Verkehrsrecht – Falle Vorrang „rechts vor links“ auf Baumarktparkplatz

Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Das OLG Frankfurt am Main hat in seiner Entscheidung eine hälftige Haftungsquote für die Unfallfolgen auf einem Parkplatz eines Baumarktes ausgesprochen.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.07.2022, AZ: 17 U 21/22

Hintergrund

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Der Unfall ereignete sich auf dem Parkplatz eines Baumarktes in Wiesbaden. Der Betreiber hatte die Geltung der StVO angeordnet. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse münden von rechts mehrere Fahrgassen ein. Der Beklagte befuhr eine dieser von rechts auf die Ausfahrgasse einmündenden Fahrgassen, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse verfügt im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug.

Hälftige Haftung

Das Landgericht hat der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25 % stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers führte zu einer Abänderung der Haftungsquote auf 50 %. Maßgeblich für die Höhe der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, so der Frankfurter Richter. Die Verursachungsbeiträge der Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge seien hier als gleichgewichtig anzusehen und der durch den Unfall verursachte Schaden zu teilen.

Der Beklagte könne auch nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen wie hier grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine Vorfahrt. Kreuzen sich zwei dem Parkplatz zum Verkehr nicht dienende Fahrgassen eines Parkplatzes, gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das heißt, jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen, so das OLG.

Etwas anderes gilt nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergäbe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könne etwa die Breite der Fahrgasse sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische bauliche Merkmale fehlten hier. Die Fahrgassen dienten ersichtlich nicht dem fließenden Verkehr, da an ihnen jeweils Parkboxen angeordnet worden.

Da es am Straßencharakter auch für die vom Klägerfahrzeug befahrene Fahrgasse fehle, habe der Beklagte auch nicht die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn im Sinne des § 10 StVO erfüllen müssen.

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass bei der Parkplatzsuche erhöhte Vorsicht geboten ist. Soweit Fahrstreifen auf einem Parkplatz vorhanden sind, die der Parkplatzsuche dienen, gilt kein „rechts vor links“.

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