Dieselskandal - Entscheidung des EuGH - Städte dürfen über Dieselfahrverbote selbständig bestimmen

Hintergrund

Im Streit um die Abmilderung von Grenzwerten bei neuen Abgastests hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Klagen der Städte Paris, Brüssel und Madrid als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 13.01.2022, verbundene Rechtssachen C-177/19, C-178/19, C-179/19). Die Klagen richteten sich auf die Nichtigerklärung einer Verordnung der EU-Kommission, mit der sie die Stickoxidgrenzwerte für Autos der Euro 6 Norm faktisch neu festgelegt hatte.

Die Städte hatten sich zunächst an das Gericht der Europäischen Union (EuG) gewendet und dort in Teilen Recht bekommen. Gegen das Urteil hatten Deutschland, Ungarn und die EU-Kommission Rechtsmittel eingelegt. Der EuGH hob nunmehr die Entscheidung des Gerichts auf.

 

Hintergrund

Im Rahmen des Dieselabgasskandals hatte die Europäische Kommission ein strengeres Prüfverfahren zur Messung von Emissionen in der Betriebspraxis (RDE) eingeführt. Dieses sollte ein realistischeres Bild von den tatsächlichen Emissionen im realen Fahrbetrieb auf der Straße vermitteln. Doch weil mit dem strengeren Prüfverfahren die Fahrzeuge die Grenzwerte nicht einhalten konnten, bestimmte die EU-Kommission in der VO Nr. 2016/646 einen Konformitätsfaktor. Ein Grenzwert dürfte z.B. um das 2,1-fache überschritten werden. Die Europäische Kommission wollte damit Automobilherstellern entgegenkommen.

 

Paris, Brüssel und Madrid sahen im Konformitätsfaktor eine faktische Aufweichung des Grenzwertes. Sie erhoben Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung, da diese sie angeblich daran hindere, Fahrverbote für Fahrzeuge zu verhängen, die dem faktisch neu bestimmten Grenzwert entsprechen. Die Kommission erhob gegen die vorgenannten Klagen Einreden der Unzulässigkeit. Sie machte geltend, diese Städte seien von der streitigen Verordnung nicht unmittelbar betroffen.

 

Das Gericht der Europäischen Union gab den Klagen teilweise statt. Seiner Ansicht nach seien die klagenden Städte unmittelbar betroffen. Auch habe die EU-Kommission die Grenzwerte bei der Einführung von Messungen im praktischen Fahrbetrieb zu Unrecht faktisch erhöht. Dem schloss sich auch der Generalanwalt des EuGH Michael Bobek im Ergebnis an.

 

EuGH: Städte sind nicht unmittelbar betroffen

 

Der EuGH verneinte die Zulässigkeit der Klagen. Er präzisierte den Begriff der unmittelbar betroffenen Person als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage. Zwei Kriterien müssen hierfür nach Ansicht des EuGH kumulativ erfüllt sein. Zum einen muss sich die beanstandete Maßnahme auf die Rechtsstellung dieser Einheiten auswirken. Zum anderen darf sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lassen. Nach diesem Maßstab verneint der EuGH eine unmittelbare Betroffenheit der klagenden Städte. Nach Art. 4 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2007/46 dürfen die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Teilnahme am Straßenverkehr von Fahrzeugen nicht untersagen, beschränken oder behindern, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen. Diese Regelung hindere Städte nur daran, den Verkauf von Fahrzeugen zu untersagen, die der Verordnung entsprechen. Die spätere Teilnahme am Verkehr könne aber sehr wohl verboten werden. Die Städte können daher unbenommen Fahrverbote gegen Dieselautos aus Umweltschutzgründen verhängen. Die Verordnung wirkt sich daher nicht auf die Städte aus. Entsprechend seien diese von der Verordnung auch nicht unmittelbar betroffen, die Klage daher unzulässig. Mit dieser Argumentation begegnete der EuGH den Befürchtungen der Städte, gegen den jeweiligen Mitgliedstaat zu dem sie gehören, keine Vertragsverletzungsklage wegen Verstoßes gegen die Verordnung erhoben werden.

 

Auch wir sind der Ansicht, dass Kommunen auch weiterhin selbstständig über Fahrverbote entscheiden sollen können, weshalb wir die EuGH Entscheidung begrüßen.

 

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