Sittenwidrigkeit eines Unternehmerehevertrages
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss v. 15.3.2017 – XII ZB 109/16 zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen Regelungen im Fall der sog. Unternehmerehe (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13 -, FamRZ 2014, 629 [m. Anm. Bergschneider, S. 727], und Senatsurteil v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10 -, FamRZ 2013, 195 [m. Anm. Bergschneider]) eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg zur Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages gehalten:
In der Sache hat das Oberlandesgericht seine Entscheidung damit begründet, dass der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nach §138 Abs.1 BGB einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhalte. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich aus einer Gesamtschau aller Elemente, die nicht für sich allein, aber in ihrem Zusammentreffen zu einer objektiv unangemessenen Benachteiligung der Ehefrau führten. Der Vertrag enthalte mit Ausnahme des nachehelichen Unterhalts wegen Kinderbetreuung einen Ausschluss aller gesetzlichen Scheidungsfolgen und einen wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht.
Für den Ausschluss sei keine Kompensation vereinbart worden.
Er umfasse insbesondere den Unterhalt wegen Krankheit und wegen Alters und ebenfalls den Versorgungsausgleich als vorweggenommenen Altersunterhalt, die zum Kernbereich des Scheidungsfolgerechts gehörten. Der Ehemann habe ein besonderes Interesse am Abschluss des Ehevertrags gehabt. Im Rahmen der im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Unternehmensumwandlung sei der Ehemann vom Angestellten zum Mitunternehmer geworden. Dies habe seine Mutter vom Abschluss des Ehevertrags abhängig gemacht.
Die Ehefrau sei demgegenüber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht berufstätig gewesen. Sie habe kurz zuvor ihr erstes Kind bekommen und ihre Erwerbstätigkeit in dem Familienunternehmen zu Gunsten der Betreuung der gemeinsamen Tochter faktisch aufgegeben. Wann und in welchem Umfang sie wieder erwerbstätig sein und Versorgungsanwartschaften erwerben würde, sei ungewiss gewesen. Dass die Übertragung der Geschäftsanteile für die Ehefrau während der Ehezeit wegen der Steigerung des Lebens-standards der Familie wirtschaftlich vorteilhaft gewesen sei, sei nicht maßgeblich, weil es für die Beurteilung ausschließlich auf die Verhältnisse nach Rechtskraft der Scheidung ankomme. Neben der für sich genommen nicht ausreichenden objektiven Benachteiligung liege im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch eine subjektive Imparität infolge der Ausnutzung der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau vor.
Diese sei in die Verhandlungen, die dem Abschluss der Verträge vorausgingen, nicht mit eingebunden gewesen.
Diese hätten der Ehemann und seine Verwandten unter sich geführt, ohne die Ehefrau hierin einzubeziehen. Sie habe keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung gehabt und ihr sei vor dem Abschluss des Ehevertrags kein Vertragsentwurf zur Durchsicht und Prüfung zugeleitet worden.
Zum Notartermin sei sie mitgenommen worden mit der Begründung, sie müsse mit. Im Termin sei der Vertrag vor-gelesen worden. Sie habe diesen unterschrieben, ohne den Vertrag zum Durch-lesen in der Hand gehabt zu haben. Die Ehefrau sei gegenüber dem Ehemann in einer unterlegenen Verhandlungsposition gewesen, sie sei in einer lediglich passiven Rolle gewesen. Diese Konstellation habe letztlich auf der wirtschaftlichen und sozialen Überlegenheit des Ehemanns beruht, die dieser bei Vertragsschluss ausgenutzt habe. Beim Notartermin sei das noch nichteinen Monat alte Kind dabei gewesen. Die Ehefrau habe befürchtet, dass das Kind schreien würde, und habe den Beurkundungstermin möglichst schnell hinter sich bringen wollen.
Der Ausschluss des nachehelichen Unterhalts, des Versorgungs- und Zugewinnausgleichs sei wegen Nichtigkeit des gesamten Ehevertrags daher unwirksam. Den Unterhaltsanspruch nach §1572 Nr.1 BGB hat das Oberlandesgericht nach dem konkreten Bedarf und unter Berücksichtigung eigener Einkünfte der Ehefrau mit monatlich 2.155,00 € bzw. ab 1. Januar 2015 2.150,00 € (1.704,00 € Elementarunterhalt und 451,00 € bzw. ab 1. Januar 2015 446,00 € Altersvorsorgeunterhalt) bemessen. Es hat den Unterhalt für den Zeitraum von sechs Jahren nach Rechtskraft der Scheidung in voller Höhe zugesprochen. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2020 hat es den Unterhalt gemäß §1578b Abs.1 BGB auf einen Betrag von monatlich 458,00 € herabgesetzt, den es nach einem angemessenen Bedarf in Höhe des sogenannten Ehegattenselbstbehalts abzüglich des Eigeneinkommens der Ehefrau ermittelt hat.
An die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ihres Ehevertrages knüpfen weitreichende Folgen, nicht nur im Rahmen einer Unternehmerscheidung.
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Rechtsanwältin Martina Hunneshagen
Fachanwältin für Familienrecht