Manuel Ast ist seit 14 Jahren Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht und als Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Engelmann Eismann Ast tätig. Er befasst sich überwiegend mit dem Bereich Sanierung und Insolvenz. Dabei ist er zum einen als gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter, zum anderen als beauftragter Rechtsanwalt mit der Begleitung von in der Krise befindlichen Unternehmen und Unternehmern betraut – so auch häufig mit Arztpraxen in der Krise.

Was sind aus Ihrer Erfahrung die häufigsten Grunde, weshalb eine Arztpraxis in Schieflage gerät?

Bei den Krisenursachen für Arztpraxen würde ich zwischen endogenen und exogenen Insolvenzursachen differenzieren. Zu den häufigsten endogenen Krisenursachen zählen Krankheit, Missmanagement sowie fehlendes betriebswirtschaftliches Verständnis. Gerade im Bereich der Arztpraxen ist es häufig so, dass die hochqualifizierten Mediziner zwar Spezialisten ihres Fachbereiches sind, den für die Unternehmereigenschaft aber ebenso wichtigen betriebswirtschaftlichen Bereich oft vernachlässigen bzw. nicht genau genug im Blick haben. Im Rahmen der exogenen Ursachen können insbesondere tiefgreifende Änderungen im Honorarsystem der Krankenkassen sowie zu starke Abhängigkeiten von einzelnen lokalen Zuweisern
benannt werden, deren Wegfall sich dann tiefgreifend auf die Einnahmesituation der
Praxis auswirkt. Es ist selten, dass eine Insolvenzursache allein die Krise bedingt. Meist wirken mehrere Faktoren multikausal zusammen und münden dann in einen Liquiditätsengpass, den es frühzeitig zu erkennen und zu überwinden gilt. Eine „Vogel-Strauß“-Mentalität ist in der Krise zwar menschlich nachvollziehbar, führt aber stets zu einer Vertiefung und Verkomplizierung der wirtschaftlichen Schieflage.

Welche Tipps und Handlungsempfehlungen geben Sie Praxen, die erste Alarmzeichen der Stufe „gelb“ aufweisen und wie können Ärzte rechtzeitig Gefahren erkennen?

Grundsätzlich rate ich jedem Unternehmer und damit auch Ärzten dazu, die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ihrer Praxis im Blick zu haben und mit deren Ergebnis sich selbst gegenüber offen umzugehen. Dabei ist darauf zu achten, dass durch die meist beteiligten Steuerberater den Ärzten auch aktuelle Kennzahlen zur Verfügung gestellt werden. Sobald sich im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eine Krise abzeichnet, sollte schnell qualifizierter Rat eines externen Beraters eingeholt werden. Ich erachte eine objektive, umfassende und ehrliche Sicht auf die Situation als wesentliche Ausgangslage für eine mögliche Sanierung. Von dieser Situationsaufnahme ausgehend sollte dann eine Weichenstellung dahingehend erfolgen, ob eine Sanierung der Praxis außerhalb eines Insolvenzverfahrens oder im Insolvenzverfahren indiziert ist. Dabei ist es meiner Erfahrung nach wichtig, insbesondere auch mit einem Insolvenzszenario vorbehaltlos umzugehen. Die Insolvenz ist in Deutschland zu Unrecht stigmatisiert.

Unter welchen Voraussetzungen raten Sie zu einer „Selbstheilung“ durch Eigensanierungsmaßnahmen und wann ist eine Insolvenz angezeigt?

Die Entscheidung zwischen diesen beiden Handlungsalternativen ist auf den jeweils vorliegenden Fall maßgeschneidert zu treffen. Es gibt jedoch klare Voraussetzungen, die in die eine oder die andere Richtung führen. So können bspw. nicht lösbare steuerliche Probleme wie nicht privilegierte Sanierungsgewinne in erheblicher Höhe bei Schuldenschnitt der Gläubiger oder ein in Folge erheblichen Abfindungsrisikos nicht bezahlbarer aber gleichwohl nötiger Personalabbau oder das Bestehen zu vieler ungünstiger Dauerschuldverhältnisse sowie eine ungünstige Gläubigerstruktur einem geordneten Insolvenzverfahren den eindeutigen strategischen Vorzug geben. Hier kann durch die Zäsurwirkung der Insolvenzeröffnung ein klarer Schnitt bewirkt werden, der dazu führt, dass tatsächlich nur der gesunde Kern der Unternehmung herausgeschält und – ggf. im Rahmen einer sog. übertragenden Sanierung auf einen Investor – fortgeführt wird. Selbstverständlich sind auch Sanierungsmaßnahmen im engeren Sinne miteinander kombinierbar. Eine Selbstheilung durch Eigensanierung ist aus meiner Sicht dann angezeigt, wenn durch schlüssige Sanierungsmaßnahmen die wesentlichen endogenen und exogenen Krisenursachen beseitigt werden können und die Gläubigerstruktur bei transparenter konstruktiver Verhandlung auf der Basis eines Insolvenzszenarios als negative Vergleichsalternative einen Schuldenschnitt bzw. konstruktive Gläubigerbeiträge ermöglicht.

Welche speziellen Sonderfragen treten bei der Insolvenz von Ärzten im Vergleich zu anderen Freiberuflern in der Beratung hauptsächlich auf?

Die Krise von Ärzten ist oft von komplexen medizinrechtlichen Fragestellungen und spezifischen Besonderheiten, die der Betrieb einer Arztpraxis in der jeweiligen Fachrichtung mit sich bringt, überlagert. Ich beobachte häufig, dass von Krisen
betroffene Ärzte sich zu lange schuldnergeknebelt durch die Krise bewegen, wobei sie sich auch in die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen begeben. Sie verkennen dabei oft, dass es auf sie als die zentrale Figur der Unternehmung meist wesentlich ankommt, was Vergleichsmöglichkeiten in Richtung der Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens bzw. im Insolvenzverfahren durch Insolvenzplanlösungen möglich macht. Der nicht selten wesentliche Vermögensgegenstand, die kassenärztliche Zulassung und damit Möglichkeit der Umsatz- und Gewinnerzielung in der gefundenen Marktposition, ist gerade dem Insolvenzbeschlag nicht unterworfen. Damit haben die Ärzte einen erheblichen Vorteil, den sie mit dem Ziel ihrer
Entschuldung nutzen können.