Arbeitsrecht - Rechtswegzuständigkeit des Zivilgerichts für GmbH-Geschäftsführer
Ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss im Verfahren über die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO entfaltet keine Bindungswirkung für das anschließende Hauptverfahren.
Hintergrund:
In dem hier vom BAG entschiedenen Fall hatte eine bei einer GmbH angestellte Fremdgeschäftsführerin ihr Anstellungsverhältnis gekündigt und zugleich ihr Amt als Geschäftsführerin niedergelegt. Ihre Eintragung als Geschäftsführerin im Handelsregister wurde gelöscht. Sodann hat die Geschäftsführerin beim Landgericht Wiesbaden beantragt, für ein beabsichtigtes Klageverfahren auf Urlaubsabgeltung für die nunmehr geschäftsführerlose GmbH einen besonderen Vertreter nach § 57 ZPO zu bestellen. Das Landgericht Wiesbaden hat den beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Sache an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen. Dieses hat sodann Rechtsanwalt Karg gemäß § 57 ZPO als Prozesspfleger für die GmbH bestellt. Mit ihrer in der Folge beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen Klage verlangt die Geschäftsführerin die Abgeltung von insgesamt 33 Urlaubstagen aus den Jahren ihrer Geschäftsführertätigkeit. Dabei ging sie davon aus, der rechtskräftige Verweisungsbeschluss des Landgerichts Wiesbaden entfalte gemäß § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG Bindungswirkung für das Prozessgericht.
Arbeitsgericht verneint Zuständigkeit
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Wiesbaden verwiesen. Das hessische Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Geschäftsführerin zurückgewiesen. Die daraufhin von ihr erhobene Rechtsbeschwerde hat nun das BAG ebenfalls zurückgewiesen. Die nach § 17 Abs. 4 S. 4 GVG statthafte und nach §§ 78 ArbGG, 574 ff. ZPO zulässige Rechtsbeschwerde der Geschäftsführerin sei unbegründet, das LAG habe im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei.
Der Verweisung des Rechtsstreits durch das LAG stand nicht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Beschlusses des LG Wiesbaden vom 29.09.2020 entgegen, mit dem dieses für das Bestellungsverfahren nach § 57 ZPO den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erachtet und die Sache an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen hat. Gemäß §§ 17 a Abs. 2 S. 3 GVG, 48 Abs. 1 ArbGG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bezieht sich auf den Rechtsstreit, in welchem er ergangen ist. Der Begriff Rechtsstreit in § 17 a Abs. 2 GVG erfasst nicht nur das kontradiktorische Erkenntnisverfahren, sondern kann weitere, dem Erkenntnisverfahren vor-, nach- oder nebengelagerte Verfahren erfassen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut, der in § 17 Abs. 2 S. 2 GVG neben dem Geschäftsführer den Antragsteller aufführt und entspricht dem Ziel der Regelung, Gerichtsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, indem ohne langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten Klarheit über den zulässigen Rechtsweg erlangt werden kann.
Danach hat ein im Verfahren auf Bestellung eines Prozessvertreters nach § 57 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss keine bindende Wirkung für das sich anschließende Hauptsacheverfahren. Es handelt sich insoweit um zwei verschiedene Rechtsstreitigkeiten. Fiele die Beurteilung anders aus, wäre der nicht prozessfähigen Partei entgegen Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg versperrt. Sie hätte weder in dem vorgelagerten Bestellungsverfahren nach § 57 ZPO noch in dem sich daran anschließenden Hauptsacheverfahren die Möglichkeit, die Zuständigkeitsfrage klären zu lassen. Mangels Prozessfähigkeit könnte sie gegen eine Entscheidung über den Rechtsweg im Bestellungsverfahren nicht die nach § 17 Ar Abs. 4 GVG vorgesehenen Rechtsmittel einlegen und wäre dann im sich anschließenden Erkenntnisverfahren daran gebunden. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ArbGG eröffnet. Der rechtliche Charakter eines Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich nicht allein dadurch, dass er abberufen wird. Das Anstellungsverhältnis wird durch den Abberufungsakt nicht zum Arbeitsverhältnis und der Organvertreter nicht zur arbeitnehmerähnlichen Person. Die Gerichte für Arbeitssachen sind deshalb zur Entscheidung des Rechtsstreits nur berufen, wenn es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG handelt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der Rechtsstreit war daher an das zuständige Landgericht zu verweisen. (BAG, Beschluss vom 08.02.2022 – 9 AZB 40/21)
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