Arbeitsrecht - EuGH stärkt Recht auf Urlaub
Urlaubsansprüche verjähren nur, wenn der Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet wurde. Das nationale Verjährungsrecht ist in diesem Sinne auszulegen, urteilte der EuGH.
Wenn ein Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nicht auf den möglichen Verfall von Urlaub hingewiesen hat, kann ein Urlaubsanspruch nicht verjähren. Die deutschen Regelungen zur Verjährung sind insoweit unionsrechtswidrig. Denn ein Arbeitgeber, der seine Hinweispflichten verletzt, dürfe nicht noch mit der Verjährung belohnt werden, urteilte der EuGH (Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21).
Hintergrund
Eine vormals in einer Kanzlei tätige Steuerfachangestellte klagte auf Urlaubsabgeltung der Vorjahre. Sie war von 1996 bis Juli 2017 beschäftigt und konnte den ihr zustehenden Urlaub aufgrund ihres großen Arbeitsvolumens nicht vollständig nehmen. Die Hinweismitwirkungsobliegenheiten, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Angestellte ihn nicht nimmt, hatte Ihr Arbeitgeber indes nicht erfüllt. Als die Mitarbeiterin 2018 die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich Ihr Arbeitgeber auf die Verjährung dieser Ansprüche.
Während das erstinstanzlich erkennende Arbeitsgericht Solingen die Klage hinsichtlich der nach nationalen Recht verjährten Ansprüche abwies, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin recht. Auf die arbeitgeberseitige Revision hin legte das BAG dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs gemäß der §§ 194 Abs. 1, 195 BGB trotz Verletzung der Hinweispflichten gestattet. Das BAG betonte, dass die Anspruchsverjährung auch Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles sei, Rechtsfrieden und Sicherheit herzustellen und daher auch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleiten sei.
EuGH-keine Belohnung für Pflichtverletzung
Der EuGH bestätigte zwar, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzieller Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Allerdings sei dieses Interesse nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Denn dadurch habe er sich selbst in eine Situation gebracht, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert werde und überdies zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte. Daher stehe das nationale Verjährungsrecht Deutschlands den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie entgegen, wenn dies zum Urlaubsverfall beim nicht aufgeklärten Arbeitnehmer führt.
Nach dem EuGH ist also die positive Kenntnis über die Rechtslage notwendig, damit die Verjährung zu laufen beginnt. Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände allein reicht nicht aus. Der EuGH hat mit diesem Urteil erneut seine Rechtsprechung verstärkt und betont seit jeher, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub als wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union zwingenden Charakter genießt (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16). Einschränkungen daran sind grundsätzlich unzulässig.
In unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen hinsichtlich der Frage, ob Ihre Urlaubsansprüche bereits verjährt sind oder nicht, kompetent zur Verfügung.