Sportrecht – Olympia in Peking - Skandal beim Skispringen

Wegen eines regelwidrigen Anzugs büßt das deutsche Team seine Medaillenchancen beim neu eingeführten Mixed-Springen ein. Als einziger Favorit war Slowenien am Montag ohne Disqualifikation durch den ersten Durchgang gekommen und führte zur Halbzeit mehr als souverän. Mit 506,4 Punkten lag das Quartett 49 Zähler vor Norwegen. Das ROC lag vor Kanada auf dem Bronze-Rang. Für das deutsche Team hatte der Wettkampf gut begonnen. Katharina Althaus war mit Silber im Einzelspringen bereits auf 104 m gesprungen. Selina Freitag mit 88 m, Konstantin Schmid mit 101 und Karl Geiger mit 101,5 m hatten das Team auf Medaillenkurs gebracht. Doch dann ereilte sie auf Rang zwei in der Wertung liegend die Disqualifikation von Katharina Althaus. Damit fiel Deutschland auf den 9. Rang zurück und verpasste das Finale.

Die Materialkontrolle, die unter der Aufsicht des Finnen Mika Jukkara und der Polin Aga Baczkuwska stand, beanstandete den Anzug von Katharina Althaus, der nicht regelkonform gewesen sein soll. Unter anderem wird bei den Prüfungen darauf geachtet, dass der Abstand zwischen Körper und Stoffhülle an keiner Stelle mehr als 3 cm beträgt. Außerdem wird die Luftdurchlässigkeit untersucht. Damit soll verhindert werden, dass es mithilfe eigenmächtiger Eingriffe am Equipment zu unerlaubten aerodynamischen Vorteilen bei der Luftfahrt kommt.

 

Das deutsche Skisprungteam reagierte erbost auf die Disqualifikation. Stefan Horngacher, der Bundestrainer der Männer, sprach von einem „Kasperletheater“. Er machte den Inspektoren des Internationalen Skiverbands (FIS) Vorwürfe. „Sie fangen jetzt bei der Olympiade an, plötzlich anders zu messen“, sagte Horngacher und verwies darauf, dass es auch im Herrenbereich immer wieder Probleme in diesem Winter gab. Jukkara, einer der Materialkontrolleure, hatte seinen Posten erst im vorigen Herbst angetreten und den langjährigen Ordnungshüter Josef Kratzer aus Österreich abgelöst. „Der neue Kontrolleur hat die Kontrollen extrem verschärft, gefühlt auch sehr verschärft für die deutschen Skispringer“, echauffierte sich Horngacher. Er ließ anklingen, dass er sich Gedanken mache, unter diesen Umständen seine Aufgabe, bei der er vertraglich zunächst noch bis zum Ende dieser Saison an den DSV gebunden ist, überhaupt fortzusetzen. Nicht nur die Deutschen waren sich keines Fehlverhaltens bewusst. Auch die Norweger, Japaner und Österreicher wurden aus dem Mixed-Team-Wettbewerb genommen. Auch bei diesen Teams erwischte es jeweils eine Springerin, die mit ihrem Anzug gegen die Bestimmungen verstoßen haben soll. Dem Vernehmen nach wurde bei allen beanstandet, dass im Schritt der Anzüge die Toleranzgrenze, wie weit sich der Kunststoff dehnen lässt, überschritten worden sei. Horst Hüttel, der Sportdirektor des DSV, sagte, „dass Katharina Althaus selbstverständlich mit dem gleichen Material angetreten sei wie bei ihrem Medaillengewinn, bei dem alles mit rechten Dingen zugegangen sei und unbeanstandet geblieben sei. Hier wurde heute mit anderen Maßstäben kontrolliert, eine andere Erklärung haben wir nicht. Das ist ein totaler Schlamassel. Die Athletinnen so vorzuführen, starker Tobak. Das ist skandalös.“

 

Als Sieger aus dem chaotischen Mixed-Wettbewerb gingen die Slowenen hervor, Platz zwei belegte das Team des Russischen Olympischen Komitees und Bronze holte sich überraschend Kanada.

Hüttel wies darauf hin, „dass 16 Sportler, die sich intensiv auf einen großen Auftritt vorbereitet haben, um den Lohn Ihrer Mühe gebracht worden seien. Die 4 größten Nationen sind ja nicht alle bescheuert und wollen manipulieren. So macht man die Sache ein Stück weit kaputt“. Katharina Althaus berichtete derweil, „sie sei so umfassend durchgecheckt worden wie noch nie. Ungefähr 20 Minuten habe der Check gedauert, für die sie im Alltag während des Weltcups üblicherweise nur einen Bruchteil der Zeit veranschlagen müsse“. Am Montag habe sie den Eindruck gewonnen, „dass solange insistiert wurde, bis etwas gefunden wurde. Sie sei stinksauer und enttäuscht. Es tut richtig weh. Mir tut es für das Team leid, dass mein Name dasteht“, sagte Althaus. Geiger fand, „es handle sich um eine bodenlose Frechheit“.

 

Die Möglichkeit eines gemeinsamen Protests, der vom DSV und dem österreichischen Skiverband ins Auge gefasst worden war, um den für sie als unerträglich empfundenen Urteil zu widersprechen, wurde nach einem Moment der Erörterung ausgeschlagen. Mit dieser durchaus fairen Geste endete eine Erstaufführung des Mixed-Wettbewerbs, die sowohl Gewinner als auch Verlierer teilweise sprachlos zurückließ.