Neues BGH- Urteil im Mietrecht zu Schönheitsreparaturen: Mieter und Vermieter sollen sich die Renovierungskosten für Schönheitsreparaturen teilen 

Mieter, die vor längerer Zeit in eine unrenovierte Wohnung eingezogen sind, dürfen von ihren Vermietern Schönheitsreparaturen fordern, müssen sich aber anteilig an den Kosten beteiligen (BGH, Urteil vom 08.07.2020 – XIII ZR 163/18; VIII ZR 270/18).

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 08.07.2020 in zwei Verfahren entschieden, „dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt“.

 

Hintergrund

Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass so gut wie alle Mietverträge die sogenannten Schönheitsreparaturen dem Mieter aufbürden. Grundsätzlich ist das auch erlaubt. Allerdings ist nicht jede gängige Klausel zulässig. Mieter, die ihre Wohnung unrenoviert beziehen, müssen diese zum Beispiel grundsätzlich nicht auf eigene Kosten herrichten. Sonst müssten sie die Räume im ungünstigsten Fall schöner zurückgeben, als sie sie selbst übernommen haben, entschied der BGH im Jahr 2015. Derartige Klauseln im Mietvertrag sind unwirksam. Allerdings war bisher ungeklärt, ob stattdessen der Vermieter einspringen muss. Nach § 535 BGB muss er die Wohnung „in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand“ überlassen und „in diesem Zustand“ erhalten.

 

Zu den Fällen

 

Verfahren VIII ZR 163/18:

Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) € 7.312,78 gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

 

Verfahren VIII ZR 270/18:

In diesem Verfahren begehrt der Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.

 

Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar sind die Berufungskammern in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt wurde. Der BGH hat damit seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20). Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Verfahren VIII ZR 163/18 führt das aber nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat – was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 bzw. 25 Jahre) naheliegt. Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

 

Wer eine Renovierung fordert muss sich an den Kosten beteiligen

Gemäß § 535 Abs. 1 BGB muss der Vermieter die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und diesen Zustand erhalten. Allerdings gibt es zum Ursprungszustand kein Zurück. Die Wohnungen sind, auch wenn sie bei Einzug unrenoviert waren, abgewohnter als zu Beginn. Würde der Vermieter nun renovieren, wäre ihr Zustand viel besser als zu Beginn des Mietverhältnisses. Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine „frische“ Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten. Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR 270/18) die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie im Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten.

 

Kritik von Mieter- und Eigentümerverbänden

Der Deutsche Mieterbund kritisierte das Urteil als unverständlich. Der Vermieter habe den Mieter zu regelmäßigen Renovierungen verpflichten wollen – unabhängig vom Zustand der Wohnung. Keine anderen Anforderungen dürfen aber dann für den Vermieter gelten, wenn die Abwälzung seiner Pflicht zur Instandhaltung der Wohnung auf den Mieter gescheitert ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb hier mit zweierlei Maß gemessen wird, sagte Präsident Lukas Siebenkotten. Das Urteil werde zu weiterem Streit über die Kostenaufteilung führen.

Auch der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland befürchtet große Probleme bei der praktischen Umsetzung und wachsendes Misstrauen zwischen Mietern und Vermietern, die sich während des Mietverhältnisses nun immer im Einzelfall verständigen müssten. Verbandspräsident Kai Warnecke warnte vor steigenden Mieten. Ist der Vermieter verpflichtet, während eines laufenden Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen auszuführen, muss er diese Kosten in die Miete einpreisen, sagte er. Das treffe auch Mieter, die nur wenige Jahre in der Wohnung lebten und nicht in den Genuss einer Renovierung kämen. Schönheitsreparaturen sollen daher Mietersache sein Das müsse der Gesetzgeber nach diesem Urteil klarstellen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Kompromisslösung in der Praxis umsetzen lässt und ob hierdurch die Streitereien in Bezug auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen tatsächlich abnehmen.

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