Gesellschaftsrecht – Gesellschaftsstreit – treuwidrige Anmaßung der Gesellschafterstellung – Ansprüche des Mitgesellschafters
Die unter sittenwidriger Anmaßung der Alleingesellschafterstellung beschlossenen Satzungsänderungen sind für die Zukunft rückgängig zu machen.
KG Berlin, Urteil vom 21.10.2021 – 2 U 121/18
Hintergrund
Dem Urteil des Kammergerichts liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der F. GmbH. Er hielt jedoch 80 % der Anteile treuhänderisch für P., den Kläger. Am 26.08.2011 kündigte P. den Treuhandvertrag, so dass die 80 %ige Beteiligung auf ihn überging. Der den Treuhandvertrag seinerzeit beurkundende Notar reichte daraufhin eine neue Gesellschafterliste ein, die P. mit 80 % und S. mit 20 % am Stammkapital der GmbH auswies. Daraufhin reichte S. am 02.09.2011 eine neue Gesellschafterliste ein, die wiederum ihn als Alleingesellschafter auswies. Am 20.10.2011 hielt S. sodann als formal alleiniger Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss mit allen Stimmen unter anderem, dass das generelle Beschlussquorum in der F. GmbH auf 85 % festgesetzt wird (faktisches Veto-Recht für S.) und dass stets der Geschäftsführer der F. GmbH, also S., Versammlungsleiter sei.
Obgleich das LG Frankfurt am Main mit Urteil vom 27.06.2012 rechtskräftig feststellte, dass P. seit der Kündigung des Treuhandvertrages Inhaber der 80 %igen Beteiligung ist, weigerte sich S. nach wie vor, eine geänderte Gesellschafterliste einzureichen. Schließlich erwirkte P, dass ein Notar am 10.07.2014 eine geänderte Gesellschafterliste einreichte. Als S. daraufhin wiederum versuchte, eine ihn als Alleingesellschafter ausweisende Gesellschafterliste einzureichen, verweigerte das Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg die Aufnahme.
P. forderte nun von S., dass dieser den ursprünglichen Satzungszustand wiederherstellt, also an einer entsprechenden Satzungsänderung mitwirkt. P. sei von S. vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt worden, so dass er Schadensersatz von S. verlangen könne. Der Schadensersatzanspruch würde in der Rückänderung der Satzung bestehen. P. trägt dagegen vor, dass der gefasste Beschluss nicht angefochten wurde und damit bestandskräftig sei. Zudem habe er den Treuhandvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Das LG Berlin folgte der Argumentation von S. und wies die Klage ab. Hiergegen legte P. Berufung beim Kammergericht ein.
Kammergericht gibt Berufung statt
Das Kammergericht hat der Berufung stattgegeben und das Urteil des Landgerichts entsprechend abgeändert. S. habe P. vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. S. habe bereits deshalb mit Vorsatz gehandelt, weil er damit gerechnet habe, dass P. Gesellschafter der F. GmbH geworden ist. Wenn S. selbst davon ausgegangen sein wäre, dass der Treuhandvertrag wegen der Anfechtung nichtig sei, hätte er nicht zwei Wochen nach Eskalation des Gesellschafterstreits die Satzung der F. GmbH zu seinen Gunsten in der Weise geändert, dass er P. in seinen Rechten als Gesellschafter einschränkt. Auch konnte S. im Verfahren nicht darlegen, weshalb er die Änderungen in der Satzung sonst vorgenommen hätte, wenn nicht zur Schädigung von P. Seit dem Urteil des Landgerichtes Frankfurt am Main ist auch unstreitig, dass P. Gesellschafter der F. GmbH ist. Die Sittenwidrigkeit der Schädigung ergäbe sich darauf, dass S. in besonders verwerflicher Weise eine formale Rechtsposition ausgenutzt, das berechtigte Vertrauen von P. in laufende Vergleichsverhandlungen verletzt und letztlich zu eigensüchtigen Zwecken gehandelt habe.
Der Schaden bestehe darin, dass der von P. gehaltene Geschäftsanteil im Wert gemindert sei, da es durch die generelle Änderung des Beschlussforums nunmehr stets eine Sperrminorität habe. Auch die Regelung, dass der Geschäftsführer Versammlungsleiter sei, führe dazu, dass P. seine Rechte in der Gesellschafterversammlung nicht richtig ausüben könne. Angesichts des Streits zwischen den Parteien müsse P. davon ausgehen, dass S. die Versammlungen nicht unvoreingenommen leiten wird. Damit sei der Bestand der Mitgliedschaftsrechte von P. in erheblichem Maß betroffen. Spiegelbildlich dazu sei die Gesellschafterstellung von S. gestärkt worden, was letztlich auch zur Vermögensvermehrung von S. führte. Ein Anspruch von P. sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, da die Mitgesellschafter eine GmbH nur in sehr engen Grenzen zu einer bestimmten Stimmenabgabe verpflichtet werden können. Diese aus der Treuepflicht erwachsene Stimmpflicht sei nicht mit jener vergleichbar, die sich aus der Rückgängigmachung einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung ergebe.
Fazit
Der vom Kammergericht entschiedene Fall zeigt einmal mehr auf, dass sich die formellen Wirkungen der Gesellschafterliste einer GmbH sehr oft nicht mit den tatsächlichen Geschehnissen in einem Gesellschafterstreit vereinbaren lassen. Der Fall unterstreicht auch, wie schwierig es sein kann, eine einmal eingetretene Rechtssituation wieder für die Zukunft rückgängig zu machen.
Der entschiedene Fall zeigt deutlich, wie wichtig eine gute rechtliche Beratung bei Gesellschafterstreitigkeiten ist.
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