BGH-Entscheidung zu Diesel-Klagen gegen Daimler verzögert sich

Mit Spannung haben im Abgasskandal betroffene Daimlerkunden auf den 27.10.2020 und auf das erhoffte verbraucherfreundliche Urteil des BGH gewartet. In unseren Blogs zum Thema Abgasskandal haben wir die Problematik, Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG durchzusetzen, mehrfach angesprochen. Daimler nutzt in einer Vielzahl von Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen in Form von Thermofenstern oder bestimmten Aufheizstrategien. Im Gegensatz zu VW räumt Daimler das Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen (bisher) nicht ein. Damit unterscheiden sich die Daimler-Fälle in einem wichtigen Punkt von den Klagen gegen den Volkswagen-Konzern. Dort ist klar, dass die verwendete Technik nicht erlaubt war. Der BGH hatte deshalb am 25. Mai in einem aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass VW zehntausenden Klägern grundsätzlich Schadenersatz schuldet. Zu den genauen Bedingungen gab es Ende Juli weitere Urteile.

Grundsatzfrage

Heute sollte nun endlich eine höchstrichterliche Entscheidung in Bezug auf die von Daimler verwendeten Thermofenstern fallen. Allerdings wurde die für den 27.10.2020 angesetzte Verhandlung vor dem BGH überraschend abgesetzt. Über die Gründe, warum die für den 27.10.2020 geplante Verhandlung abgesagt wurde, kann nur spekuliert werden. Der BGH hat nur bekannt gegeben, dass der klagende Autokäufer seine Revision zurückgenommen habe (Az.: VI ZR 162/20). Dies ist an sich nichts Neues. Auch im VW Abgasskandal wurden Verhandlungen vor dem BGH häufiger noch kurzfristig abgesagt. Hintergrund sind meistens geheime Vergleichsvereinbarungen hinter den Kulissen, um den Herstellern negative Publicity zu ersparen. Ein Daimler-Sprecher teilte hier auf Anfrage mit, dass man sich in der Sache nicht verglichen und auch kein Vergleichsangebot unterbreitet habe. Der BGH kündigte für den 14.12.2020 eine neue Verhandlung in einem vergleichbaren Fall an (Az.: VI ZR 314/20). Die vorbezeichnete Grundsatzfrage dürfte dann dort geklärt werden.

Klage wegen Thermofenster

In dem Fall, der im Dezember vor dem BGH verhandelt werden soll, geht es um das sogenannte „Thermofenster“ bei der Abgasreinigung. Innerhalb dieses Temperaturbereichs arbeitet die Abgasrückführung vollständig. Der Kläger, der 2016 einen gebrauchten Mercedes E 350 CDI mit dem Motor des Typs OM 642 und der Schadstoffklasse Euro 5 gekauft hat, wirft Daimler vor, dass die Abgasrückführung bei seinem Fahrzeug schon bei Außentemperaturen unter 7 Grad um bis zu 45 Prozent reduziert und schließlich ganz abgeschaltet wird. Dies sei eine unzulässige Abschalteinrichtung, die dafür sorgt, dass die Grenzwerte für den Emissionsausstoß zwar im Prüfmodus, nicht aber im realen Straßenverkehr eingehalten werden. Daimler beruft sich darauf, dass die Funktion aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei. Die Abgasrückführung werde zudem erst bei Außentemperaturen unter -50 Grad ganz abgeschaltet.

Das OLG Koblenz hatte die Klage mit Urteil vom 10. Februar 2020 noch abgewiesen (Az.: 12 U 1039/19). Unabhängig davon, ob das Thermofenster eine zulässige oder unzulässige Funktion ist, sei Daimler zumindest keine Sittenwidrigkeit vorzuwerfen. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass Daimler in dem Bewusstsein agiert hätte, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Daimler unter Druck

Mittlerweile hat sich in der Rechtsprechung einiges getan. Verschiedene Gerichte sehen Daimler in der sekundären Darlegungslast. Daimler kann sich also nicht länger hinter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen verstecken, sondern muss sich zur Funktionsweise der Abschalteinrichtungen konkret äußern und darlegen, warum sie ausnahmsweise zulässig sein sollten.

OLG Naumburg verurteilt Daimler

Bei der Verhandlung vor dem BGH geht es um das Thermofenster bei der Abgasrückführung. Auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) musste Daimler eine ganze Reihe von Fahrzeugen zurückrufen. Beispielsweise hatte das KBA die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft, die entfernt werden muss. Daimler bestreitet in den meisten Fällen bereits das Vorliegen eines Thermofensters und im Weiteren die Unzulässigkeit eines solchen. Die Thermofenster wären zumindest aus Motorschutzgründen zulässig. Das OLG Naumburg entschied mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U/20, als erstes Oberlandesgericht, dass Daimler einen Mercedes GLK 220 CDI zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten muss.

EUGH-Generalanwältin: Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig

Das Argument, dass die Funktionen aus Motorschutzgründen zulässig sind, überzeugt nicht. Auch die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston hat am 30.04.2020 erklärt, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung zulässig. Funktionen wie ein Thermofenster, die den Motor langfristig vor Versottung schützen sollen, zählen dementsprechend nicht zu den zulässigen Ausnahmen.

Grundsatzentscheidung erst im Dezember

Aufgrund des Wandels in der Rechtsprechung und der neuen technischen Erkenntnisse, geht man davon aus, dass der BGH in der für den 14.12.2020 angesetzten Verhandlung, verbraucherfreundlich entscheiden wird. Ebenfalls am 14.12.2020 verhandeln die Karlsruher Richter einen weiteren VW-Fall. Dann geht es um die umstrittene Frage der Verjährung.

Sollte auch Ihr Fahrzeug vom Daimler Abgasskandal betroffen sein, ist jetzt die Zeit zum Handeln. Erste Oberlandesgerichte haben bereits zugunsten geschädigter Daimler Kunden entschieden und es ist davon auszugehen, dass der BGH sich im Dezember diesen Rechtsauffassungen anschließen wird. Betroffene Autobesitzer, die gegen den VW-, Audi- oder Porsche-Konzern vorgehen erzielen in der Regel Urteile, wonach die Fahrzeuge zurückzugeben sind und die Geschädigten im Gegenzug den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung zurückerhalten. Zögern Sie nicht Ihre Rechte geltend zu machen und vermeiden Sie einen Vermögensverlust. Mittlerweile decken auch nahezu alle Rechtschutzversicherer die jeweiligen Klagen gegen die Hersteller ab. Voraussetzung ist, dass die Rechtschutzversicherung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses existent war. Mit der Rechtschutzversicherung im Hintergrund besteht also kaum ein Prozessrisiko. Unsere Kanzlei steht Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche kompetent zur Seite.