BGH klärt weitere Fragen zur Verjährung im VW-Diesel-Skandal – Musterfeststellungsklage reicht für Hemmung aus

Bereits der Start einer Musterfeststellungsklage gegen einen Autokonzern im Dieselskandal verhindert, dass Ansprüche möglicher Betroffener verjähren. (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20)

 

Die Karlsruher Richter sind der Ansicht, dass es für die Hemmung der Verjährung im VW-Abgasskandal für den einzelnen Dieselkäufer ausreichend gewesen sei, sich 2019 zum Klageregister für die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG anzumelden. Entscheidend war demnach nur, dass die Verbraucherzentralen ihre Musterklage vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende 2018 auf den Weg gebracht haben.

 

Mit einer Adhoc-Stellungnahme gab VW im Oktober 2015 zu, dass in den von VW produzierten Motor EA189 unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut sind. Zivilrechtlich ist es in der Regel so, dass Schadensersatzansprüche nach drei Jahren verjähren. Demnach hätten betroffene Autobesitzer spätestens Ende 2018 Ansprüche erheben müssen, wenn eben bereits im Jahr 2015 bekannt war, dass der eigene Wagen betroffen ist.

 

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es konkret darum, dass sich der Kläger erst im Jahr 2019 entschieden hat, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Er hatte seine Ansprüche zuvor aber zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an und wieder abgemeldet. Das OLG Naumburg wies seine Klage wegen Verjährung ab.

 

Der BGH jedoch hob diese Entscheidung auf und verwies diese Sache zurück ans OLG Naumburg. Dies begründeten die Karlsruher Richter insbesondere damit, dass trotz der breiten Medienberichterstattung sich dem Kläger auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen keine, dem Beginn der Verjährungsfrist im Jahr 2015 auslösende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorlag.

 

Das OLG habe es versäumt, festzustellen, ob der Kläger allgemein vom Dieselskandal Kenntnis erlangt hat. Eine solche Feststellung mag angesichts der umfangreichen Berichterstattung zwar nahe liegen, ist aber Sache des Tatrichters, so der BGH in einer Mitteilung.

 

Der Einrede der Verjährung stehe darüber hinaus die Hemmung durch die Anmeldung des Anspruchs im Klageregister zur Musterfeststellungsklage entgegen. So trete die Hemmungswirkung im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein. Dies gelte selbst dann, wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen zivilrechtlichen dreijährigen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.

 

Weiter entschied der BGH, dass man sich auch zeitweise einer Musterklage anschließen kann, um mehr Zeit für die Vorbereitung einer eigenen Klage zu gewinnen. Dies sei nicht rechtsmissbräuchlich.

 

Mit diesem verbraucherfreundlichen Urteil wird den Argumentationen der Autobauer, womit spätestens im Jahr 2015 die Verjährung begonnen hat, der Wind aus den Segeln genommen. Hiermit bestätigt der BGH auch nochmal ausdrücklich, dass man sich auch zur Vorbereitung einer eigenen Privatklage vorübergehend einer Musterklage anschließen kann.

 

Sollten auch Sie vom VW-Abgasskandal betroffen sein, so zögern Sie nicht, Ihre Ansprüche durch uns prüfen zu lassen. Trotz der Vermutung, dass die Ansprüche verjährt sind, ist oftmals noch eine gerichtliche Durchsetzung möglich, was das vorbezeichnete Urteil des BGH anschaulich bestätigt.