Gesellschaftsrecht – OLG München zum Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nach Verschmelzung

Für ein Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund nach einer Verschmelzung bedarf es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Leistung durch den übernehmenden Rechtsträge unzumutbar machen. An diese Umstände sind aber keine hohen Anforderungen zu stellen. (OLG München, Urteil vom 29.08.2022 – 33 U 4846/21)

Sachverhalt

In der Angelegenheit stritten die Parteien über Vergütungsansprüche. Die Beklagte hatte mit einer GmbH einen Beratungsvertrag sowie einen Vertrag über die Erstellung einer Interessenanalyse für ein Fitnessstudio geschlossen. Die beratende GmbH wurde sodann auf eine andere GmbH, die Klägerin, verschmolzen. In der Folge erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung der beiden Verträge. Sie begründete die Kündigung zum einen mit ihrem Wunsch, von einer Boutique-Kanzlei betreut zu werden, der nach der Verschmelzung auf eine deutlich größere Einheit nicht mehr habe erfüllt werden können, zum anderen sei Grundvoraussetzung der Vertragsunterzeichnung vor allem der Gebietsschutz hinsichtlich konkurrierender Fitnessstudios eines anderen Unternehmens gewesen, das zwischenzeitlich ebenfalls auf die Klägerin verschmolzen worden war. Da sie nicht mit diesem Unternehmen zu tun haben wollte, habe sie gekündigt. Die Klägerin hielt die Kündigung für unwirksam und erhob Klage auf Zahlung der Vergütung bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Das OLG wies die Klage ab, da es die Kündigung für wirksam hielt.

Hintergrund

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Umwandlungsgesetz führt eine Verschmelzung zur Gesamtrechtsnachfolge, das bedeutet, dass alle Rechten und Pflichten der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergehen. Durch die Verschmelzung wurde die Klägerin entsprechend neue Vertragspartnerin der Beklagten. Gemäß § 314 Abs. 1 BGB können Dauerschuldverhältnisse ganz generell aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne dass dies im Vertrag geregelt werden müsste, gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Ablegung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann. Das OLG stellte zunächst fest, dass die Verschmelzung als solches keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt. Die von der Beklagten angegeben Gründe betrachtete das OLG allerdings als ausreichend für eine außerordentliche Kündigung. Die Folge der Verschmelzung, der Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten des übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, stellt einen Eingriff des Gesetzgebers in die Vertragsfreiheit dar. Vor diesem Hintergrund sind an das Vorliegen eines wichtigen Grundes keine hohen Anforderungen zu stellen. Ausreichend ist, wenn der Vertragspartner aufgrund der mit der Verschmelzung verbundenen Umstrukturierung mit konkreten nachteiligen Änderungen in der Zusammenarbeit rechnen muss, die nicht ganz unerheblich sind. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Ziele des Vertragspartners, die er mit dem Dauerschuldverhältnis verfolgte, aufgrund der Verschmelzung nicht mehr realisierbar sind. Die unternehmerische Bewertung, ob solche nachteiligen Änderungen zu erwarten sind, unterliegt nicht der gerichtlichen Überprüfung, sofern sie sich nicht als offensichtlich willkürlich darstellt.

Fazit

Bei einer Verschmelzung ist zu beachten, dass diese zur Gesamtrechtsnachfolge führt. Dies bedeutet, dass alle Vertragsbeziehungen zunächst einmal übergehen. Dauerschuldverhältnisse können jedoch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

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