Gesellschaftsrecht - Einziehung Geschäftsanteil - OLG Brandenburg zur Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses eines Gesellschaftsanteils eines Gesellschafters

Hintergrund

Der Kläger und F. waren ausweislich der Gesellschafterliste zu gleichen Teilen als Gesellschafter der Beklagten eingetragen. Zwischen den Gesellschaftern besteht jedenfalls seit Ende 2017 Streit, der in diversen einstweiligen Verfügungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen ausgetragen wurde und wird. So erhob F. Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlungen vom 26.02.2018 und 01.03.2018, mit denen ihm sein Geschäftsanteil entzogen wurde, er als Geschäftsführer abberufen und der hiesige Kläger zum Geschäftsführer berufen wurde, der rechtskräftig stattgegeben wurde.

Die in jenem Verfahren von F. überdies erhobene allgemeine Feststellungsklage gerichtet darauf festzustellen, dass der Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des hiesigen Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, ist in der Berufungsinstanz ohne Erfolg geblieben, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH anhängig.

Im Nachgang zu der vorgenannten Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 reichte F. am 19.06.2018 eine neue Gesellschafterliste ein, die nur noch ihn als Gesellschafter ausweist und am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellt wurde. Mit seiner am 18.06.2018 eingegangenen und am 19.07.2018 zugestellten Klage wendet sich der Kläger unter anderem gegen diese außerordentliche Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Beschlüsse, mit denen sein Geschäftsanteil eingezogen und das Steuerbüro X Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 und entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle beauftragt wurde.

Er machte im Wesentlichen geltend, beide Beschlüsse seien unwirksam, da sie infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden seien. Die Beschlüsse seien überdies deshalb nichtig, jedenfalls anfechtbar, da F. die Ladungsberechtigung gefehlt habe und die Gesellschafterversammlung an einem untauglichen Ort, nämlich unstreitig im Keller des Privathauses des Mitgesellschafters und in Anwesenheit von vier weiteren Personen stattgefunden hat.

Der Kläger vertrat die Auffassung, bei einer Zwei-Personen-GmbH seien wechselseitige Einziehungsanträge unzulässig, in einem solchen Fall sei eine Auflösungsklage geboten. Ein wichtiger Grund für die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft sei nicht vorgetragen. Jedenfalls seien F. selbst seine Ausschließung rechtfertigende Pflichtverletzungen vorzuwerfen mit der Folge, dass er die Ausschließung des Klägers nicht verlangen können. Der Einziehungsbeschluss sei nichtig, da die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Lage gewesen sei, die nach § 14 des Gesellschaftsvertrages geschuldete Einziehungsvergütung, die mit mindestens dem von dem Beklagten ermittelten Betrag von € 189.476,79 anzusetzen sei, nicht aus ihrem freien Vermögen habe bezahlen können; dies ergebe sich etwa aus denen eine bilanzielle Überschuldung ausweisenden veröffentlichten Jahresabschlüssen der Beklagten für 2017 und 2018.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.09.2021 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klageantrag zu 1.) sei nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Die vorliegende Nichtigkeits- und Anfechtungsklage habe einen anderen Streitgegenstand als die zum Aktenzeichen 52 O 75/18 (4 U 134/20 des brandenburgischen Oberlandesgerichts, II ZR 102/21) mit Klageantrag zu 3.).

Die erhobene Klage betreffe zudem andere Parteien. Der Antrag zu 1). sei auch begründet. Der Kläger sei anfechtungsbefugt, denn er sei zur Zeit der Beschlussfassung in der Gesellschafterliste eingetragen gewesenen und gelte damit gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Beklagten als deren Gesellschafter. Der Beschluss zu TOP 1 der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, da die Beklagte die nach § 4 des Gesellschaftervertrages geschuldete Einziehungsvergütung zur Zeit der Beschlussfassung nicht aus freiem Vermögen habe bezahlen können. Der Kläger hatte sich in Bezug auf die Einziehungsvergütung im Termin vom 27.08.2021 den Vortrag der Beklagten zu der als Anlage B 8 vorgelegten Unternehmensbewertung zu Eigen gemacht und deren Höhe mit mindestens dem darin ermittelten Betrag von € 189.476,79 angegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der inzwischen durch R. als Geschäftsführer vertretenen Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter verfolgt.

Die Beklagte rügt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe den zu der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbs angebotenen Beweis erheben müssen, denn die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG und damit die Klagebefugnis des Klägers fehle, wenn ausnahmsweise ein Widerspruch zur materiellen Rechtslage vor liege.

Der zu TOP 1 gefasste Beschluss sei aber auch nicht nichtig. Der Kläger hat sich entgegen der Sichtweise des Landgerichts den Beklagtenvortrag zur Unternehmensbewertung nicht zu Eigen gemacht. Die Kennzahlen aus den Bilanzen für 2017 und 2018 seien überdies nicht geeignet, die Finanzkraft der Beklagten zu belegen oder zu verneinen, denn das Limit des von F. gewährten Gesellschafterdarlehens in Höhe von € 500.000,00 sei noch nicht ausgeschöpft gewesen. Auch liege ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klageanträge zu 2.) und 3.) nicht vor. Die Berufung ist zulässig und das Berufungsverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten unterbrochen worden. Das Rechtsmittel hat allerdings nur in Bezug auf den Klageantrag zu 3.) Erfolg.

