Sensations- Urteil des EuGH- Widerrufsmöglichkeit für Verbraucherkredite

Der EuGH erklärte gestern sogenannte Widerrufsinformationen in bestimmten Kreditverträgen für unvereinbar mit deutschem Recht. Die Folge? Zahlreiche Kreditverträge, egal ob Fahrzeugfinanzierung oder Immobilienfinanzierung sind voraussichtlich widerrufbar.

Mit seinem gestrigen Urteil bringt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) das gesamte deutsche Verbraucherrecht ins Wanken. Millionen deutscher Verbraucher, die eine Immobilie, ein Fahrzeug oder einen Fernseher finanzierten, haben nun gute Chancen den Vertrag widerrufen zu können.

Um was geht es?

Hintergrund ist der Streit zwischen einem Hauseigentümer und seiner Sparkasse um den Widerruf seines Immobilienkreditvertrages. Dieser enthält nach Ansicht des 42 -jährigen Mannes aus dem Saarland rechtswidrige Klauseln. Das angerufene Landgericht Saarbrücken setzte den Streit aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Vertragsklauseln mit der europäischen Verbraucherkreditlinie vereinbar seien.
Der EuGH gab dem Kläger jetzt Recht und erklärte die sogenannte Widerrufsinformation in dem Vertrag für unvereinbar mit europäischem Recht.

Demnach stellt der Gerichtshof mit seinem Urteil fest, „dass die Richtlinie, die darauf abzielt, allen Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten, dahin auszulegen ist, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Außerdem steht die Richtlinie dem entgegen, dass ein kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaats verweist. Im Fall einer solchen Kaskadenverweisung kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags nämlich weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat“.

Zahlreiche Verträge sind widerrufbar

Diese Widerrufsklausel findet sich in nahezu allen Verbraucherkreditverträgen, die seit Juni 2010 abgeschlossen wurden. In ihr wird für den Beginn der Widerrufsfrist auf § 492 Absatz 2 BGB verwiesen. Der verweist seinerseits wieder auf etliche andere Paragraphen. Diese Kette an Paragraphen nennt sich Kaskadenverweis. Ein solcher ist nicht transparent genug, da der Verbraucher insbesondere den Umfang seiner vertraglichen Pflichten nicht abschätzen kann. Damit widerspricht der EuGH der bankenfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser entschied im November 2016, dass die von vielen Banken und Leasinggebern verwendete Widerrufsbelehrung zulässig ist, solange diese „klar und verständlich“ ist.

Die Klausel befindet sich nahezu in allen allgemeinen Konsumentenkreditverträgen oder Darlehen, die seit Juni 2010 abgeschlossen wurden. Es sind daher fast 20 Millionen Autokredit- und Leasingverträge betroffen.

Immobilienkreditverträge

Bei den Immobilienkreditverträgen wurde in der Regel ab 2016 eine andere Widerrufsformulierung verwendet. Daher sind oft Verträge betroffen, die zwischen Juni 2010 und März 2016 abgeschlossen wurden. Gerade aber bei älteren Verträgen kann ein Widerruf interessant sein. Einst teure Baukredite kosten heute anstatt 3,6 Prozent nur noch 0,8 Prozent. Über die Jahre macht das für Verbraucher einen Unterschied von etlichen Tausend Euro Zinsen.

Autokredit- und Leasingverträge/ neue Chance im Abgasskandal

Durch diesen neuen Widerrufsjoker ist bei Autokredit- und Leasingverträgen die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung aller bereits gezahlten Raten möglich. Das ist insbesondere bei Fahrzeugen, die vom Abgasskandal betroffen sind, interessant.

Wandel in der Rechtsprechung

Die Entscheidung des EuGH dürfte nahezu die gesamte Rechtsprechung zum Verbraucherkredit ändern. Verbraucher, die sich bisher scheuten ihren Kreditvertrag zu widerrufen, eröffnet dies ganze andere Möglichkeiten. Zwar könnte es auch sein, dass Banken und Kreditinstitute sich weiterhin auf die Rechtsprechung des BGH berufen und es auf eine Klage ankommen lassen. Dann steigen aber die Chancen für einen außergerichtlichen Vergleich.

Sie wollen Ihr Widerrufsrecht prüfen? Dann melden Sie sich bei uns, denn bevor Sie den Widerruf erklären, sollten Sie sich über die Chancen und Risiken in Ihrem individuellen Fall beraten lassen. Wir bieten Ihnen während der Coronakrise unsere Beratungsleistung selbstverständlich auch telefonisch an und stimmen die Kosten im Vorfeld mit Ihnen ab.