Familienrecht - Kosten einer Privatschule als Mehrbedarf im Kindesunterhalt

1. Besteht das Wechselmodell, muss für das Kind, das Kindesunterhalt (hier: Kosten für den Besuch einer Privatschule) geltend macht, ein Ergänzungspfleger bestellt werden.

2. Der Mehrbedarf kann neben der bestehenden Titulierung des Tabellenunterhalts durch gesonderten Antrag auf Zahlung geltend gemacht werden.

3. Für den Mehrbedarf haften die Eltern nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

4. Die Haftungsquote der Eltern folgt den Grundsätzen für die Berechnung des volljährigen Unterhalts.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.11.2022 – 13 UF 24 / 21

Hintergrund

Der Antragsgegner wandte sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung anteiligen Schulgeldes an den Antragsteller, sein 2013 geborenen Sohn T, der zunächst überwiegend von seiner Mutter und seit Februar 2021 im Wechselmodell von beiden Eltern betreut wird. Der Sohn besuchte von August 2019 bis Januar 2021 auf der Grundlage eines von beiden Elternteilen unterzeichneten Vertrags eine private Grundschule, für deren Kosten seine Mutter, unter Inanspruchnahme eines Rabatts, das Schulgeld für das Schuljahr 2019 / 2020 in Höhe von 4.845,80 € am 01.08.2019 im Voraus zahlte. Hierin war ein Verpflegungsanteil von 780,00 € enthalten. Mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 26.08.2019 ließ die Mutter des Antragstellers den Vater auffordern, sich hälftig am Schulgeld zu beteiligen. Zu dieser Zeit zahlte er bereits Kindesunterhalt entsprechend der höchsten Einkommensstufe.

Mit dem am 23.09.2019 zugestellten Antrag hat der Sohn zunächst beantragt, den Vater zu verpflichten, an ihn zu Händen seiner Mutter, monatliches Schulgeld in Höhe von 205,00 € ab Oktober 2019 jeweils zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu bezahlen sowie rückständiges Schulgeld für August und September 2019 von 435,00 € nebst Zinsen. Mit der Begründung einer höheren Haftungsquote hat der Sohn angekündigt, die Antragshauptforderung auf insgesamt 3.659,00 € zu erweitern, und bei seiner hierauf gerichteten Begründung die Forderung auf den von seiner Mutter vorausgezahlten einmaligen Jahresbetrag für das Schuljahr 2019 / 2020 abzüglich des Verpflegungsanteils begrenzt. Im Termin vom 27.10.2020, auf den der angefochtene Beschluss ergangen ist, hat der Sohn sodann allerdings nicht jenen angekündigten erweiterten Antrag gestellt, sondern lediglich auf den ursprünglich gestellten Antrag aus der Antragsschrift Bezug genommen.

Das erstinstanzliche Amtsgericht Strausberg hat den Vater nach Maßgabe des nur angekündigten, letztlich aber nicht gestellten erweiterten Antrags dazu verpflichtet, an den Sohn 3.659,00 € nebst Zinsen zu bezahlen. Das Schulgeld hat das Amtsgericht nach Abzug des Verpflegungsanteils als Mehrbedarf in Höhe von 4.065,00 € eingestuft, von dem der Vater 95 % zu tragen habe.

Hiergegen wandte sich der Vater mit seiner Beschwerde. Mit Beschluss vom 14.10.2021 hat das Amtsgericht für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes als Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wurde der Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass der Vater unter Antragsabweisung im Übrigen verpflichtet wird, an den Sohn 2.758,00 € nebst Zinsen zu bezahlen.

OLG Brandenburg – Beschwerde zulässig

Das OLG Brandenburg entschied zunächst, dass die Beschwerde auch mit Blick auf das nach der erstinstanzlichen Entscheidung zwischen den Eltern geübte Wechselmodell zulässig ist. Zwar wäre in Fällen des paritätischen Wechselmodells kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nicht, sodass die Mutter den Sohn in diesem Verfahren nicht mehr allein vertreten kann. Allerdings ist dieser Mangel infolge des Beschlusses des Amtsgerichts nunmehr durch die Vertretung des Sohnes durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger behoben worden.

Die Beschwerde hat in der Sache allerdings nur teilweise Erfolg. Die hier streitigen Kosten eines privaten Schulbesuchs sind unterhaltsrechtlich als Mehrbedarf zu qualifizieren. Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht oder nicht vollständig erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist.

Beim Kindesunterhalt ist der Zusatzantrag für einen Mehrbedarf neben der bestehenden Titulierung des Tabellenunterhalts zulässig, da der Barunterhaltsbedarf des Kindes auch bei günstigen Einkommensverhältnissen von vornherein nicht den Betreuungs- und Erziehungsbedarf des Kindes erfasst, hierfür sind vielmehr zusätzliche Mittel zu veranschlagen.

OLG – Frage der Notwendigkeit entbehrlich

Die Frage der Notwendigkeit des Besuchs einer Privatschule stellt sich entgegen der Auffassung des Vaters nicht, denn mit der Unterzeichnung des Schulvertrages hat er dem Besuch bereits vorbehaltlos zugestimmt. Der mit dieser Grundentscheidung einverstandene Vater muss dann auch die Rechtsfolgen tragen, die losgelöst von der mangels Vertragspartnerschaft tatsächlich im Außenverhältnis nicht bestehenden Schuldverpflichtung gegenüber dem Schulträger einzig nach den dafür unterhaltsrechtlich geltenden Maßstäben zu beurteilen sind.

Am Mehrbedarf muss sich grundsätzlich auch der Elternteil beteiligen, der ein minderjähriges Kind betreut und dadurch regelmäßig nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB seine Unterhaltspflicht erfüllen würde, wenn er über Einkünfte verfügt, insbesondere wenn er erwerbstätig ist oder ihn eine Erwerbsobliegenheit trifft. Nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB haften die Eltern insoweit nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.

Für den in der Vergangenheit liegenden Mehrbedarf im Jahr 2019 ist mangels Prognosebedarfs der einjährige Jahresdurchschnitt der Einkommen der Eltern in diesem Jahr maßgeblich.

Hinsichtlich der Frage, ob gewisse Aufwendungen als Mehrbedarf grundsätzlich auch von beiden Elternteilen zu tragen ist und wie man die Haftungsquoten korrekt berechnet, stehen Ihnen unsere auf das Familienrecht spezialisierten Anwältinnen kompetent zur Verfügung.