Dieselskandal - BGH tendiert zum Schadensersatz bei Thermofenstern
Die Karlsruher Richter beschäftigten sich vergangenen Montag erneut mit der Thematik, ob der Einbau von Thermofenstern eine Schadensersatzpflicht begründet.
Thermofenster schalten bei in Deutschland durchschnittlichen Temperaturen die Abgasreinigung herunter. Hierin erkannten die Karlsruher Richter in früherer Rechtsprechung im Gegensatz zur Prüfstandserkennung im VW-Skandalmotor EA189 keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Auch einer Schadensersatzhaftung aufgrund von Fahrlässigkeit erteilte der BGH eine Absage. Da der EuGH eine solche Haftung aber im Grundsatz bejahte, musste der BGH erneut verhandeln.
In der Verhandlung vom Montag ließ der BGH durchblicken, dass Käufern von Dieselautos mit illegalem Thermofenster ein Schadensersatzanspruch zuzusprechen ist, der allerdings anders als im berühmten VW-Urteil aus dem Jahr 2020 nicht auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtet ist, sondern auf den Ersatz einer Art Vertrauensschaden. Dieser könnte auf den etwaigen Minderwert des Dieselautos im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellen.
Das wäre eine Art Differenzhypothesen-Vertrauens-Schadensersatz. Leider haben wir dafür noch keinen besseren Namen, so die Vorsitzende Richterin des VI. a) des Zivilsenats des BGH Dr. Eva Menges in der mündlichen Verhandlung am Montag. Sie sprach mehrfach von mittlerem Schadensersatz, wollte den möglichen Anspruch gerade nicht als kleinen Schadensersatz verstanden wissen. Der Anspruch liefe wohl auf die Wertdifferenz zwischen einem funktionsfähigen Auto ohne unzulässige Abschalteinrichtung und dem tatsächlich erhaltenen Auto mit der Abschalteinrichtung hinaus. Wie sich der Schaden konkret berechnen sollte, ist nicht klar. Vor allem die wertmäßige Berechnung eines Autos mit illegaler Abschalteinrichtung dürfte Gerichte vor große Herausforderungen stellen, warfen die Anwälte auf Klägerseite ein.
Im Falle des Schadensersatzes wegen des Skandalmotors EA189 gingen die Karlsruher Richter von einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB aus und sprachen den sogenannten großen Schadensersatz zu, d. h., der Vertrag wurde rückabgewickelt und die Käufer erhielten den Kaufpreis abzüglich Nutzungsersatz zurück. Im Gegenzug mussten sie hie für das Auto zurückgeben. Dieser große Schadensersatz soll bei illegalen Abschalteinrichtungen durch Thermofenster anscheinend nicht gewährt werden. Es soll auf den Minderwert abgestellt werden.
Der BGH machte auch deutlich, dass er die Vorgaben des EuGH beachten wolle, so soll deutsches Recht so ausgelegt werden, dass es den Drittschutz von Zulassungsvorschriften anerkennt, also annimmt, dass diese auch Einzelinteressen von Käufern dienen. Nur so ist eine deliktische Haftung wegen bloßer Fahrlässigkeit im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen möglich. Die Annahme des Drittschutzes auch nationaler Zulassungsvorschriften seien weder eine europarechtsfreundliche Rechtsprechung (effet utile) möglich und nicht contra legem, widerspräche also nicht geltendem Recht, so Dr. Menges.
Die Senatsvorsitzende betonte mehrfach, sich noch nicht festgelegt zu haben. Die Sympathien des Senats für einen mittleren Weg zwischen großen Schadensersatz und Ersatz nur von tatsächlich eintretenden Spätschäden waren jedoch deutlich spürbar.
Die Urteilsverkündung wurde auf den 26. Juni 2023 terminiert.
Mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Dieselskandals stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Die neue Rechtsauffassung des EuGH und des BGH eröffnen doch noch den Weg für Schadensersatz bei unzulässig eingebauten Thermofenstern.