So ist die Berufung der Beklagten aus den nachfolgenden, vom Senat bereits im Termin umfassend erörterten Gründen nur insoweit erfolgreich, als sie sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des die Beauftragung des Steuerbüros X Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 / 2016 / 2017 und entsprechende Buchungen der Geschäftsvorfälle betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 wendet.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, wobei der Tenor des Landgerichts klarstellend dahingehend zu berichtigen ist, dass der Beschluss zu TOP 1 nicht für nichtig erklärt wird, sondern seine Nichtigkeit festgestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18 – Rn. 20 ff.)

Der Erwerb des Geschäftsanteils durch den Kläger ist auch nicht sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig. Das Vorbringen des notariellen Anteilskaufvertrages vom 28.09.2012 als Ausnutzung einer Zwangslage des F. erfolgt anzusehen, noch begründet ist im Vorwurf der Sittenwidrigkeit wegen eines besonders groben Missverhältnisses der Leistungen. Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung, der Wert des Gesellschaftsanteils habe mehr als das Doppelte des Kaufpreises betragen, ist vom Kläger unmissverständlich bestritten worden und überdies als offensichtlich bloße Behauptung ins Blaue hinein und unbeachtlich.

Die Beklagte zieht offenbar einen Vergleich zwischen dem Kaufpreis für den Geschäftsanteil und dem Wert des Betriebsgrundstücks, für das seinerzeit ein vermeintliches Kaufangebot über € 500.000,00 existiert habe; es liegt auf der Hand, dass der Wert des Geschäftsanteils an einer Gesellschaft mit dem Wert des von dieser innegehaltenen Grundstücks nicht gleichzusetzen ist. Irgendwelche tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein auch nur höherer Verkehrswert als der in den notariellen Anteilskaufvertrag vom 28.09.2012 vereinbarte Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil ableiten ließe, sind erst- und zweitinstanzlich nicht dargetan, ein Beweisantritt fehlt gänzlich.

Eine andere Sichtweise ist auch nicht dann geboten, wenn zusätzlich die Vereinbarung zur Fälligkeit des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil mit in den Blick nimmt.

Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen einer vom Kläger im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb gegenüber F. begangenen arglistigen Täuschung schon nicht dargetan sind, das klägerische Vorbringen lässt einen Wissensvorsprung des Anteilserwerbers gegenüber F. als bisherige Alleingesellschafter in Bezug auf den Wert des Gesellschaftsanteils nicht erkennen – ist die Anfechtungsfrist von einem Jahr erst mit Schriftsatz vom 15.08.2018 erklärten Anfechtung offenkundig nicht gewahrt. Auch auf diesen Aspekt hat bereits der Kläger in erster Instanz unmissverständlich hingewiesen.

Der Kläger hat seine materiellrechtliche Gesellschafterstellung auch nicht, insbesondere nicht nach dem 23.05.2018 wieder verloren. Die Beklagte beruft sich zwar auf die in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefassten Beschlüsse über die Bestätigung der Einziehung sowie über die erneute Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers. Beide Beschlüsse sind indes und nichtig.

Während der Gesellschafterversammlung vom 10.04.2021 gefasster Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers ist schon deshalb nichtig, weil ein nichtiger Beschluss der in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2021 gefasste Einziehungsbeschluss nicht bestätigt werden kann. Der vorsorglich in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss für die erneute Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers ging zwar nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers infolge der Streichung in der Gesellschafterliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Denn die formelle und immaterielle Gesellschafterstellung können wie der vorliegende Fall zeigt auseinanderfallen. In der Folge, dass der am 10.03.2021 getroffene Einziehungsbeschluss einen materiellrechtlichen existenten Geschäftsanteil betraf. Der Einziehungsbeschluss vom 10.03.2021 für den Bestätigungsbeschluss gilt das nämliche ist aber analog § 244 AktG nichtig, weil der Kläger zu der Gesellschafterversammlung nicht geladen worden ist.

Die Rechte des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters müssen durch Ladung wie ein Gesellschafter gewahrt werden, wenn die Gesellschaft ihn hinsichtlich der Einziehung wieder als Gesellschafter behandeln will. Dass der Kläger zu der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 geladen wurde, behauptet nicht einmal die Beklagte, der Kläger stellt dies explizit in Abrede.

Die in Bezug auf die Gesellschafterversammlung im Übrigen unter den Parteien streitigen Fragen, namentlich wann der Kläger das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 erhalten hat und ob die unter dem 24.01.2022 insoweit eingereichte Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist beim Landgericht Potsdam erhoben worden ist, sind nicht in dem vorliegenden Rechtsstreit zu klären.

Es steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist, kann er auch verlangen, dass seine ihn als Mitgesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zur Hereinnahme in den Registerordner eingereicht wird. Die Beklagte ist für dieses Klagebegehren auch passiv legitimiert. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch bei der GmbH entsprechend der Rechtslage bei § 67 Abs. 2 AktG dem tatsächlich Berechtigten ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zusteht, den er im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft durchsetzen kann. Daran ändert die in § 40 Abs. 1 GmbHG vorgesehene Pflicht des Geschäftsführers zur unverzüglichen Einreichung einer aktuellen Gesellschafterliste und deren höchstpersönlicher Charakter nichts. Denn der Geschäftsführer wird bei Erstellung der Liste und Einreichung als Organ der Gesellschaft tätig, gegen die der Anspruch auf Korrektur der Liste gerichtet ist.

Das Vorbringen der Parteien in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht gegeben sind.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 29.06.2022, 4 U 214/21.

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