Familienrecht - Berücksichtigung von Naturalunterhalt für Kinder bei Berechnung von Ehegattenunterhalt

Bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt ist der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Die Höhe der Abzugspositionen ergibt sich rechnerisch aus der Differenz zwischen dem aus den beiderseitigen Einkünften ermittelten Barbedarf der Kinder einerseits und dem vom barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgebrachten Unterhalt andererseits.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.06.2022 – 7 U 1177/21)

Hintergrund

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben einander im Jahr 2006 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder A, geboren 2002, und B, geboren 2005, hervorgegangen. Seit spätestens Dezember 2012 leben die Eheleute voneinander getrennt, wobei die Kinder zunächst im mütterlichen Haushalt blieben. Das Scheidungsverfahren ist seit Oktober 2013 vor dem Familiengericht rechtshängig, ruht aber derzeit faktisch, da der Antragsgegner im Rahmen der Folgesache Zugewinnausgleich bis heute trotz Titulierung der geschuldeten Auskunft noch nicht erteilt hat.

In dem vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin den Antragsgegner, der eine Landwirtschaft betreibt, mit Antragsschrift vom 29.10.2013 auf Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Die Beteiligten haben unter anderem über die Höhe der beiderseitigen Einkünfte, den Ansatz einer PKW-Nutzung und eines Wohnvorteils auf Seiten des Antragsgegners, die Höhe verschiedener Abzugsposten sowie die wechselseitigen Anteile der Betreuung der Kinder gestritten. Im November 2014 hat der Antragsgegner die Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Februar 2013 in Höhe von monatlich je 291,00 € Regelbedarf und 37,00 € Mehrbedarf für die Kinder und monatlich 163,00 € Trennungsunterhalt anerkannt, sodass ein entsprechender Teilanerkenntnisbeschluss erging. Hiergegen legte der Antragsgegner Beschwerde ein mit der Begründung, dass aufgrund zwischenzeitlich bekannt gewordener Rechtsprechungsänderung (Beschluss des BGH vom 12.03.2014 – XII ZB 234/13) weitere Abzüge beim Kindesunterhalt gerechtfertigt seien, da er im Rahmen des erweiterten Umgangs und da die Antragstellerin den Kindern nahezu ausschließlich gebrauchte Kleidung kaufe, erhebliche Leistungen erbringe, die anzurechnen seien. Außerdem sei die Antragstellerin angesichts des Alters der Kinder nunmehr ohnehin gehalten, mehr als nur halbtags zu arbeiten und es hätten sich seine Einkünfte aus der Landwirtschaft im Jahr 2012 weiter reduziert.

Die Antragstellerin trat ihm unter anderem mit der Behauptung entgegen, dass insbesondere der gemeinsame Sohn therapiebedürftig sei. Der Senat hat die Beschwerde mit Beschluss vom 22.10.2014 mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine ausnahmsweise mögliche Anfechtung des Anerkenntnisbeschlusses ausscheide, da eine Rechtsprechungsänderung nicht vorliege, das Vorbringen des Antragsgegners unsubstantiiert sei und auch sonstige Abänderungsgründe nicht vorliegen.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, welche finanziellen Mittel und welche wirtschaftlichen Vorteile dem Antragsgegner von Januar 2013 bis Juni 2016 zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden haben und ob die Mittel ausschließlich aus den Erträgen des Betriebes oder durch Kredite bzw. andere Drittmittel aufgebracht worden sind, durch Einholung eines Gutachtens. Für die Zeit ab 02.02.2016 gehen die Beteiligten von einem paritätischen Wechselmodell aus, wobei das Amtsgericht der Antragstellerin die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen übertragen hat.

Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich ihre Arbeitstätigkeit aufgestockt. Der Antragsgegner hat zusätzlich geltend gemacht, dass Trennungsunterhaltsansprüche verwirkt seien, da die Antragstellerin im Jahr 2012 aus der Ehe ausgebrochen sei und sich einem neuen Partner zugewandt habe, mit dem sie im Sommer 2013 einen Campingurlaub verbracht habe und der seit August 2014 bei ihr wohne. Infolge der im Jahr 2020 eingetretenen Volljährigkeit der Tochter hat die Antragstellerin den diesbezüglichen Unterhaltsanspruch unter Vorlage einer Abtretungserklärung auf die Zeit bis dahin beschränkt. Hinsichtlich des Trennungsunterhalts hat sie behauptet, dass Sie erst seit 2017 mit ihrem Freund fest zusammen sei.

