BGH zur Insolvenzfestigkeit der Altersvorsorge – Insolvenzschutz bei Statuswechsel

1. „Bei einem Statuswechsel zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Unternehmereigenschaft richtet sich der Insolvenzschutz des Betriebsrentengesetzes und damit auch die versorgungsausgleichs-rechtliche Einordnung des Anrechts danach, inwieweit die versprochene Versorgung zeitanteilig auf den jeweils eingenommenen Status entfällt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014 BGH Aktenzeichen XIIZB45513 XII ZB 455/13 FamRZ 2014, FAMRZ Jahr 2014 Seite 731)“.

2. „Das Pfandrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten an den Rechten aus einer Rückdeckungs-versicherung ist anteilig dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zuzuordnen, und zwar im Umfang des zum Ehezeitende bestehenden Deckungsgrads am Ehezeitanteil“ (BGH, Beschluss vom 15.07.2020 – XII ZB 363/19).

Hintergrund

Grundsätzlich können Versorgungsanwartschaften nur durch Zeiten als Arbeitnehmer und nicht durch solche als Unternehmer erworben werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) teilt diese Auffassung. Ist eine Person zeitweilig als Unternehmer, im Übrigen aber als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person (§ 17 BetrAVG) für ein Unternehmen tätig, kann eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 7 Abs. 2, § 1 b Abs. 1, § 30f Abs. 1 BetrAVG nur entstehen, wenn die Unverfallbarkeitsfristen insgesamt in Tätigkeitsperioden erfüllt werden, in denen der Betroffene in den Anwendungsbereich des § 17 BetrAVG fällt. Dies bedeutet bei einem Statuswechsel, dass für die Berechnung Zeiten, in denen der Betroffene als Unternehmer tätig war, weder für die Dauer der Versorgungszusage noch als Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sind.

Personen, die selbst Unternehmer sind, sollen den Schutz des BetrAVG nicht genießen. Dieser bei der Ausformung des Geltungsbereichs des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG entwickelte allgemeine Grundgedanke gilt für die Bestimmung berücksichtigungsfähiger Zeiten bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft in gleicher Weise. Wollte man dies anders sehen, hätte das zur Folge, dass eine Person, die nur wenige Monate Arbeitnehmer und anschließend bis zum Erreichen der in § 30 f Abs. 1 BetrAVG festgelegten Fristen Unternehmer gewesen ist, besser gestellt wäre, als derjenige, der kurz vor Fristerreichung als Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2013 – II ZR 396/12).

 

Insolvenzfestigkeit der Altersvorsorge

In dem Fall, den der BGH kürzlich zu entscheiden hatte, ging es um die Regelung des Versorgungsausgleichs bzw. die Ausgleichsfähigkeit von Versorgungsanrechten im Rahmen einer Scheidung. Das Familiengericht führte einen Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau durch, gegen den der Ehemann Beschwerde eingelegt hat. Es geht hier im Kern um die Frage, ob ein Anrecht dem Betriebsrentengesetz unterfällt, an welches sich die Vorschriften des Versorgungsausgleichs anknüpfen oder ob diese Vorschriften nicht anwendbar sind, da das Anrecht als Selbstständiger erworben wurde.

Während der 15-jährigen Ehezeit (März 1999 bis Juli 2014) hat die Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 8,9964 Entgeltpunkten sowie ein Anrecht in der berufsständischen Versorgung mit einem Ehezeitanteil von €°215,85 monatlich erworben. Der Ehemann hat als Gesellschafter-Geschäftsführer der K. GmbH ein endgehaltbezogenes Anrecht erworben, dessen Kapitalwert zum Ende der Ehezeit € 1.171.114,12 betrug. Der Ehezeitanteil dieses Anrechts beträgt € 525.947,35 mit einem nach Abzug von Teilungskosten vorgeschlagenen Ausgleichswert von €. 262.723,68 Für das Anrecht bestehen drei Rückdeckungsversicherungen bei der A. Lebensversicherung AG. Die Ansprüche daraus wurden an den Ehemann verpfändet; das Kündigungsrecht wurde an ihn abgetreten. Der Rückkaufswert der Versicherung mit der Endziffer -001 betrug zum 1. Januar 2015: € 87.551,50, der Versicherung mit der Endziffer -002: € 178.537,15 und der Endziffer -003: € 74.406. Im Zeitpunkt der Begründung der Versorgungszusage hielt der Ehemann einen Geschäftsanteil von 20% des Stammkapitals der GmbH ohne Stimmrecht, seit 1. Januar 2013 einen Geschäftsanteil von 49% mit einem Stimmrecht von 20%. Vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ BGB § 181 BGB) ist er nicht befreit. Die weiteren Geschäftsanteile an der GmbH halten sein Bruder (zuletzt 49% des Stammkapitals bei 32% Stimmenanteil) und sein Vater (zuletzt 2% des Stammkapitals bei 48% Stimmenanteil).

 

Familiengericht hält Anrechte für ausgleichsfähig

Das Familiengericht hat in dem Verbundverfahren die ehezeitlichen Anrechte der Ehefrau intern geteilt. Den Ehezeitanteil des Anrechts des Ehemanns hat es ebenfalls intern geteilt, und zwar „nach Maßgabe der Versorgungszusagen vom 18.12.1997 mit Nachtrag vom 27.12.2005 sowie der Verpfändungsvereinbarung vom 28.01.1998 sowie den Nachträgen zur Verpfändungsvereinbarung vom 28.01.1998 und 19.06.2000 zwischen der K. GmbH und dem Antragsteller bestehenden Pfand- und Sicherungsrechte“. Weiter hat es angeordnet, dass in Höhe des Ausgleichswerts das bei der A. Lebensversicherung AG als Trägerin der Rückdeckungsversicherungen bestehende Deckungskapital aus den Vers.- Nrn. …-001, …-002 und …-003 dem auf die Antragsgegnerin übertragenen Anrecht zugeordnet wird. Wegen des noch verfallbaren Teils der endgehaltsbezogenen Altersversorgung hat es den Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten.

Das Familiengericht hat also das Anrecht des Ehemannes intern geteilt, da er bei Begründung des Anrechts Arbeitnehmer und kein Unternehmer gewesen ist.

 

Ehemann und K. GmbH gegen Ausgleichsfähigkeit des Anrechts

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich haben der Ehemann und die K. GmbH Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Absicherung des zu übertragenden Ausgleichswerts durch Zuordnung von Deckungskapital aus der Rückdeckungsversicherung wenden. Das Oberlandesgericht hat die Beschlussformel – unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerden – neu gefasst und das betriebliche Anrecht des Ehemanns „nach Maßgabe der Versorgungszusagen der K. GmbH vom 18.12.1997 mit Nachtrag vom7.12.2005 sowie der Verpfändungsvereinbarungen vom 28.01.1998 und vom 19.06.2000 in Verbindung mit den Abtretungserklärungen über das Kündigungsrecht vom 26.10.2012 und dem Beschluss über die Durchführung eines Versorgungsausgleichs der K. GmbH vom 11.11.2014“ intern geteilt. Weiter hat es angeordnet, dass das bei der A. Lebensversicherung AG unter den Vers.- Nrn. …-001, …-002 und …-003 bestehende Deckungskapital in Höhe von € 145.122,93  der Antragsgegnerin zugeordnet wird, wobei 25,72% hiervon auf die Versicherung mit der Endziffer -001 entfallen, 52,43% auf die mit der Endziffer -002 und 21,85% auf die mit der Endziffer -003.

 

OLG hält Anrecht für teilbar, da Ehemann im Zeitpunkt der Begründung Arbeitnehmer gewesen ist

Das Anrecht sei in der vom Versorgungsträger vorgeschlagenen Bezugsgröße Kapitalwert zu teilen, da der Ehemann im Zeitpunkt der Begründung des Anrechts kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung innegehabt habe und deshalb als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsrentengesetzes zu qualifizieren sei. Zwar sei er seit der Übertragung von Stimmrechten auf ihn mit Wirkung vom 1. Januar 2013 nicht mehr als Arbeitnehmer, sondern als Unternehmer zu qualifizieren. Die das Wahlrecht des Versorgungsträgers eröffnende Vorschrift des § 45 VersAusglG gelte jedoch auch für in Unternehmerstellung erdiente Anrechte, wenn sie in einem bestimmten Durchführungsweg des Betriebsrentengesetzes eingerichtet und dem Grunde und der Höhe nach hinreichend verfestigt seien.

 

BGH: Entscheidend für die Ausgleichsfähigkeit des Anrechts ist, ob es in Unternehmereigenschaft oder Arbeitnehmereigenschaft erworben wurde

Laut den Karlsruher Richtern hängt die Ausgleichsfähigkeit ebenso wie die Bewertung des in Rede stehenden Anrechts maßgeblich davon ab, inwieweit es in Unternehmereigenschaft oder in Arbeitnehmereigenschaft erworben worden ist. Nur in letzterem Fall handelt es sich nämlich um ein Anrecht nach dem Betriebsrentengesetz (vgl. § 17 Abs. 1 BetrAVG), woran die Vorschriften der §§ 2 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und § 45 VersAusglG anknüpfen. Bei einem Statuswechsel zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Unternehmereigenschaft richten sich der Insolvenzschutz des Betriebsrentengesetzes und damit auch die versorgungsausgleichsrechtliche Einordnung des Anrechts danach, inwieweit die versprochene Versorgung zeitanteilig auf den jeweils eingenommenen Status entfällt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014 – BGH Aktenzeichen XIIZB45513 XII ZB 455/13 – FamRZ 2014).

Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012, in der der Vater des Ehemanns allein über die absolute Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung verfügte, ist von einer Arbeitnehmereigenschaft des Ehemanns auszugehen. Dementsprechend unterfiel das in dieser Zeit erworbene Anrecht der Bewertungsregel des § 45 VersAusglG. Am 1. Januar 2013 hat der Ehemann einen Statuswechsel vollzogen und sein Anrecht seither in Unternehmereigenschaft ausgebaut. Denn ab diesem Zeitpunkt gehörte der Ehemann nicht mehr zum Kreis der Versorgungsberechtigten, die unter das Betriebsrentengesetz fallen. Zwar ist die betriebliche Altersversorgung nicht nur auf den Kreis der Arbeitnehmer beschränkt, für die die Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes in erster Linie gelten (§ 17 S. 1 BetrAVG). Vielmehr gelten nach Satz 2 dieser Vorschrift die §§ 1 bis 16 entsprechend auch für andere Personen, wenn ihnen Versorgungsleistungen aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die ihrem Wortlaut nach zu weit reichende Bestimmung des § 17 S. 1 BetrAVG nach dem Grundcharakter des Betriebsrentengesetzes als eines hauptsächlich dem Schutz von Arbeitnehmern dienenden Gesetzes einschränkend dahin auszulegen, dass die Geltung der genannten Vorschriften auf Personen begrenzt bleibt, deren Lage im Falle einer Pensionsvereinbarung mit der eines Arbeitnehmers annähernd vergleichbar ist. Zwar fallen Organpersonen rechtsfähiger Gesellschaften nicht ohne Weiteres aus dem Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes heraus. Das Gesetz ist aber nicht anzuwenden auf Gesellschafter-Geschäftsführer, die allein oder zusammen mit anderen Gesellschafter-Geschäftsführern eine Beteiligungsmehrheit halten und nach deren Verkehrsanschauung ihr eigenes Unternehmen leiten.

 

Das dem Insolvenzschutz dienende Pfandrecht ist anteilig Ehefrau zuzuordnen

Nach der Regelung des § 11 VersAusglG nach der für die ausgleichsberechtigte Person ein entsprechend gesichertes Anrecht übertragen wird, müssen grundsätzlich alle bestehenden Sicherheiten anteilig auch für das zu übertragende Recht begründet werden. Das betrifft im vorliegenden Fall auch das den Insolvenzschutz flankierende Pfandrecht des Ehemanns an den Ansprüchen der Beteiligten GmbH aus der Rückdeckungsversicherung. Dieses Pfandrecht ist anteilig der Ehefrau zwecks Besicherung ihres durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts zuzuordnen, und zwar in einem Verhältnis, das dem Quotienten zwischen dem Ausgleichswert und dem gesamten Wert des Anrechts entspricht. Der nach § 11 VersAusglG zu übertragende Insolvenzschutz besteht nur in dem Umfang, in dem ein den Ehezeitanteil besicherndes Deckungskapital im Zeitpunkt des Ehezeitendes tatsächlich gebildet war. Die Bewertungsregel des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG , wonach rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, zu berücksichtigen sind, kommt hier nicht zum Tragen, weil das Pfandrecht an der Rückdeckungsversicherung keinen nach dieser Vorschrift zu bewertenden Teilungsgegenstand des Versorgungsausgleichs darstellt.

Bei einem Statuswechsel zwischen Unternehmereigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft richtet sich die Einbeziehung der betrieblichen Altersversorgung in den Versorgungsausgleich danach, inwieweit die versprochene Versorgung zeitanteilig auf die Tätigkeit als Arbeitnehmer entfällt. Oft ist es nicht ganz einfach den Statuswechsel frühzeitig zu erkennen bzw. abzuschätzen, welche Folgen dies für die spätere Altersvorsorge haben kann. Lassen Sie sich daher frühzeitig beraten. Als auf das Familien-, Arbeits- und Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei stehen wir Ihnen bei sämtlichen Fragen rund um das Thema Versorgungsanwartschaften kompetent zur Seite.