Erbrecht - Zuwendungsverzicht
Keine Erstreckung des Zuwendungsverzichts auf den Abkömmling des Verzichtenden, wenn der Abkömmling ausdrücklich als Ersatzerbe des Verzichtenden bestimmt ist, der Verzichtende weder ein Abkömmling noch ein Seitenverwandter des Erblassers ist und der Zuwendungsverzicht nicht mit einer vollständigen Abfindung des Verzichtenden verbunden war.
OLG Celle, Beschluss vom 17.04.2023 – 6 W 37/23
Hintergrund
Die Beteiligte zu 3.) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Feststellung des Amtsgerichts, es sei der gemeinschaftliche Erbschein zu erteilen, der als Miterben zu je ein halb die Beteiligten zu 1.) und 2.) ausweist, die ehemaligen Nachbarn der Erblasserin. Seit dem 22. Mai 1970 war die 1920 geborene und im Jahr 2021 verstorbene Erblasserin in zweiter Ehe mit dem 1911 geborenen und 1982 Verstorbenen J. B. verheiratet. Die 1939 geborene Beteiligte zu 3.) ist dessen Tochter aus erster Ehe und die Mutter der 1966 ehelich geborenen Beteiligten zu 4.). Die Erblasserin und ihr zweiter Ehemann schlossen den notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 23. Juni 1970. Die Eheleute vereinbarten Gütertrennung. Der Ehemann setzte die Erblasserin und die Beteiligte zu 3.) zu gleichen Teilen als Erben ein. Als Vorausvermächtnis wandte der Erblasser ihr – sofern sie nicht wieder heiratet – das lebenslängliche Nießbrauchrecht an dem Grundstück zu.
Die Erblasserin setzte den Ehemann als Alleinerben ein. Der überlebende Ehegatte setzte jeweils die Beteiligte zu 3.) als Alleinerbin ein und bestimmte Ersatzerben sind deren ehelichen Abkömmlinge stammesweise zu gleichen Teilen. Der Ehemann der Erblasserin verstarb 1982. Die Erblasserin und die Beteiligte zu 3.) schlossen den notariellen Erbvertrag zur Erbauseinandersetzung mit Erbverzicht vom 16. September 2019. In der Urkunde ist festgestellt, dass die Erblasserin und die Beteiligte zu 3.) Erben des Ehemanns der Erblasserin zu je ein halb sind und zum Nachlass nur noch der Grundbesitz mit einem Verkehrswert von ca. 250.000,00 € gehört. Diese Erbengemeinschaft setzten die Vertragsbeteiligten dahin auseinander, dass die Beteiligte zu 3.) alleinige Eigentümerin wird und die Erblasserin auf ihren Nießbrauch verzichtet.
Weiter heißt es im Vertrag: „Ausgleichszahlungen zwischen den Beteiligten werden nicht vereinbart“. Gemäß Erbvertrag zwischen J. W. und der Erblasserin vom 23. Juni 1970 ist Schlusserbe nach dem Tod des Längerlebenden von ihnen die Beteiligte zu 3.). Der Ehemann der Erblasserin ist bereits verstorben, sodass die Beteiligte zu 3.) Alleinerbin nach der Erblasserin werden würde. Die Erblasserin möchte jedoch neu über ihren Nachlass verfügen. Als Gegenleistung für die heutige Zuwendung und den Verzicht auf den Nießbrauch verzichtet daher die Beteiligte zu 3.) hiermit für sich persönlich und für ihre Abkömmlinge auf alle Erbansprüche beim Tode der Erblasserin. Diese nimmt den Verzicht an.
Der Verzicht kann nur von den Erschienenen gemeinsam wieder aufgehoben oder geändert werden. Der Notar hat die Erschienenen ausdrücklich über diese Folgen des Vertrages belehrt. Mit notariell beurkundetem Testament vom 25. Oktober 2019 widerrief die Erblasserin unter Verweis auf die notariellen Urkunden sowie rechtlich möglich sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen, setzte die 1968 geborene Beteiligte zu 1.) und die 1947 geborene Beteiligte zu 2.) als Erben zu je ein halb ein und ordnete Vermächtnisse an. Im Jahr 21 verstarb die Erblasserin. Die Beteiligte zu 1.) hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der die Beteiligten zu 1.) und 2.) als Miterben zu je ein halb ausweist. Den Nachlasswert hat sie mit 923.000,00 € angegeben. Die Beteiligte zu 3.) hat der Erbscheinerteilung widersprochen und geltend gemacht, der Zuwendungsverzicht sei unwirksam.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben in der Sitzung vom 19. Oktober 2022 durch Vernehmung des Notars und der Beteiligten zu 4.) als Zeugen.
