BGH: Entscheidung im Dieselverfahren gegen die Daimler AG am 27.10.2020

Am 27.10.2020 trifft der BGH endlich die langersehnte Entscheidung gegen die Daimler AG in Bezug auf die sogenannten Thermofenster. Bisher weist Daimler die Vorwürfe zurück, dass auch in ihren Autos unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt eines Thermofensters vorliegen.

Hintergrund

In dem zu entscheidenden Fall (VI ZR 162/20) erwarb der Kläger am 04.02.2017 von einem privaten Verkäufer ein gebrauchtes Fahrzeug vom Typ Mercedes Benz C 220 CDI, Erstzulassung 07.11.2011. Die Laufleistung betrug 69.838 km, der Kaufpreis € 13.000,00. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe OM 651 verbaut. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typengenehmigung nach der Verordnung EG Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Bei dem von dem Kläger erworbenen Fahrzeug wird ein variabler Anteil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Das Ausmaß der Abgasrückführung hängt unter anderem von der Außentemperatur ab, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Der Kläger behauptet, dass bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius keine Abgasrückführung mehr stattfinde. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung, die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden. Die Beklagte macht geltend, dass die fragliche Steuerung, die diverse Parameter berücksichtige, schon keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung EG Nr. 715/2007 darstelle, jedenfalls aber zum Schutz des Motors zulässig sei.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Mainz hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Koblenz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in erster Linie ausgeführt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zustehe. Das Inverkehrbringen des später vom Kläger erworbenen Fahrzeuges sei nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen, unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten „Thermofensters“. Es könne nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von Thermofenstern – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW Motor EA 189 – nicht eindeutig.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Gute Chancen für Daimler Kunden: Generalanwältin des EuGH hält Thermofenster für unzulässig

Aktuell kann man davon ausgehen, dass der BGH seiner verbraucherfreundlichen Linie treu bleibt, und auch in Bezug auf die sog. Thermofenster zugunsten der Geschädigten entscheiden wird. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nach den Schlussanträgen der Generalanwältin des EuGH, auch, wohl auch der EuGH die Thermofenster als unzulässig einstufen wird. Dazu hat die Generalanwältin festgestellt, „dass nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die die Zuverlässigkeit des Motors beeinträchtigen und eine konkrete Gefahr bei der Lenkung des Fahrzeugs darstellen, das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung rechtfertigen können“. An anderer Stelle schreibt sie, Ausnahmen seien nur zum Schutz des Motors erlaubt „vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden (und nicht vor langfristigeren Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust)“. Eine Versottung von Abgasrückführungsventilen, wie von den Autokonzernen unter anderem als Begründung aufgeführt, zählt nach Meinung von Experten gerade nicht dazu.

Erstes OLG verurteilt Daimler AG zu Schadensersatz

Nachdem bereits mehrere Landgerichte zugunsten der Geschädigten entschieden, verurteilte nunmehr das OLG Naumburg mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U/20, die Daimler AG zur vollständigen Rückabwicklung des Kaufvertrages über einen Mercedes Benz GLK 220 CDI. Auch aktuell erhalten Besitzer von Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz, in denen insbesondere Motoren mit der Typenbezeichnung OM 651 und OM 642 verbaut worden sind, weiterhin unerwünschte Post. Hierin wird im Rahmen einer – derzeit noch – „freiwilligen Servicemaßnahme“ oder einer verpflichtenden „Rückrufaktion“ zu einem „Software-Update für Ihren Dieselmotor“ aufgerufen. Zahlreiche Betroffene wollen ihre manipulierten Kfz daher zurückgeben und verklagen die Daimler AG auf Schadensersatz. Da die Manipulationen bei Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz in ihrer gesamten Tragweite erst mehr und mehr ans Licht kommen, kann es noch nicht die „Urteilsflut“ wie gegen die Volkswagen AG in Bezug auf EA189-Motoren geben.

Thermofenster in zahlreichen Modellen verbaut

Die streitgegenständliche Abschalteinrichtung ist bei verschiedensten Modellen und Motoren verbaut, insbesondere bei den Motoren mit der Typenbezeichnung OM 651 und OM 642. Auch die sogenannte „Bluetec“- Reihe ist betroffen. Nach der aktuellen Entscheidung des OLG Naumburg vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, haftet die Daimler AG dem Käufer eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf Schadensersatz. In seiner gut begründeten Entscheidung hob das Oberlandesgericht auch hier zunächst hervor, dass der Kläger das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung ausreichend substantiiert vorgetragen habe. Der Stuttgarter Autobauer dementierte demgegenüber pauschal das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

Daimler Kunden sollten ihre Chance nutzen

Gerade nach der aktuellen Entscheidung des OLG Naumburg und im Hinblick auf die Entscheidung des BGH am 27.10.2020 sollten Mercedes Fahrer ihre Forderungen konsequent geltend machen. Allein aufgrund der vom Kraftfahrtbundesamt aufgefundenen illegalen Abschalteinrichtungen stehen genügend Tatsachen zur Verfügung, um Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG durchzusetzen.

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