Erbrecht-Testamentswiderruf/Erbschein

Antrag auf Erbschein – Nachlassgericht kann seine Einschätzung der Rechtslage trotz rechtskräftigen Beschluss jederzeit ändern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.3.2021; 3 Wx 151/20).

Hintergrund

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in einem Erbscheinverfahren die Erbfolge auf Grundlage eines in Kopie vorliegenden Testaments zu klären. In dieser Sache hinterließ ein Erblasser seine Ehefrau, zwei Kinder sowie eine Lebensgefährtin, mit der er zuletzt zusammenlebte. Die Lebensgefährtin des Erblassers übermittelte dem Nachlassgericht nach dem Ableben des Erblassers die Kopie eines Testaments.

 

Testament enthält Vermächtnis zu Gunsten der Lebensgefährtin

In dieser Testamentskopie hatte der Erblasser seine Tochter und die Kinder seines Sohnes als Erben eingesetzt. Gleichzeitig enthielt die Testamentskopie eine Vermächtnisanordnung zu Gunsten der Lebensgefährtin des Erblassers, wonach die Lebensgefährtin einen Pkw, die Bankkonten und den Hausrat erhalten sollte. Die Lebensgefährtin gab gegenüber dem Nachlassgericht an, dass sie nicht wisse, wo sich das Original des Testaments befinde.

 

Die Kinder beantragen einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge. Die Kinder des Erblassers beantragten in der Folge im Februar 2020 die Erteilung eines Erbscheins, der die Ehefrau des Erblassers als Erbin zu 1/2 an die beiden Kinder als Erben zu je 1/4 ausweisen sollte. Sie machten gegenüber dem Nachlassgericht geltend, dass der Erblasser sein Testament wohl in Widerrufsabsicht vernichtet haben müsste, nachdem lediglich eine Kopie dieses Testaments existiere. Der Erblasser, so die Kinder weiter, habe zu seiner Familie bis zuletzt ein herzliches und gutes Verhältnis gehabt. Ohne wirksames Testament müsse aber die gesetzliche Erbfolge gelten.

 

Nachlassgericht stellt die Erteilung des Erbscheins in Aussicht

Das Nachlassgericht schien diesen Argumenten der Kinder des Erblassers folgen zu wollen, denn es erließ mit Datum vom 25.03.2020 einen Beschluss, wonach es die zur Begründung des Antrags der beiden Kinder des Erblassers erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtete. Gegen diesen Beschluss legte die Lebensgefährtin des Erblassers Beschwerde ein, da sie um ihr Vermächtnis fürchtete. Auf diese Beschwerde der Lebensgefährtin hin, vollzog das Nachlassgericht dann einen kompletten Richtungswechsel.

 

Nachlassgericht weist den Erbscheinantrag ab

Das Gericht erließ nämlich am 23.06.2020 einen weiteren Beschluss, mit dem es zunächst die Beschwerde der Lebensgefährtin als unzulässig verwarf, da ihr als bloße Vermächtnisnehmerin keine Antragsbefugnis zustehe. In dem gleichen Beschluss vom 23.06.2020 wies das Nachlassgericht aber auch den Erbscheinantrag der Kinder des Erblassers als unbegründet ab. Das Nachlassgericht ließ die Beteiligten wissen, dass der frühere Beschluss vom 25.03.2020 nur eingeschränkte Bindungswirkung entfaltet. Erweise sich, dass der nach seinem Inhalt zu erteilende Erbschein wegen Unrichtigkeit gleich wieder einzuziehen wäre, stehe der rechtskräftige Beschluss einer neuen, inhaltlich abweichenden Feststellung nicht entgegen, so das Nachlassgericht. Diese Voraussetzung war in den Augen des Gerichts gegeben. So vertrat das Gericht nunmehr die Auffassung, dass eine Vernichtung des nur in Kopie vorliegenden Testaments nicht erwiesen sei. Die Kinder des Erblassers hätten zu diesem Punkt lediglich Vermutungen vorgetragen.

 

Kinder legen Beschwerde zum OLG ein

Diesen neuen Beschluss wollen die Kinder des Erblassers nicht hinnehmen und legten Beschwerde zum OLG ein. Sie verwiesen in ihrer Beschwerde darauf, dass der Beschluss des Nachlassgerichts vom 25.03.2020 rechtskräftig geworden sei, da er von keinem der Beteiligten angefochten worden sei. Das OLG wies die Beschwerde der Kinder des Erblassers als unbegründet zurück. In der Begründung seiner Entscheidung stellte das OLG zunächst fest, dass das Nachlassgericht nicht an seinen formell rechtskräftigen Feststellungsbeschluss vom 25.03.2020 gebunden gewesen sei.

 

Auch ein nur in Kopie vorliegendes Testament kann wirksam sein. Zur Frage des nur in Kopie vorliegenden Testaments verwies das OLG auf den Rechtsgrundsatz, wonach die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung nicht dadurch berührt wird, dass die Testamentsurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. Nach Vernehmung von Zeugen war das OLG davon überzeugt, dass nur das in Kopie vorliegende Testament tatsächlich im Original vom Erblasser verfasst worden sei. Anhaltspunkte für eine Fälschung des Testaments hat das OLG ebenso wenig.

 

Erblasser wollte sein Testament nicht widerrufen

Schließlich konnte sich das OLG auch nicht davon überzeugen, dass der Erblasser das Originaltestament in Widerrufsabsicht vernichtet habe. Hierfür war der Vortrag der Kinder des Erblassers dem Gericht zu dünn. Im Ergebnis mussten die Kinder bei einem Geschäftswert von 305.000,00 € die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und sich darauf einrichten, dass sich die Erbfolge nicht nach dem Gesetz, sondern nachdem lediglich in Kopie vorliegenden Testaments errichtet.

 

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