Amtsgericht verurteilt Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner über die mit Teilanerkenntnisbeschluss vom 11.04.2014 titulierten Unterhaltsbeträge hinaus zur Zahlung von rückständigen Kindesunterhalt für die Tochter A in Höhe von 3.094,00 €, für den Sohn B in Höhe von 1.965,00 € sowie von rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 13.751,00 € ohne Bestimmung eines Einsatzzeitpunktes für die Verzinsung bestimmt, wobei sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass sich die Beträge hinsichtlich des Kindesunterhalts auf die Zeit von Februar 2013 bis Januar 2016 beziehen und bezüglich des Trennungsunterhalts auf die Zeit von Februar 2013 bis Dezember 2015.

Bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltsansprüche ist die Vorinstanz von Einkünften des Antragsgegners in Höhe von monatlich 2.849,00 € zzgl. 500,00 € Wohnvorteil für die Nutzung der Wohnung im landwirtschaftlichen Betrieb ausgegangen und hat sie für den vorgenannten Zeitraum hinsichtlich des Kindesunterhalts die Beträge den entsprechenden Altersstufen der jeweils geltenden Düsseldorfer Tabellen entnommen, ausgehend von der Einkommensgruppe 6 mit Herabstufung in die Einkommensgruppe 5 liegen insgesamt drei Unterhaltspflichtige.

Für die Zeit von Februar 2016 bis August 2016 wird in dem Beschluss ausgeführt, dass angesichts des nunmehr praktizierten Wechselmodells und unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkommen der Eltern trotz des Umstandes, dass der Antragstellerin weniger als der angemessene Selbstbehalt von monatlich 1.300,00 € zur Verfügung gestanden habe, jedenfalls keine über das abgegebene Teilanerkenntnis hinausgehenden Zahlungen mehr geschuldet gewesen seien. Bezüglich des Trennungsunterhalts ist das Amtsgericht von den beiderseitigen Einkünften ausgegangen und hat eine Erwerbsobliegenheitsverletzung der Antragstellerin mit der Begründung verneint, dass sie als seinerzeit alleinerziehende Mutter von zwei minderjährigen Kindern nicht gehalten gewesen sei, mehr als halbschichtig zu arbeiten und sich im Übrigen aus der vorgelegten Bescheinigung ergebe, dass ihr Arbeitgeber eine Aufstockung abgelehnt habe, wobei ein Arbeitsplatzwechsel angesichts des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses nicht zumutbar gewesen wäre. Den Verwirkungseinwand hat das Amtsgericht zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, dass das diesbezügliche Vorbringen des Antragsgegners unsubstantiiert sei und sich allein aus einem unstreitigen gemeinsamen Campingurlaub noch keine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung zu § 1579 Nr. 2 BGB ergebe.

Antragsgegner legte Beschwerde ein

Gegen den Beschluss hat der Antragsgegner im Juni 2021 Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 04.08.2021 begründet. Er moniert zum einen, dass das Amtsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Beteiligten das Gutachten vorbehaltlos angenommen hätten und verweist darauf, dass er bereits erstinstanzlich eine Schenkung seines Vaters in Höhe von 10.000,00 € vorgetragen habe und darüber hinaus Wertpapiere mit einem Erlös von 23.898,52 € verkauft worden seien, was beides nicht werterhöhend hätte berücksichtigt werden dürfen, sodass mit monatlich 807,11 € geringeren Einkünften im fraglichen Zeitraum auszugehen sei.

