Arbeitsrecht in der Coronakrise- Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt wissen müssen

Das Coronavirus breitet sich in Deutschland aus- und mit ihm die Unsicherheit: Welche Pflichten haben Arbeitgeber jetzt? Welche Rechte die Arbeitnehmer? Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen.

Was müssen Arbeitgeber jetzt beachten?

Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter zunächst darüber informieren, wie hoch das Riskio einer Infektion ist und wie sie sich vor dem Coronavirus schützen. Eine aktuelle Risikobewertung und nützliche Informationen zu Schutzmaßnahmen finden Arbeitgeber beispielsweise auf der Informationsseite des Robert Koch Instituts (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste.html).

Was man als Arbeitgeber sonst noch unternehmen muss, ist derzeit noch unklar, da die vorliegende Krise bisher beispielslos ist.

Es gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes nach § 4 Arbeitsschutzgesetz- ArbSchG. Nach § 4 Nr. 6 ArbSchG sind beispielsweise spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen. Zudem hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht. Nach § 618 BGB muss er alles dafür tun, damit Angestellte ihre Arbeit gefahrlos erledigen können. Der Arbeitgeber muss also Maßnahmen treffen, damit sich Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz anstecken. Dazu gehören insbesondere eine regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Arbeitsräume und Arbeitsmittel, sowie das Zur Verfügung stellen von Desinfektionsmitteln, vor allem in den sanitären Anlagen.

Dürfen Mitarbeiter sich weigern, angeordnete Schutzmaßnahmen zu befolgen?

Der Arbeitgeber hat ein Direktionsrecht, das sogenannte Weisungsrecht nach § 106 Gewerbeordnung- GewO. Er darf daher seine Mitarbeiter dazu verpflichten, einen Mundschutz zu tragen und sich regelmäßig die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. In einer Situation wie dieser, sind solche Maßnahmen vom Direktionsrecht gedeckt.

Gibt es einen Betriebsrat, so ist bei solchen Maßnahmen allerdings das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz- BetrVG zu beachten.

Dürfen Arbeitgeber bei einem Verdacht auf eine Corona- Infektion eine ärztliche Untersuchung der Mitarbeiter verlangen?

Der Arbeitgeber darf nicht massiv in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingreifen. Das Direktionsrecht deckt beispielsweise nicht Anordnungen auf ärztliche Untersuchungen. Insbesondere wird der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht dazu verpflichten können, sich impfen zu lassen, sobald ein Impfstoff erhältlich ist.

Müssen Mitarbeiter bei einer Ansteckung mit dem Coronavirus den Arbeitgeber informieren?

Die Arbeitgeber sind zwar dazu verpflichtet, sich umgehend beim Arbeitgeber krankzumelden. Die Art der Erkrankung müssen sie jedoch grundsätzlich nicht mitteilen.

Da es sich bei dem Coronavirus aber um eine hochansteckende Krankheit handelt, kann man aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht herleiten, dass Arbeitnehmer ausnahmsweise die Art ihrer Erkrankung mitteilen oder sogar mitteilen müssen. Ansonsten kann der Arbeitgeber keine entsprechenden Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus ergreifen.

Solche Punkte können Unternehmen zum Beispiel als gesonderte Betriebsvereinbarung zu Infektionskrankheiten regeln.

Gerne beraten wir Sie hierbei und geben Tipps bei der Ausgestaltung.

Was sollten Arbeitgeber bei Verdacht oder bestätigtem Fall einer Corona- Infektion tun?

Erkrankt ein Mitarbeiter am Coronavirus oder besteht ein begründeter Verdacht, sollten Arbeitgeber eng mit dem zuständigen Gesundheitsamt zusammenarbeiten. Weisen auch andere Mitarbeiter Corona-Symptome (Husten, Schnupfen, Halskratzen und in manchen Fällen Durchfall) auf, sollten Arbeitgeber sie nach Hause schicken.

Dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter nach Hause schicken?

Arbeitgeber dürfen Mitarbeiter anweisen, zu Hause zu bleiben. Zu beachten ist aber, dass man den Mitarbeiter bezahlt freistellen muss.

Auch Home-Office darf nicht einseitig angeordnet werden. Es muss auch vom Arbeitnehmer akzeptiert werden. Weigert sich ein Mitarbeiter im Home-Office zu arbeiten, muss der Arbeitgeber ihn von seiner Arbeitspflicht entbinden und bezahlt freistellen.

Dürfen Arbeitnehmer aus Angst vor einer Corona- Infektion im Home- Office arbeiten?

