Erbrecht - Wie ist das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung zu beurteilen?

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer von der Enkeltochter der am 27.04.2020 verstorbenen ursprünglichen Antragstellerin (im Folgenden: Erblasserin) erklärten Antragsrücknahme in einem Güterrechtsverfahren. In diesem Verfahren begehrte die Erblasserin von ihrem getrennt lebenden Ehemann (im Folgenden: Antragsgegner) die Übertragung von Miteigentumsanteilen an näher beschriebenen Grundstücken, Zahlung und Herausgabe von bestimmten Unterlagen. Die Erblasserin erteilte am 31.01.2020 ihrer Enkeltochter eine Vorsorgevollmacht, die auch nach dem Tod der Erblasserin in Kraft bleiben sollte und die Enkelin unter anderem bevollmächtigte, die Erblasserin in allen persönlichen Angelegenheiten sowie in Vermögensangelegenheiten gerichtlich zu vertreten.

Mit eigenhändigen Testament vom 11.02.2020 setzte die Erblasserin ihre Enkeltochter zu ihrer Alleinerbin ein, ordnete Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Erbin an und bestellte die Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin. Am selben Tag erteilte die Erblasserin der Beschwerdeführerin eine Vollmacht auf den Todesfall, um sie nach ihrem Tod in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten gegenüber jedermann und in jeder Weise zu vertreten. Außerdem existiert eine Kopie einer handschriftlichen letztwilligen Verfügung mit Datum vom 22.02.2020, in welcher die Erblasserin unter anderem anordnete:

„Meine Enkelin soll meine Alleinerbin sein. Wegen der Geltendmachung und Durchsetzung meiner Ansprüche gegen den Antragsgegner, die derzeit beim Amtsgericht rechtshängig sind, ordne ich Testamentsvollstreckung an. Ich weise den Testamentsvollstrecker an, den Rechtsstreit durch die von mir beauftragte Kanzlei nach deren pflichtgemäßen Ermessen fortführen zu lassen. Zum Testamentsvollstrecker für die vorgenannten Aufgaben ernenne ich den Antragsteller, der das Recht hat, einen Nachfolger zu bestimmen. Für die von der vorstehenden Testamentsvollstreckung nicht betroffenen Aufgabenkreise und Vermögenswerte bleibt es im Übrigen bei der von mir angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Beschwerdeführerin.“

Nach dem Tod der Erblasserin hatte ihre Enkelin als Alleinerbin durch von ihr beauftragte Rechtsanwälte mit am 05.05.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz die Antragsrücknahme erklärt, dieser hat der Antragsgegner noch am selben Tag zugestimmt und beantrage, der Erblasserin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss der Antragstellerin, als die noch Erblasserin im Rubrum genannt ist, die Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung aufgeführt, dass die Antragsrücknahme mit Blick auf die der Enkelin erteilte transmortale Vollmacht wirksam sei.

Diesen ihm zugestellten Beschluss hat der mit der letztwilligen Verfügung vom 22.02.2020 zum Testamentsvollstrecker ernannte Antragsteller, der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Erblasserin, an die Beschwerdeführerin weitergeleitet. Die von dieser eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG mit dem angefochtenen Beschluss verworfen; hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts sei nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO statthaft. Dies gelte auch dann, wenn das Amtsgericht nicht nur eine Kostengrundentscheidung getroffen, sondern auch über die Wirksamkeit der von der Enkeltochter erklärten Antragsrücknahme entschieden habe und sich die Beschwerde gegen diese Entscheidung richtete. Auch über einen Streit über die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme in einer Familienstreitsache sei nicht durch eine mit der Beschwerde gemäß §§ 58 ff., 117 FamFG anfechtbare Entscheidung, sondern durch einen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden.

Die Beschwerdeführerin sei jedoch nicht beschwerdeberechtigt. Für die streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner habe die Erblasserin die Ernennung der Beschwerdeführerin zur Testamentsvollstreckerin mit ihrer nachfolgenden letztwilligen Verfügung vom 22.02.2020 nach § 2258 Abs. 1 BGB wieder aufgehoben und insoweit allein den Antragsteller zum Testamentsvollstrecker berufen. Nur für die davon nicht betroffenen Aufgabenbereiche und Vermögenswerte sei es bei der angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Beschwerdeführerin geblieben.

Eine Beschwerdeberechtigung könne die Beschwerdeführerin auch nicht aus der ihr am 11.02.2020 erteilten Vollmacht auf den Todesfall herleiten. Von dieser Vollmacht werde die Durchsetzung der hier streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner – nachdem die Erblasserin für diese mit ihrer letztwilligen Verfügung vom 22.02.2020 Testamentsvollstreckung durch den Antragsteller angeordnet habe – nicht mehr erfasst. Zwar könne eine trans- oder postmortale Generalvollmacht nicht selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Bei der Auslegung der Erklärungen des Erblassers und Vollmachtgebers werde es allerdings im Allgemeinen dessen maßgeblicher Wille sein, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeiten nebeneinander bestünden.