Darüber hinaus wendet sich der Antragsgegner gegen die Zurechnung eines Wohnvorteils, der diese auf der Grundlage der Auslegung des Pachtvertrages durch das Gericht Gegenstand desselben sei und mithin nicht unentgeltlich überlassen werde. Hilfsweise argumentierte der Antragsgegner dahingehend, dass es sich andernfalls um die freiwillige Leistung seiner Eltern handeln würde, die unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden dürfe und er außerdem zusätzliche Leistungen gegenüber seinen Eltern in Form von Beheizung und Zahlung von Nebenkosten für die Gesamtimmobilie erbringe.

Hinsichtlich des Trennungsunterhalts bemängelte der Antragsgegner, dass die Vorinstanz nicht hinreichend gewürdigt habe, dass an dem Campingurlaub im Jahr 2013 auch die gemeinsamen Kinder teilgenommen hätten. Auch habe er vorgetragen, dass der Freund der Antragstellerin seiner Kenntnis nach bereits im August 2014 bei der Antragstellerin eingezogen sei, er spätestens ab diesem Zeitpunkt kein Trennungsunterhalt mehr schulde. Im Übrigen habe die Antragstellerin auch vor dem Hintergrund, dass sie seinerzeit aus der Ehe ausgebrochen sei, spätestens seit Mitte 2013 ihre Arbeit aufstocken müssen, da sich die Situation damit anders darstelle als beim üblichen Trennungsunterhaltsanspruch, bei dem die bestehenden Verhältnisse im Hinblick auf eine mögliche Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft für eine Übergangszeit noch schützenswert seien. Auch genüge die vorgelegte Arbeitgeberbescheinigung nicht aus, da dieser, wie von ihm dargelegt, an anderen Standorten Stellen zur Verfügung gehabt hätte.

OLG Frankfurt – Beschwerde statthaft, aber unbegründet

Das Amtsgericht ist nach den Frankfurter Richtern zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin für die Betreuung der Kinder in der Zeit von Februar 2013 bis Januar 2016 von dem Antragsgegner rückständigen Kindesunterhalt gemäß der §§ 1601 ff. BGB im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach Eintritt des Wechselmodells bezüglich des Sohnes und aus § 398 BGB abgetretenem Recht hinsichtlich der inzwischen volljährigen Tochter verlangen kann. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin dem Grunde nach Trennungsunterhalt aus § 1361 BGB schuldet. Nach dieser Vorschrift kann ein Ehegatte im Falle der Trennung von dem anderen Ehegatten den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen.

Soweit das Amtsgericht den der Höhe nach unstreitigen Wohnvorteil von monatlich 500,00 € in Ansatz gebracht hat, ist dies aus denen dem angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Die amtsgerichtlichen Ausführungen sind entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht in sich widersprüchlich. Vielmehr ist die private Nutzung der Betriebsleiterwohnung durch den Antragsgegner aus unterhaltsrechtlicher Sicht ein ihm zugutekommender geldwerter Vorteil, der in dem Gutachten nicht als solcher berücksichtigt worden ist.

Im Rahmen der durchzuführenden Billigkeitsabwägung erscheint die Versagung weiterer Trennungsunterhaltszahlungen für die Zeit ab April 2015 auch angesichts der beiderseitigen Einkommensverhältnisse angemessen, zumal die Antragstellerin durchweg über eigene Einkünfte oberhalb ihres notwendigen Bedarfs verfügte und sie zudem nunmehr einen leistungsfähigen Partner, der zumindest die hälftigen Mietkosten übernehmen konnte, an ihrer Seite hatte. Der Umstand, dass die Antragstellerin unter Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht eindeutig falschen Vortrag gehalten hat, indem sie schriftsätzlich zunächst angab, erst ab 2017 mit dem Zeugen in einer Beziehung gelebt zu haben, ist ein weiterer Aspekt, der für die Annahme von Unzumutbarkeit weiterer Unterhaltszahlungen ab April 2015 streitet.

Feststeht, dass bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote von seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen ist.

Bei Fragen zum Thema Ehegattenunterhalt und der Frage, wie der Naturalunterhalt hiervon in Abzug zu bringen ist, stehen Ihnen unsere auf das Familienrecht spezialisierten Anwältinnen kompetent zur Verfügung.