Angst alleine reicht nicht aus, um im Home-Office zu arbeiten. Liegt kein konkreter Verdacht vor, muss der Mitarbeiter zu seiner Arbeitsstelle erscheinen, außer man hat dies mit dem Arbeitgeber vereinbart. Liegt aber ein konkreter Verdacht vor, dass sich ein Mitarbeiter mit dem Corona Virus infiziert hat, kann der Arbeitnehmer, um andere vor einer Ansteckung zu schützen, von zu Hause arbeiten, wenn seine Tätigkeit und Wohnsituation dies ermöglichen.

Lohnfortzahlung und Entgeltrisiko

Bekommen Mitarbeiter in Quarantäne weiter Gehalt?

Im Hinblick auf den Gesundheitsschutz kann es erforderlich sein, dass Mitarbeiter, die in letzter Zeit selbst in einem Risikogebiet waren, nach ihrer Rückkehr zwei Wochen in häuslicher Quarantäne sind und daher der Arbeit fernbleiben müssen. Für diese Arbeitnehmer wird- soweit nicht wirksam ausgeschlossen- auch für die Zeit der Quarantäne Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB geleistet.

Bekommen Selbstständige, die wegen des Coronavirus unter Quarantäne stehen, Entschädigungszahlungen?

Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung. Sie beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten Jahres vor der Quarantäne. Laut § 56 Absatz 4 IfSG erhalten Selbständige, die einen Betrieb oder eine Praxis haben, zudem „von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang“.

Was ist wenn der Arbeitnehmer selbst erkrankt?

Erkrankt der Arbeitnehmer selbst, hat er zunächst Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes- EfZG.

Gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist eine Erstattung dieser Lohnfortzahlungsleistungen möglich, wenn ein behördliches Beschäftigungsverbot besteht. Die Erstattung muss der Arbeitgeber beim zuständigen Gesundheitsamt beantragen.

Soweit der Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt ist und sogleich von den Behörden nach § 31 S. 2 IfSG ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet worden ist, konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 3 EfZG mit dessen Entschädigungsanspruch infolge des Beschäftigungsverbotes nach § 56 Abs. 1 IfSG.

Danach wird derjenige, der einem Beschäftigungsverbot unterliegt, vom Staat entschädigt. Er erhält in Höhe seines Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen eine Entschädigung, die dem Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV entspricht.

Der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG besteht auch bei Ansteckungsverdächtigen (§ 56 Abs. 1 S.1 IfSG).

Insoweit wäre zu empfehlen, wenn Arbeitnehmer entweder selbst erkrankt sind oder aber ein Ansteckungsverdacht besteht bzw. ein Quarantänegrund vorliegt, hier die Erstattung der Entgeltfortzahlung zu beantragen. Mit dem örtlichen Gesundheitsamt ist stets zu klären, ob ein behördliches Beschäftigungsverbot besteht. Bei Arbeitnehmern hat nach § 56 Abs. 5 IfSG der Arbeitgeber die Entschädigung in Geld zu leisten. Der Arbeitgeber kann bei der zuständigen Behörde innerhalb von drei Monaten nachträglich Erstattung der geleisteten Beträge beantragen. Nach § 56 Abs. 12 IfSG kann der Arbeitgeber bei der zuständigen Behörde beantragen, dass ihm ein Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages gewährt wird.

Schul- und Kitaschließung in Bayern- Was nun?

Seit heute Morgen wurden die Schulen und Kindertagesstätten in Bayern bis voraussichtlich zum Ende der Osterferien geschlossen.

Haben Mitarbeiter Anspruch auf Lohn, wenn Sie wegen der Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen?

Gemäß § 45 Abs. 1 und 2 SGB V haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf Krankengeld bei notwendiger Betreuung eines erkrankten Kindes bis maximal 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für maximal 20 Arbeitstage.

Diese Norm greift allerdings vom Wortlaut her dann nicht, wenn das Kind nicht erkrankt ist, sondern von einer Schulschließung bzw. Kitaschließung betroffen ist oder aus individuellen Gründen gemäß Anordnung des Gesundheitsamts die Schule nicht besuchen darf, ohne selbst erkrankt zu sein.

In diesen Fällen greift § 616 BGB. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung auch dann, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird; hier: Pflege eines erkrankten Kindes. Diese Regelung gilt auch für Fälle, in denen das Kind zwar nicht selbst erkrankt ist, aber unter Quarantäne steht bzw. von einer Schul- oder Kitaschließung betroffen ist. Auch hier ist der Arbeitnehmer kurzzeitig ohne eigenes Verschulden an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert.

