DFB vor dem BGH: Verbandsautonomie und Verschuldensprinzip - Wer haftet für Pyroeinsätze der Fans?
Wegen Bengalos und andere Pyrotechnik in Fanblöcken verhängt der DFB regelmäßig hohe Geldstrafen gegen Vereine. Grundsatzfrage ist seit jeher, ob er dies überhaupt darf. Diese Frage klärt nun der Bundesgerichtshof (BGH). Das Verfahren hat der Regionalist FC Carl Zeiss Jena angestoßen. Zwischen den Parteien wird über die Haftung für Pyroeinsätze der Fans im Stadium gestritten. Die Verbandsstatuten des DFB ziehen es vor, dass der Verein zahlen muss, wenn Fußballfans im Stadion Pyrotechnik verwenden. Solche Vorfälle sind nicht die Regel, kommen aber gelegentlich vor. Der Verband verhängt dann eine Geldstrafe gegen den Verein. Rekordhalter ist ein Spiel zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli: Wegen einem Feuerwerk bei dem Zweitliga Nordderby musste St. Pauli 180.000,00 €, der HSV sogar 250.000,00 € Strafe zahlen. Bei dem Viertligisten FC Carl Zeiss Jena geht es um 24.900,00 €. Diesen Betrag macht der DFB von dem Verein für drei Vorfälle aus dem Jahr 2018 geltend. Jena Fans sollen Pyrofeuerwerk abgefackelt und Gegenstände auf das Spielfeld geworfen haben. Nach weiteren Vorfällen beläuft sich der Betrag inzwischen auf knapp 100.000,00 €. Zwar hat der Verein die Strafe beglichen, fordert sie aber nun vom DFB zurück, da sie unrechtmäßig sei.
Auch DFB kann Pyroeinsätze nicht verhindern
Der FC Carl Zeiss Jena möchte die verhängte Geldstrafe nicht akzeptieren und argumentierte insbesondere damit, dass seitens des Vereins alles versucht worden sei, um Pyrotechnik im Stadion zu verhindern. Manche Fans würden aber trotzdem Mittel und Wege finden, die der Verein auch mit höchsten Sicherheitsmaßnahmen nicht verhindern könne. Außerdem verteidigt sich der Verein mit dem Verweis auf ein DFB-Pokalfinale. Bei diesen Spielen ist der DFB selbst Veranstalter, doch auch hier kommt es zu Pyroeinsätzen. Jena verweist also darauf, dass es dem DFB selbst nicht gelinge, Pyrotechnik zu verhindern. Dies sei ein Beweis dafür, dass es schlicht nicht zu verhindern sei.
FCC unterlag in allen Instanzen
Mit dieser Argumentation hatte der FCC bislang keinen Erfolg. Bereits in der Sportgerichtsbarkeit unterlag Jena vor dem DFB Bundesgericht. Dieses ist zum einen als Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen des Sportgerichts des DFB zuständig, aber auch in erster Instanz für Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung eines Verwaltungsorgans des DFB – sogenannte Verwaltungsbeschwerdeverfahren. Anschließend unterlag der FCC auch vor dem ständigen Schiedsgericht für die dritte Liga. Auch vor dem anschließenden Zivilgericht, dem OLG Frankfurt am Main, konnte der Viertligist keinen Erfolg verbuchen. Das OLG entschied, dass der Schiedsspruch des ständigen Schiedsgerichts der dritten Liga nicht aufzuheben sei und es bei der verhängten Geldstrafe bleibt. Beim Sportgericht handle es sich um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO und die Haftungsverteilung zulasten eines Vereins in punkto Pyroeinsätze verstoße nicht gegen allgemeine Grundsätze der öffentlichen Ordnung. Nun müssen die Karlsruher Richter entscheiden, ob sie den Schiedsspruch aufheben. Dies ist nur möglich, wenn er elementare Grundsätze der Rechtsordnung verletzt.
§ 9 a Rechts- und Verfahrensordnung DFB
Die Rechtsgrundlage für die geregelte Verbandsstrafenhaftung findet sich in § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Bei der Norm handle es sich, so das OLG, um eine nicht zu beanstandende Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter. In § 9a Abs. 1 der Ordnung wird normiert, dass ein Verein zunächst für das Verhalten von beispielsweise Spielern, Mitarbeitern und Zuschauern verantwortlich ist. Im zweiten Absatz heißt es weiter, dass der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art haften.
Zwischen den Fußballvereinen und dem DFB besteht demnach ein vertraglich festgehaltenes Rechtsverhältnis. Ein solches besteht allerdings nicht zwischen dem DFB und dem Fan, der Pyrotechnik im Stadion entzündet. Somit kann der Verband den eigentlichen Verursacher nicht in Haftung nehmen und greift durch § 9 a seiner Rechts- und Verfahrensordnung auf die Vereine zurück. Im Übrigen empfiehlt der DFB den Vereinen, sich die Gelder von den Verursachern zurückzuholen.
Mündliche Verhandlung vor dem BGH
In dem Rechtsstreit vor dem BGH wird es insbesondere um das Zusammenspiel von Verbandsautonomie und zivilrechtlichem Verschuldensprinzip gehen. Denn es gibt erhebliche Zweifel, ob die Haftungsregelung rechtmäßig ist. Es gibt zwar zum einen die verfassungsrechtlich garantierte Verbandsautonomie, auf die sich der DFB berufen könnte. Verbände können grundsätzlich selbst entscheiden und sich ein eigenes Regelwerk vorgeben. Doch zum anderen gibt es im deutschen Zivilrecht auch das Verschuldensprinzip, wonach einer sanktionierten Rechtsfolge eine schuldhafte Handlung vorausgehen muss. Dabei müssen Tatbestand und Rechtsfolge verhältnismäßig sein. Seitens des DFB wird darauf verwiesen, dass es eine solche Haftungsregelung auch in anderen Bereichen des Zivilrechts gibt, so beispielsweise im Straßenverkehr. Gemeint ist hierbei die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG, wonach der Halter eines Kraftfahrzeugs ohne Verschulden haftet, wenn bei dem Betrieb seines KFZ ein anderer verletzt oder getötet oder eine Sache beschädigt wird. § 7 Abs. 1 StVG stellt also auch eine Ausnahme des Verschuldensprinzips dar.
Den BGH wird daher insbesondere auch die Frage beschäftigen, ob eine vom DFB geregelte Ausnahme des Verschuldensprinzips Anwendung finden kann. Sollte dies der Fall sein, könnte es im Weiteren um die Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge gehen. Verbandsrechtler wie Johannes Arnold halten die hohen Geldstrafen für unverhältnismäßig. „Sie würden keine wettkampfsichernde Wirkung zeigen, weshalb sie als Sanktionsmaßnahmen im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Haftung eher unwirksam seien.“
Die Entscheidung des BGH wird mit Spannung erwartet, da sie nicht nur die Grundsatzfrage klärt, wer bei Pyroeinsätzen von Fans haftet, sondern auch das zivilrechtliche Spannungsfeld zwischen Verbandsautonomie und Verschuldensprinzip genauer beleuchtet.
Dieser Rechtsfall zeigt erneut, dass sich im Sportrecht häufig Verbandsrecht und staatliches Recht überschneiden und es oft schwierig zu beurteilen ist, welchem Recht der Vorzug zu geben ist.
In unserer auf das Zivil- und Sportrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei derartigen Grenzfällen kompetent zur Seite.