OLG Hamm zur Sittenwidrigkeit eines Erbverzichts (Urteil vom 08.11.2016 - 10 U 36/15)
Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung eines Vaters gegen ein Urteil des Landgerichts Detmold zurückgewiesen, das einen Erbverzicht seines Sohnes als sittenwidrig und damit nichtig erklärt hatte. Der Fall drehte sich um einen Vertrag, in dem der Sohn auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete. Dieser Verzicht sollte im Gegenzug zu einem Luxussportwagen erfolgen, den der Sohn jedoch nur unter strengen Bedingungen erhalten hätte.
Hintergrund des Falls
Der Kläger, Sohn des Beklagten, hatte nach seinem 18. Geburtstag einen notariellen Vertrag unterschrieben, in dem er auf sein Erbe verzichtete. Der Vater hatte ihm als Gegenleistung einen Sportwagen in Aussicht gestellt, den dieser jedoch nur erhalten hätte, wenn er bestimmte, anspruchsvolle Bedingungen erfüllte. Diese Bedingungen umfassten unter anderem das Bestehen der Gesellen- und Meisterprüfung zum Zahntechniker mit Bestnote.
Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Detmold hatte den Vertrag als sittenwidrig eingestuft. Es stellte fest, dass der Vertrag ein erhebliches Ungleichgewicht zulasten des Sohnes aufwies. Besonders kritisch sah das Gericht die Tatsache, dass der Verzicht auf das Erbe sofort wirksam wurde, während die Gegenleistung – der Sportwagen – an nahezu unerfüllbare Bedingungen geknüpft war. Der Kläger hatte nach der Unterzeichnung des Vertrags in einem Gespräch mit seiner Mutter den Vertrag schnell bereut und juristische Schritte eingeleitet, um dessen Nichtigkeit feststellen zu lassen.
Gründe für die Sittenwidrigkeit
Das Gericht urteilte, dass der Vater die Unerfahrenheit seines Sohnes und dessen Begeisterung für den Sportwagen bewusst ausnutzte. Die Bedingungen, die an den Erhalt des Wagens geknüpft waren, schränkten den Sohn in seiner beruflichen Freiheit erheblich ein und setzten ihn unter unnötigen Druck. Zudem hatte der Vater den Sohn bei der Vertragsunterzeichnung unter Zeitdruck gesetzt und ihm keine ausreichende Möglichkeit gegeben, den Vertrag zu verstehen oder sich rechtlich beraten zu lassen.
Fazit
Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung des Vaters ab. Der Vertrag wurde als sittenwidrig und damit als unwirksam gewertet, wodurch der Sohn sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht behält. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer fairen und ausgewogenen Vertragsgestaltung, insbesondere wenn es um Erb- und Pflichtteilsverzichte geht.
Wenn Sie einen Pflichtteilsverzicht in Betracht ziehen oder anbieten, sollten Sie sicherstellen, dass die Vereinbarung ausgewogen und fair ist. Andernfalls könnte der Vertrag später angefochten werden. Eine gründliche rechtliche Prüfung ist daher unerlässlich.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht