Arbeitsvertragsrecht - notwendige Herausnahme der Vorsatzhaftung in Verfallklauseln-Rechtsprechungsänderung des BAG

Eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel ist nach § 134 BGB insgesamt nichtig, wenn Sie Haftungsansprüche wegen Vorsatzes gemäß § 202 Abs. 1 BGB nicht explizit von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt.

 

Auch der Arbeitgeber als Verwender einer solchen Klausel muss diese trotz der Grundsätze der Personalmorgen Teilunwirksamkeit von AGB nicht gegen sich gelten lassen

 

BAG, Urteil vom 26.11.2020 – 8 AZR 58/20

Hintergrund

In dem vom BAG zu entscheidenden Fall war die beklagte Arbeitnehmerin als kaufmännische Angestellte bei der Klägerin beschäftigt, die einen Heizung und Sanitärbetrieb führt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Verfallklausel, wonach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen sind. Die Beklagte arbeitete überwiegend in der Buchhaltung. Gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann, der Kommanditist bei der Klägerin sowie bei einem anderen Unternehmen war, beglich die Beklagte mit Firmengeldern mehrere eigene Verbindlichkeiten in einem Gesamtvolumen von etwa € 230.000,00, indem sie fiktive Rechnungen der beiden Unternehmen verbuchten, für die der Ehemann tätig war. Als dies ans Licht kam, kündigte die Klägerin der Beklagten und verlangte im anschließenden Kündigungsschutzprozess im Wege der Widerklage etwa hälftigen Schadensersatz, den sie bisher nicht seitens des ehemaligen Ehemanns erhalten konnte. Darin enthalten waren auch abgetretene Ansprüche des anderen Unternehmens. Die Vorinstanzen entsprachen der Widerklage in Höhe von etwa € 101.000,00.

 

BAG: Auslegung der Ausschlussklausel

Das BAG gab der Revision der Beklagten statt. Zunächst könne nämlich anhand der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob und inwieweit die Widerklage begründet ist, da das LAG rechtsfehlerhaft nicht geprüft habe, ob die aus abgetretenem Recht geltend gemachten Ansprüche dienen aus der zugrunde liegenden Vereinbarung entsprechen. Auch stehe den geltend gemachten Ansprüchen die vorliegende Ausschlussklausel nicht entgegen, da diese keine aus dem Arbeitsverhältnis wäre. Des Weiteren scheitere ein Verfall daran, dass die Klausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei und daher gemäß § 306 Abs. 1 BGB entfalle. In der vorangegangenen Rechtsprechung Endschieden die Erfurter Richter noch, dass anhand einer am Sinn und zweckorientierten Auslegung im Hinblick auf die klare Gesetzeslage nach § 202 Abs. 1 BGB regelmäßig davon auszugehen sei, dass die Vertragspartner in Ausschlussklauseln keine Fälle erfassen wollen, die gesetzlich nicht zu ihrer Disposition stehen. Hieran hält der Senat nicht mehr fest: Sofern eine Ausschlussklausel anordnen, dass ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, sein davon sämtliche Ansprüche umfasst, welche die Arbeitsvertragsparteien potentiell gegeneinander haben. Umfasst sind also auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen und vorsätzlicher unerlaubter Handlungen. Entgegen dem klaren Wortlaut einer solchen pauschalen Klausel könne gerade nicht unterstellt werden, dass die Parteien solche Ansprüche nicht einbeziehen wollten, da dies sonst auch bezüglich anderer Verbotsnormen gelte. Irrelevant sei dabei, dass es sich bei Haftungsansprüchen wegen Vorsatzes im Arbeitsverhältnis um ungewöhnliche Fälle handele. Eine andere Auslegung scheidet zudem aus, weil sie eine geltungserhaltende Reduktion bedingen würde, die im AGB-Recht nicht vorgesehen ist. Dennoch müsse die Klägerin die Klausel jedoch nicht nach den Grundsätzen der personalen Teilunwirksamkeit von AGB gegen sich gelten lassen, wonach der Verwender nicht vor von ihm selbst eingeführten, unangemessenen benachteiligenden Bestimmungen geschützt wird. Dieses Prinzip finde keine Anwendung, wenn eine Klausel nichtig ist.

 

Fazit

In arbeitsvertraglichen Verfallklauseln sind nunmehr nicht nur Mindestlohnansprüche explizit von deren Anwendungsbereich auszunehmen, sondern auch solche zur Vorsatzhaftung laut dem Neunten Senat des BAG reicht hierzu eine allgemeine Formulierung, etwa, dass „die kraft Gesetzes einer Ausschlussfrist entzogenen Ansprüche nicht erfasst werden.“. Allerdings empfiehlt es sich eine beispielhafte Aufzählung, welche Anspruchstypen gemeint sind in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Bei sämtlichen Fragen rund um die Gestaltung von Arbeitsverträgen insbesondere zur Wirksamkeit etwaiger Verfallklauseln stehen wir Ihnen in unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei kompetent zur Verfügung