Vor diesem Hintergrund erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für eine verhältnismäßige Zeit, Entgeltfortzahlung zur Betreuung dieser betroffenen Kinder, soweit diese das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Hier wird regelmäßig der Inhalt von § 45 SGB V in § 616 BGB hineininterpretiert. Der Zeitraum hängt immer vom Einzelfall und der Kulanz des Arbeitgebers ab.

Bei älteren Kindern muss zunächst individuell gesehen werden, ob hier nicht anderweitige Lösungen getroffen werden bzw. eine dauerhafte Betreuung erforderlich ist.

Soweit in einem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag § 616 BGB abbedungen wurde- was rechtlich zulässig ist -, muss zunächst kritisch geprüft werden, ob dieser Ausschluss wirksam vereinbart worden ist. Bei einem tariflichen Ausschluss ist dies eher wahrscheinlich, soweit der Tarifvertrag wirksam arbeitsvertraglich einbezogen wurde. Insoweit findet keine AGB- Kontrolle statt. Dies gilt nach der Rechtsprechung aber nur bei vollständiger Einbeziehung des Tarifvertrages.

Bei einem arbeitsvertraglichen Ausschluss des § 616 BGB wird AGB-rechtlich geprüft werden müssen, ob dieser transparent erfolgt ist, § 305 c BGB.

Auch ist nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Ausschluss gemäß § 307 Abs. 2 BGB als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gewertet wird, da von einem gesetzlichen Leitbild abgewichen wird.

Muss der Arbeitgeber das Gehalt weiter zahlen, wenn Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anweisung zu Hause bleiben müssen oder der gesamte Betrieb geschlossen wurde?

  1. Berufliches Tätigkeitsverbot

Der Bundesgerichtshof sieht im Fall eines angeordneten beruflichen Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG einen vorübergehenden und persönlichen Verhinderungsgrund, der den Arbeitgeber nach § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (BGH, Urteil vom 30.11.1978, III ZR 43/77).

Will sich der Arbeitgeber dem entziehen, muss er also § 616 BGB vertraglich, per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abbedingen. Sofern allerdings – wie in der Regel – nicht nur ein, sondern mehrere Arbeitnehmer von einem Tätigkeitsverbot erfasst sind, dürfte ein objektives Leistungshindernis anzunehmen sein. In diesem Fall scheidet § 616 BGB und damit die Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung der Vergütung aus. Die Behörde ist dann zur Entschädigungsleistung nach § 56 IfSG verpflichtet.

  1. Behördliche Schließungsanordnung des gesamten Betriebes

Ordnet die zuständige Behörde die Schließung des gesamten Betriebes an, ist es vertretbar eine Vergütungsfortzahlungspflicht des Arbeitgebers abzulehnen. Der Grund für die Betriebsschließung stammt in den meisten Fällen nicht aus der Sphäre des Arbeitgebers und ist nicht vom allgemeinen Betriebsrisiko erfasst (vgl. § 615 S. 3 BGB).

Zumeist wird es sich bei einer Schließung aufgrund von einer Pandemie um eine allgemeine Gefahrenlage handeln, die alle Betriebe gleichermaßen betrifft. Die Unternehmen sollten daher einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde nach § 56 IfSG geltend machen.

  1. Freie Entscheidung des Arbeitgebers

Ein Unternehmen muss das Gehalt seiner Arbeitnehmer weiter zahlen, wenn es seine Arbeitnehmer freiwillig, etwa rein aus Gründen betriebsinterner Vorsorge von der Pflicht zur Arbeitsleistung freistellt. Das Risiko, seine arbeitsbereiten Mitarbeiter beschäftigen zu können (sog. Betriebsrisiko, § 615 S. 3 BGB), trägt der Arbeitgeber. Den dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schaden kann der Arbeitgeber dadurch reduzieren, dass er die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine weitere Arbeitstätigkeit der Arbeitnehmer aus dem Homeoffice heraus oder im Wege der Kurzarbeit schafft.

Gerne prüfen wir für Sie als betroffene Arbeitnehmer Ihre Ansprüche im Hinblick auf Lohnfortzahlung und besprechen mit Arbeitgebern entsprechende Handlungsempfehlungen und etwaige Entgeltrisiken.

Haben Sie noch weitere Fragen zur aktuellen Coronakrise?

Dann lesen Sie auf unserem Blog „Arbeitsrecht in der Coronakrise“ weiter oder vereinbaren Sie einen individuellen Beratungstermin in unserer Kanzlei.