Erbrecht: BGH- Kein Anspruch auf anteilige Kostenerstattung für Erbscheinserteilung
Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden neben der Regelung über die Verwaltung des Nachlasses gemäß § 2038 Anwendung (BGH, Urteil vom 07.10.2020 – IV ZR 69/20).
Hintergrund
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nimmt die Klägerin den Beklagten auf anteilige Kostenerstattung für die Erteilung eines Erbscheins in Anspruch. Der am 25. Februar 2015 verstorbene Vater der Parteien, der kein Testament hinterlassen hatte, wurde im Wege der gesetzlichen Erbfolge von seiner Ehefrau zu 1/2, den Parteien des Revisionsverfahrens sowie einem weiteren Bruder zu je 1/6 beerbt. Zum Nachlass gehört auch ein Hausgrundstück. Die Klägerin beantragte bei dem zuständigen Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihr am 7. Dezember 2015 erteilt wurde. Am 17. Dezember 2015 wurden die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Vater der Parteien als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Das Nachlassgericht stellte der Klägerin für die Erteilung des Erbscheins einen Betrag in Höhe von € 1.870,00 in Rechnung, den sie beglich. Am 9. Dezember 2018 verstarb die Mutter der Parteien, die aufgrund testamentarischer Erbfolge durch den Beklagten beerbt wurde. Die Klägerin hat den Beklagten und seinen Bruder auf anteilige Erstattung der Kosten für die Erteilung des Erbscheins in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von € 1.246,67 sowie seinen Bruder zur Zahlung von € 311,67 jeweils nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Landgericht verneint Anspruch auf anteilige Kostenerstattung
Das Landgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf anteilige Kostenerstattung für die Erteilung des Erbscheins zu. Ein Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich bestehe nicht, da im Verhältnis zur Gerichtskasse keine Gesamtschuld der Parteien bestehe. Ein Anspruch aus § 2038 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass die Klägerin keine Einigung der Miterben über die Beantragung eines Erbscheins dargelegt habe. Ein Fall der Notgeschäftsführung sei ebenfalls nicht gegeben. Ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 BGB scheide aus, da auch nach dem Vortrag der Klägerin die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft die Beantragung eines Erbscheins nach dem Tod des Vaters abgelehnt hätten. Auch bestehe kein Anspruch der Klägerin aus § 2039 BGB i.V.m. § 683 BGB. Schließlich komme – anders als vom Amtsgericht angenommen – kein Anspruch aus § 684 BGB i.V.m. § 812 BGB in Betracht.
Vorrang des § 2038 – kein Ausgleich der Miterben für eigenmächtige Maßnahmen
Nach Ansicht des LG könnten die Vorschriften nicht als Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch herangezogen werden, da der Vorrang des § 2038 BGB einen Ausgleich der Miterben für eigenmächtige Maßnahmen nach allgemeinen Vorschriften ausschließe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beantragung des Erbscheins unter Umständen ohnehin hätte erfolgen müssen. So stehe nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes einem Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführe, auch dann kein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zu, wenn die von dem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 254/17). Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar, da § 2038 Abs. 1 BGB eine ähnliche Regelung wie § 21 Abs. 4 WEG enthalte.
BGH bestätigt LG im Ergebnis – Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausgleich
Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich aus § 2038 Abs. 1 BGB oder aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 BGB auf Erstattung der anteiligen Kosten für die Beantragung des Erbscheins zusteht. Auch steht der Klägerin kein Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung gemäß § 684 S. 1 i.V.m. § 812 BGB zu. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen des § 683 BGB nicht vor, so ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. In der Beantragung des Erbscheins durch die Klägerin für die Erbengemeinschaft liegt ein jedenfalls auch fremdes Geschäft. In diesen Fällen wird regelmäßig ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet (vgl. BGH, Urteile vom 2. November 2006 – III ZR 274/05, NJW 2007, 63 Rn. 15; vom 20. Juni 1963 – VII ZR 263/61, BGHZ 40, 28 juris Rn. 14).
Die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden neben § 2038 BGB grundsätzlich Anwendung
Von der Regelung über die Verwaltung des Nachlasses in § 2038 BGB wird ein auf anderen Rechtsgrundlagen beruhender Anspruch eines Miterben gegen die übrigen auf Aufwendungsersatz oder Herausgabe einer Bereicherung nicht ausgeschlossen. Entsprechend findet nach ständiger Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung im Schrifttum das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag neben § 2038 BGB Anwendung. Diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Meinungsbildung der Erbengemeinschaft über die Verwaltung des Nachlasses durch einstimmige Entscheidungen, Mehrheitsbeschlüsse oder Notverwaltungsmaßnahmen eines einzelnen Miterben. Nicht vorgegeben wird durch § 2038 BGB demgegenüber, ob einem Miterben, der Maßnahmen auch für die Erbengemeinschaft trifft, ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen oder Herausgabe der bei den anderen Miterben eingetretenen Bereicherung zusteht.
Keine Bereicherung des Beklagten
Soweit die Klägerin den Erbschein zum Zweck der Berichtigung des Grundbuchs beantragt hat, fehlt es schon an einer herauszugebenden Bereicherung des Beklagten. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit durch die Übernahme der Kosten für die Beantragung des Erbscheins durch die Klägerin kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese den Erbschein allein beantragt hat und daher ausschließliche Kostenschuldnerin gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG ist. Zwar können im Rahmen des § 684 Satz 1 BGB auch ersparte Aufwendungen des Geschäftsherrn in Ansatz gebracht werden Der Beklagte hat aber durch die Beantragung des Erbscheins seitens der Klägerin keine Aufwendungen erspart, die ihm ohne die Tätigkeit der Klägerin zwingend ebenfalls entstanden wären. Seine Miterbenstellung ergibt sich gemäß § 1922 BGB bereits mit dem Erbfall aus dem Gesetz und setzt nicht konstitutiv die Beantragung eines Erbscheins voraus. Die Erbengemeinschaft ist mit dem Erbfall auch unmittelbar Eigentümerin des Grundstücks geworden. Zwar wurde das Grundbuch hierdurch unrichtig, da in diesem noch der Erblasser als Eigentümer eingetragen war. Insoweit wäre eine Grundbuchberichtigung durchzuführen gewesen, für die gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO grundsätzlich ein Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis erforderlich ist. Die Klägerin durfte hier aber nicht gegen den erklärten Willen der übrigen Miterben mit Kostenlast für diese einen Erbschein beantragen, um bereits 2015, im Jahr des Erbfalls, eine Grundbuchberichtigung durchzuführen.
Die Entscheidung bestätigt, dass die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch neben den spezielleren erbrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Allerdings werden Miterben durch eine eigeninitiativ vorgenommene Beantragung eines Erbscheins von einem Miterben allein, nicht ungerechtfertigt benachteiligt.
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Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht