteller der Antragsgegnerin eine detaillierte Einrichtungsliste mit IKEA-Möbeln zur Weiterleitung an die Eltern der Antragsgegnerin. Am 17.07.2017 übermittelte die Antragsgegnerin dem Antragsteller per Mail eine Kostenaufstellung mit dem Titel „Wohnung“. Bisherige Ausgaben Stand 17.7.2017, mit einer Summe von 190.038,90 €. Der Antragsteller antwortete darauf mit E-Mail vom 18.07.2017 auszugsweise wie folgt: „Besten Dank, zwei Ideen / Anmerkungen: 1. Bei den Baukosten / Überweisung Eltern ist schwer zu sehen, ob / was noch kommt-, kann man das irgendwie versuchen zu qualifizieren bzw. zu benennen, was schon war und was noch kommt, ich will einfach nur verhindern, dass da noch ein Batzen kommt, den wir nicht kommen sehen.
2. Ähnlich mit den noch einzurichtenden Wohnungen. Kannst du mir ein grobes Budget pro Wohnung auf Basis der bisherigen Einrichtung machen. Hierbei kommt es meines Erachtens nicht auf 100,00 € mehr oder weniger an, aber ich würde gerne wissen, ob es eher noch 5.000,00 €, 7.000,00 € oder 10.000,00 € pro Wohnung sind.“

Anfang Januar 2018 kam es zur endgültigen Trennung der Beteiligten, wie die Beteiligten übereinstimmend im Scheidungsverfahren erklärt haben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.12.2018 ließ der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin den Darlehensvertrag kündigen und sie zur Rückzahlung des offenen Darlehensbetrag von 200.000,00 € bis zum 13.03.2019 auffordern. Am 18.12.2018 wurde der Antragsgegnerin der Scheidungsantrag des Antragstellers zugestellt. Nachdem eine Zahlung auf die Forderung nicht erfolgt ist, verfolgte der Antragsteller den Anspruch mit der am 11.01.2021 zugestellten Antragsschrift vom 02.11.2020 gerichtlich. Er behauptet: Er habe der Antragsgegnerin ein zinsfreies Baufinanzierungsdarlehen gewährt. Die Eltern der Antragsgegnerin hätten geplant, das Grundstück mit zwei Gebäuden zu bebauen, beide Gebäude bestehend aus je drei Geschossen, wobei drei voneinander getrennte Wohneinheiten mit je zwei Wohnungen hätten gebaut werden sollen. Dabei hätte plangemäß die Antragsgegnerin zunächst Eigentümerin des zweiten Obergeschosses des von der Straße aus gesehenen rechten Gebäudes werden sollen, während die Schwester der Antragsgegnerin Eigentümerin des von der Straße aus gesehenen linken Gebäudeseite werden sollen und Eigentümer der beiden unteren Geschosse des von der Straße aus gesehenen rechten Gebäudes die Eltern der Antragsgegnerin. Bei Ableben der Eltern hätten beide Schwestern je eine Wohnung in der Wohnanlage erben sollen. Geplant sei also ein Bauträgermodell gewesen, wobei die Antragsgegnerin eine der beiden hier zur übertragenen Wohnungen gegen Zahlung von 200.000,00 € sogleich von den Eltern hätte erwerben sollen und die weiteren Wohnungen zu einem späteren Zeitpunkt von ihren Eltern hätte geschenkt bzw. im Wege vorweggenommener Erbfolge hätte übertragen werden sollen.

Sämtliche diesbezüglichen Absprachen seien zwischen der Antragsgegnerin und ihren Eltern getroffen worden, direkte Gespräche zwischen dem Antragssteller und seinen Schwiegereltern habe es nicht gegeben. Die Immobilie sei von den Beteiligten zu Urlaubszwecken, im Übrigen zur Vermietung und gleichzeitig als Kapitalanlage gedacht gewesen. Der Antragsteller behauptet weiterhin, zwischen den Beteiligten sei ein konkreter Zweck der Zuwendung der Gestalt verabredet gewesen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin den Geldbetrag nur deshalb zuwende, damit sie eine Wohnung von ihren Eltern erwerbe. Die Antragsgegnerin habe den Geldbetrag in diesem Bewusstsein entgegengenommen und an ihre Eltern überwiesen. Der Antragsteller habe der Antragsgegnerin den Betrag ausschließlich deshalb überwiesen, damit sie diesen Betrag ihren Eltern zur Verfügung stelle, damit diese wiederum gleich einen Bauträger für die Wohnungen für die Beteiligten herstellen und einrichteten, damit die künftigen Ehegatten sie im Wesentlichen fremd vermieten können.

Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn einen Betrag in Höhe von 200.000,00 € zu bezahlen. Die Antragsgegnerin hingegen wendet ein, es sei nie geplant gewesen, dass sie Eigentum an einer Wohnung erwerben solle. Das sei auch rechtlich gar nicht möglich gewesen. Die Eltern seien wie geplant Alleineigentümer, auch ihre Schwester habe kein Eigentum erworben. Die Antragsgegnerin habe den Wunsch gehabt, ihre Eltern bei der Erfüllung ihres Lebenstraums finanziell zu unterstützen, wie dies auch ihre Schwester getan habe. Dabei sei aber nie im Gespräch gewesen, dass die Schwester zu Lebzeiten Eigentum hätte erwerben sollen. Eine Eigennutzung, Vermietung oder Kapitalanlage habe zu keiner Zeit im Raum gestanden. Weiter vermiete sie auch nicht im eigenen Namen, sondern auf Rechnung der Eltern, denen sie lediglich bei der Abwicklung der Vermietung behilflich sei. Der Antragsteller habe niemals beabsichtigt, die Immobilie für sich selbst zu nutzen, weder zu Urlaubszwecken noch als Kapitalanlage. Er habe der Antragsgegnerin aus Großzügigkeit einen Teil eines großen von ihm erzielten Veräußerungsgewinns zur freien Verfügung zugewendet.

AG Hamburg spricht Rückzahlungsanspruch zu

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Rückzahlungsanspruch, jedoch nur in Höhe von 100.000,00 €. Ein Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB habe er nicht, da zwischen den Beteiligten kein Darlehensvertrag zustande gekommen ist. In der Regel ist davon auszugehen, dass Zuwendungen auch größerer Vermögenswerte unter Ehegatten keine eheneutralen Rechtsgeschäfte wie etwa Schenkungen oder Darlehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft dienende, ehebedingte Zuwendungen sind. Von einem Darlehen unter Ehegatten kann demnach nur ausgegangen werden, wenn feststellbar ist, dass die Ehegatten trotz Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihren wechselseitigen immateriellen und materiellen Auswirkungen im Sinne von § 1353 BGB die vertragstypischen Pflichten eines Darlehensvertrags im Sinne von § 488 BGB begründen wollten. Die aus der Korrespondenz vom 18.11.2016 ersichtlichen Abreden der Beteiligten waren jedoch nicht darauf gerichtet, die für einen Darlehensvertrag typischen wechselseitigen Vertragspflichten zu begründen. Der vom Antragsteller bei der Überweisung absprachegemäß verwendete Betreff „Darlehen für Baufinanzierung“ war nach dem klaren Inhalt der Korrespondenz vom 18.11.2016 eine einvernehmliche und ausschließlich aus steuerlichen Gründen verwendete falsa demonstratio.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Der vom Antragsteller mit der Leistung vereinbarungsgemäß bezweckte Erfolg ist eingetreten. Eine darüber hinausgehende Zweckabrede zwischen den Beteiligten ist nicht zustande gekommen. Insbesondere haben die Beteiligten keine Zweckabrede mit dem Inhalt getroffen, dass als Gegenleistung einer Zahlung von 200.000,00 € an die Eltern der Antragsgegnerin die Eltern entweder der Antragsgegnerin allein oder den Beteiligten gemeinsam Miteigentum an einer Wohnung innerhalb der von ihnen zu errichteten Immobilie verschaffen soll.

Allerdings haben die Beteiligten eine Zweckabrede mit dem Inhalt getroffen, dass die Antragsgegnerin im Gegenzug für die Überlassung der Investition von 200.000,00 € an ihre Eltern, den Eltern gegenüber berechtigt sein sollte, die im Obergeschoss des von der Straße aus gesehenen rechten Gebäudeteils belegene, in den vorgelegten Vermietungsanzeigen als Penthouse bezeichnete Wohnung wie eine Eigentümerin für sich zu nutzen, sei es durch Eigennutzung oder durch Vermietung.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Rückgewähr der Hälfte seiner Zuwendung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Vermögensverschiebungen, die innerhalb des gesetzlichen Güterstandes stattgefunden haben, werden nach gefestigter Rechtsprechung des BGH gemäß § 313 BGB nur dann korrigiert, wenn das Ergebnis des vorrangig durchzuführenden Zugewinnausgleichs schlechthin unangemessen und untragbar ist. Lebten die Beteiligten des Zuwendungsverhältnisses hingegen in Gütertrennung, steht also der Zugewinnausgleich von vornherein nicht als Ausgleichsmechanismus zur Verfügung, kann eine Korrektur gemäß § 313 BGB unter weniger strengen Voraussetzungen bereits dann erfolgen, wenn das Ergebnis der Vermögensverschiebung unzumutbar wäre.

Die gemeinsame Erwartung der Beteiligten, die zur Geschäftsgrundlage geworden ist, hat sich mit Scheitern der Ehe schwerwiegend im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB verändert. Im Zeitpunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage war beim Vermögen der Antragsgegnerin noch eine messbare Anmerkung vorhanden. Der Anpassungs- und Rückforderungsanspruch setzt grundsätzlich eine beim Wegfall der Geschäftsgrundlage noch vorhandene, messbare Vermögensmehrung voraus, die zugleich den Anspruch nach oben begrenzt. Zeitpunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist das endgültige Scheitern der Ehe im Sinne des § 1565 BGB, hier also die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten Anfang Januar 2018 endgültig vollzogene Trennung.

Unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwältinnen stehen Ihnen insbesondere bei der Abgrenzung der Zweckverfehlungskondiktion vom Rückforderungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei unbenannten ehebedingten Zuwendungen kompetent zur Verfügung.