Eintrittspflicht Betriebsausfallversicherung wegen Corona – Landgericht München spricht Gastronom Millionenbetrag zu
Das LG München I hat am 01.10.2020 ein richtungsweisendes Urteil verkündet, in dem es einem Gastwirt aus München eine Versicherungsentschädigung in Millionenhöhe zugesprochen hat (Az.: 12 O 5895/20).
Hintergrund
Im Zuge der Coronapandemie und dem bundesweiten Lockdown im Frühjahr befinden sich zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen in der Krise. Eine große Anzahl an Unternehmern gingen davon aus, dass sie mit einer Betriebsausfallversicherung gut gegen die finanziellen Einbußen gewappnet sind. Doch viele Unternehmer wurden enttäuscht. Von Seiten der Versicherer hieß es, dass kein Versicherungsschutz bestehe, weil das Covid-19-Virus nicht explizit in den Versicherungsbedingungen oder dem Infektionsschutzgesetz aufgeführt sei oder nicht das Gesundheitsamt die Schließung des Betriebes, sondern die Landesregierungen für sämtliche Unternehmen der betroffenen Branche eine Schließung angeordnet haben. Es würde kein spezieller Einzelfall im Unternehmen vorliegen, der durch eine Betriebsschließungsversicherung abgesichert sei. Als Beispiel gelten aus Sicht der Versicherer Krankheitserreger oder Infektionen im Betrieb, die eine Schließung nötig machen. In der Vergangenheit gehörten hierzu ein Salmonellenbefall in einer Eisdiele, eine Norovirus-Erkrankung bei Hotelangestellten und Coli-Bakterien in einer Metzgerei. Dazu kommt, dass Pandemien in manchen Policen bisher nicht abgedeckt wurden. Die Ernüchterung der Unternehmer war groß. Die Kosten liefen während des Lockdowns weiter und viele Unternehmen gerieten so in eine finanzielle Schieflage.
Bereits Ende April 2020 sprach das Landgericht Mannheim einem Gastronomen einen Anspruch aus seiner Betriebsausfallversicherung zu (Urteil vom 29.04.2020, Az.: 11 O 66/20). Die Richter stellten darauf ab, dass die für den Vertrag geltenden Versicherungsbedingungen nur pauschal auf das Infektionsschutzgesetz verweisen würden. Da die Versicherungsbedingungen in der Regel einseitig von den Versicherern vorgegeben werden, wird bei der Auslegung unklarer Formulierungen darauf abgestellt, was der in Versicherungsangelegenheiten ungeübte Versicherungsnehmer darunter verstehen durfte. Das geht regelmäßig zu Lasten des Versicherers.
In der letzten Zeit gingen einige Versicherer dazu über, ihren Versicherungsnehmern Pauschalangebote zur Abgeltung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu unterbreiten. Den Versicherungsnehmern wurden unter enormen Zeit- und Kostendruck Zahlungen angeboten, die weit unter den eigentlichen Versicherungssummen liegen.
Das OLG Hamm hat im Juli zugunsten eines Versicherers entschieden (Beschluss vom 15.07.2020, Az.: W 21/20). In diesem Fall waren die Versicherungsbedingungen deutlich detaillierter gefasst als in dem Fall des LG Mannheims. Die Krankheiten des Infektionsschutzgesetzes waren hier abschließend aufgezählt. In den Augen der Richter wurde dem Versicherungsnehmer so ausreichend deutlich gemacht, aufgrund welcher Krankheiten, die eine Betriebsschließung nach sich ziehen, die Versicherung eintrittspflichtig sein will.
Entscheidung des LG München
Vor dem Landgericht München I wurde die Klage des traditionsreichen Wirtshauses am Nockherberg verhandelt. Der klagende Gastwirt ist seit 2010 Pächter der Traditionsgaststätte und machte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Krise gegenüber seiner Versicherung, der Allianz, geltend. Das Gericht hat sich in seinem Urteil umfassend und detailliert mit den Vertragsbedingungen der Versicherung und insbesondere mit der Frage, in welchem Umfang auf das Infektionsschutzgesetz als Basis des Versicherungsfalls verwiesen wurde, beschäftigt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass in diesem konkreten Fall die Versicherungsbedingungen so formuliert waren, dass der Versicherungsnehmer davon ausgehen durfte, dass eine Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung aufgrund des Corona-Virus von der Versicherung abgedeckt sei. Die Richter warfen der Versicherung des Klägers, der Allianz, Intransparenz vor. Die Kunden könnten nicht erkennen, für welche Fälle der Versicherungsschutz gelte und für welche nicht.
Keine pauschale Beurteilung der Versicherungsverträge
Die bisher ergangenen Entscheidungen machen deutlich, dass eine pauschale Beurteilung der unterschiedlichen Verträge nicht möglich ist. Vielmehr kommt es auf die individuellen Vertragsklauseln an, die im Einzelfall betrachtet werden müssen.
Versicherer in der Pflicht
Gerade Gastronomen ziehen in letzter Zeit gegen ihre Versicherer vor Gericht. Allein in München sind inzwischen 71 Klagen am Landgericht eingegangen. Zwar gab es bereits zu Beginn des Sommers eine Vereinbarung der bayerischen Staatsregierung und dem Hotel- und Gaststättenverband mit den Versicherern, die dem Gastgewerbe 15 Prozent der vertraglich vereinbarten Tagesentschädigung zusicherten. Dies war vielen Gastronomen aber zu wenig, weshalb sie gerichtlich gegen ihre jeweilige Versicherung vorgingen. Den Versicherern drohen Einbußen in Millionenhöhe. Nach Schätzungen des Branchenverbandes GDV haben knapp ein Viertel der Hotels und Gaststätten in Deutschland eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Von 73.000 Policen bundesweit ist die Rede
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