Ausgehend von diesem Grundsatz umfasst die postmortale Vollmacht vom 11.02.2020 nicht die Durchsetzung der hier streitbefangenen Ansprüche gegen den Antragsgegner. Schon aus dem mit dem Testament vom 11.02.2020 identischen Datum der Vollmacht werde deutlich, dass sie der Beschwerdeführerin im inneren Zusammenhang mit ihren Aufgaben als Testamentsvollstreckerin erteilt worden sei und ihr keine über ihr diesbezügliches Amt hinausgehenden Befugnisse verleihen sollen.

Wenn der Erblasser wie hier mehrere Testamentsvollstrecker ernennt, kann er jeden Testamentsvollstrecker einem bestimmten Wirkungskreis zuweisen, innerhalb dessen er ohne Mitwirkung der anderen selbstständig handeln kann, oder Gegenstände von der gemeinschaftlichen Verwaltung ausschließen und ihre Verwaltung einem besonderen Testamentsvollstrecker übertragen. Ebenso wie für die Anordnung der Testamentsvollstreckung und deren Reichweite ist auch im Hinblick auf die Bestellung mehrerer Testamentsvollstrecker, deren Aufgabenbereiche und die Art deren Amtsführung der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser Wille ist im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügungen, mit der bzw. denen der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat, zu ermitteln. Bei der Testamentsauslegung ist vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks festzuhalten.

Bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 22.02.2020 sind dem Beschwerdegericht keine Rechtsfehler unterlaufen. Es hat sich am klaren Wortlaut des Testaments orientiert und daraus entnommen, dass die Erblasserin für die im Ausgangsverfahren streitbefangenen Rechte allein den Antragsteller zum Testamentsvollstrecker ernannt und sie einer Verwaltung durch die Beschwerdeführerin wieder entzogen hat, indem sie das Testament vom 11.02.2020 teilweise gemäß § 2258 Abs. 1 BGB widerrufen hat. Die Möglichkeit einer Gesamtvollstreckung durch die Beschwerdeführerin an den Antragsteller im Sinne von § 2024 Abs. 1 S. 1 BGB hat das Beschwerdegericht in Betracht gezogen, aber hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche abgelehnt, weil es nach der Formulierung des Testaments vom 22.02.2020 ausdrücklich nur für die von der Testamentsvollstreckung durch den Antragsteller nicht betroffenen Aufgabenbereiche und Vermögenswerte bei der zuvor von der Erblasserin angeordneten Testamentsvollstreckung durch die Beschwerdeführerin habe bleiben sollen.

Wie das Beschwerdegericht richtig gesehen hat, kann eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder wie hier nicht widerrufen worden ist, grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Dabei kann das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Zwar wird es im Allgemeinen, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprechen, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeiten nebeneinander bestehen. Die einem Dritten erteilte postmortale Vollmacht betrifft aber nicht generell im Außenverhältnis nur Vermögensteile, die nicht unter die Testamentsvollstreckung fallen, auch wenn der vom Erblasser Bevollmächtigte nach dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erben anzusehen ist und dessen Verfügungsmacht durch die Rechte eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2211 Abs. 1 BGB beschränkt wird. Das Beschwerdegericht hat gesehen, dass eine postmortale Generalvollmacht selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehenden dem Bevollmächtigten eigenständige Befugnisse verleihen kann.

Allerdings hat es die der Beschwerdeführerin erteilte postmortale Vollmacht schon anhand ihres mit dem Testament vom 11.02.2020 identischen Datums so ausgelegt, dass der Beschwerdeführerin die Vollmacht im inneren Zusammenhang mit ihren Aufgaben als Testamentsvollstreckerin erteilt worden ist, sodass hier von vornherein keine über ihr diesbezügliches Amt hinausgehenden Befugnisse verliehen worden waren. Dies hat das Beschwerdegericht auch daraus entnommen, dass die Vollmacht nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht zu Rechtshandlungen berechtigt, zu denen ein Testamentsvollstrecker nicht befugt ist. Dem hält die Rechtsbeschwerde wiederum nur ihre abweichende Auffassung entgegen, ohne Auslegungsfehler aufzuzeigen. Sie verweist zwar zutreffend darauf, dass die der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht nach ihrem Wortlaut umfassend ausgestaltet war, demnach auch die streitgegenständliche Verfahrensführung erfassen könnte. Dabei bedenkt sie aber nicht, dass die Vollmacht anders als die Anordnung der Testamentsvollstreckung in der letztwilligen Verfügung vom 22.02.2020 nicht ausdrücklich auf die Durchsetzung der Ansprüche gegen den Antragsgegner bezogen ist. Ein Wille der Erblasserin, die Fortführung des Verfahrens gerade durch die Beschwerdeführerin zu sichern, musste das Beschwerdegericht aus der allgemein formulierten Vollmacht nicht entnehmen.

BGH, Beschluss vom 14.09.2022 – IV ZB 34/21, Beck-RS 2022, 26271

 

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