Schadensrecht - Ladekosten für einen Tesla als Schaden

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (vgl. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB). Ob dabei fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abgerechnet wird, betrifft lediglich die Art der Schadensberechnung. Die unterschiedlichen Abrechnungsdaten dürfen aber nicht miteinander vermengt werden.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2022 – 1 U 109/21

Hintergrund

Die Klägerin nahm den Beklagten auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 02.10.2020 auf der A12 in den Niederlanden in Höhe der Auffahrt Duifen in Anspruch, bei dem der Beklagte zu 1.) mit seinem bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversicherten PKW Mercedes auf den PKW Tesla S 100 der Klägerin auffuhr. Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig. Die Beklagte zu 2.) regulierte den wirtschaftlichen Totalschaden an dem am 28.01.2019 als Neufahrzeug auf die Klägerin zugelassenen PKW mit einer Gesamtfahrleistung von 42.045 km zum Unfallzeitpunkt auf der Grundlage eines von der Klägerin eingeholten Schadengutachtens des Sachverständigenbüros F.

Das Elektrofahrzeug der Klägerin verfügte Fahrzeug, nicht personenbezogen über eine zeitlich unbegrenzte kostenfreie Lademöglichkeit an Tankstellen des sogenannten Supercharger-Netzwerkes. Obgleich diverse gebrauchte Ersatzfahrzeuge mit entsprechender kostenfreier Lademöglichkeit auf dem Gebrauchtwagenmarkt angeboten wurden, zog die Klägerin es in der Folgezeit vor, sich ein neues Teslamodell S zu einem nicht näher mitgeteilten Kaufpreis zu beschaffen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.10.2020 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2.) weiteren nachfolgend klageweise verfolgten Schadensersatz aufgrund der nunmehr fehlenden kostenfreien Auflademöglichkeit geltend. Die Klägerin hat geltend gemacht, durch die fehlende kostenfreie Lademöglichkeit am jetzigen Ersatzfahrzeug seien ihr den Monaten Oktober bis Dezember 2020 bezifferte Schäden in Höhe von 289,54 € (monatlich 4,67 Vorladungen bei einer Ladekapazität 100 kW, einem netto Strompreis von 0,31 kW/h und einer Quote von 2/3 an kostenfreien Ladungen im Netzwerk) entstanden. Überdies müssten sie die Beklagten bei Annahme einer Mindestlebensdauer des Fahrzeugs von zwölf Jahren bis zum 28.01.2031 entsprechend mit einem für den Zeitraum der Höhe nach noch nicht feststehenden Strompreis für jährlich 3.736 kW entschädigen. Der Erwerb eines typengleichen Gebrauchtfahrzeugs mit kostenfreier Supercharger-Funktion sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil Sie das verunfallte Fahrzeug als Neufahrzeug ständig in ihrem Besitz gehabt habe und der Erwerb eines Gebrauchtfahrtzeugs für sie als technischer Laie mit Risiken verbunden sei.

Die Beklagten haben sämtliche Angaben der Klägerin zu der angeblichen Fahrzeugnutzung mit Nichtwissen bestritten und überdies eingewandt, die Klägerin hätte sich als Ersatz ein entsprechendes gebrauchtes Modell mit kostenfreier Lademöglichkeit anschaffen können. Sie haben die Auffassung vertreten, der Klägerin sei kein erstattungsfähiger Schaden entstanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die Klägerin wäre nach eigenen Angaben und auch nach dem Inhalt des vorgelegten Privatgutachtens ein typengleiches Fahrzeug des Herstellers Tesla erwerbbar gewesen, das ebenfalls über Freibetankung mit Elektrizität verfügt hätte, da diese Freibetankung an das Fahrzeug, nicht an den Käufer gekoppelt sei.

Die Berufung zum OLG Düsseldorf ist unbegründet.

Die alleinige Haftung der Beklagten auf Schadensersatz für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 02.10.2020 nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG; 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VG steht dem Grunde nach außer Streit. Die Beklagte zu 2.) hatte bereits vorprozessual eine Regulierung vorgenommen.

Wenngleich sich indes nicht nur die Frage der Haftungsquote, sondern auch die Haftungsfolgen aus einem Verkehrsunfall grundsätzlich nach dem Recht desjenigen Staates richten, in dem sich der Unfall (Tatortrecht) ereignete, gilt Abweichendes, wenn Anspruchsteller und Anspruchsgegner ihren jeweiligen Wohnsitz, wie hier, im gleichen Staat haben.

Zu Recht hat das Landgericht auf dieser Grundlage auch einen weiteren Schaden der Klägerin in Gestalt eines Verlustes der kostenfreien Lademöglichkeit als nicht schlüssig dargelegt angesehen. Die Klägerin ist nicht berechtigt, neben der fiktiven Geltendmachung ihres Schadens nach dem Wiederanschaffungsaufwand nach Gutachten sowie weitere konkrete Schäden in Form von Kosten der zukünftigen Ladung des Fahrzeugs geltend zu machen. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Ob dabei fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abgerechnet wird, betrifft lediglich die Art der Schadensberechnung. Die unterschiedlichen Abrechnungsarten dürfen aber nicht miteinander vermengt werden.

So ist insbesondere eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung unzulässig. Hierdurch soll nicht nur verhindert werden, dass sich der Geschädigte unter Missachtung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart aussucht (Rosinenpicken), sondern auch den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden.

Das Landgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin in unzulässiger Weise eine Kombination beider Vorteile aus fiktiver und konkreter Schadensabrechnung geltend macht. Entgegen dem Berufungsvorbringen handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um eine fiktive Abrechnung, soweit die Klägerin auf der Grundlage des von ihr eingeholten Gutachtens, das einen wirtschaftlichen Totalschaden ausweist, den Wiederbeschaffungsaufwand fiktiv abrechnet.

Ansprüche neben bzw. über den Wiederbeschaffungsaufwand hinaus bestehen auch aus anderen Gründen nicht. Ist eine Reparatur wirtschaftlich ausgeschlossen, sei es, weil die 130 % Grenze überschritten ist, sei es, weil der Reparaturaufwand darunter liegt, der Geschädigte einen Integritätszuschlag aber nicht in Anspruch nimmt, kann der Geschädigte grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Kosten einer Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des objektiv erforderlichen Wiederbeschaffungswerts unter Abzug des Restwerts ersetzt verlangen.

Bei Beschädigungen von Gebrauchtfahrzeugen hat der Geschädigte Anspruch auf Beschaffung einer gleichwertigen und gleichartigen Sache; völlige Identität zwischen verunfalltem und Ersatzfahrzeug muss wirtschaftlich aber nicht hergestellt werden. Ein Anspruch auf ein Neufahrzeug als Ersatz bestand offensichtlich nicht.

In unserer auf das zivilrechtliche Schadensersatzrecht spezialisierten Kanzlei stehen Ihnen unsere Anwälte bei sämtlichen Fragen zur Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. zur Abwehr von Schadensersatzforderungen kompetent zur Verfügung.