Erbschein ist zu erteilen.
Mit Beschluss vom 19. Dezember 2022 hat das Amtsgericht festgestellt, es sei ein Erbschein zu erteilen, der die Beteiligten zu 1.) und 2.) als Miterben zu je ein halb ausweist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Testament der Erblasserin vom 25. Oktober 2019 sei wirksam, weil der notarielle Vertrag vom 16. September 2019 ein wirksamen Zuwendungsverzicht der Beteiligten zu 3.) für sich und ihre Abkömmlinge enthalte. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 3.).
Für den eingetretenen Fall, dass der Ehemann vorverstirbt, die Erblasserin mit diesem erbvertragsmäßig bestimmt, dass die Beteiligte zu 3.), die Tochter des Ehemanns der Erblasserin aus der ersten Ehe, ihre Alleinerbin wird und ferner: Ersatzerben sind deren ehelichen Abkömmlinge stammesweise zu gleichen Teilen. Diese Erbeinsetzungen sind nicht nach § 7 des Erbvertrages entfallen, wonach ein Abkömmling der Eheleute mit seinem gesamten Stamm von allen Zuwendungen ausgeschlossen und auf den Pflichtteil beschränkt sein soll, wenn aus dem Nachlass des betreffenden Elternteils seinen Pflichtteil verlangt. Ein solches Pflichtteilsverlangen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Ehemann der Erblasserin verstarb 1982. Auf diese Erbeinsetzung hat die Beteiligte zu 3.) mit notariellem Vertrag vom September 2019 gegenüber der Erblasserin wirksam verzichtet. Nach § 2352 S. 1, S. 2 BGB kann derjenige, der durch Erbvertrag als Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtnis bedacht ist, durch Vertrag mit dem Erblasser auf die Zuwendungen verzichten. Der Wirksamkeit des Verzichts steht nicht entgegen, dass der Notar die Vertragsüberschrift Erbauseinandersetzung mit Erbverzicht gewählt hat. § 3 des Vertrages enthält nicht den Begriff Erbverzicht, sondern die Begriffe Verzicht und verzichtet. Der Oberbegriff Verzicht gilt nicht für einen Erbverzicht im engeren Sinne des § 2346 BGB, sondern auch für einen Zuwendungsverzicht im Sinne des § 2352 BGB.
Dieser Zuwendungsverzicht der Beteiligten zu 3.) hat zur Folge, dass ihr die Erbschaft nicht angefallen ist. Zu § 2352 BGB heißt es im Gesetzesentwurf der Bundesregierung nach § 5352 BGB kann ein Verzicht auch für Zuwendungen, die auf einer Verfügung von Todes wegen beruhen, vereinbart werden. Ein solcher Zuwendungsverzicht erstreckt sich im Gegensatz zu einem Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht nach § 2346 BGB nicht auf Abkömmlinge des Verzichtenden. In der Praxis kann aber der Erblasser bei Erbeinsetzungen oder Vermächtnissen die einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag bindend angeordnet wurden, das Bedürfnis haben, sich davon wieder zu lösen, da er z.B. den Erben oder Vermächtnisnehmer bereits zu Lebzeiten durch eine Zuwendung abfinden will. Der Erblasser kann hier einen Zuwendungsverzicht mit dem Begünstigten vereinbaren. Dabei ist regelmäßig gewollt, dass sich dieser Zuwendungsverzicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. Andernfalls kann dies zu ungerechten Ergebnissen führen, insbesondere wenn der Erbe für seinen Verzicht vollständig abgefunden wird und danach seine Abkömmlinge an seiner Stelle erben (Doppelbegünstigung des Stammes des Verzichtenden). Die Anordnung aus dem notariellen Testament der Erblasserin vom 25. Oktober 2019, sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen zu widerrufen und die Beteiligten zu 1.) und 2.) als Erben zu je ein halb einzusetzen, ist nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist eine spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig bedachten beeinträchtigen würde. Wie bereits ausgeführt, ist die Beteiligte zu 4.) durch den Erbvertrag vom 23. Juni 1970 vertragsmäßig als Ersatzerbin bedacht worden, sodass die Erblasserin diese Erbeinsetzung der Beteiligten zu 4.) nicht mehr einseitig widerrufen konnte und die abweichende Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1.) und zu 2.) das Erbrecht der Beteiligten zu 4.) beeinträchtigen würde, da sie dann den Nachlass der Erblasserin nicht vollständig erhielte.
Sie sehen in dieser Entscheidung sehr gut, dass ein Erbverzicht wohl durchdacht werden sollte. Insbesondere ist die Rückgängigmachung eines Erbverzichts in der Regel nicht möglich.
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Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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