Erbrecht – Testamentswiderruf durch Streichung des eingesetzten Alleinerbens

Wird der in einem privatschriftlichen Testament eingesetzte Alleinerbe vom Erblasser mit dem nicht unterschriebenen Vermerk „Wird noch genannt.“ durchgestrichen, führt dies zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, wenn entgegen der Ankündigung eine Erbeinsetzung später nicht mehr letztwillig verfügt wurde.“ (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2020, Az.: 8 W 104/19)

Hintergrund

Der Beschluss des OLG Stuttgarts bezieht sich auf einen Fall in dem eine verwitwete und kinderlose Frau verstorben ist. Ihre Eltern sind bereits vorverstorben. In der Wohnung der Frau wird ein handschriftliches Testament gefunden, in dem sie einen gemeinnützigen Verein zum Alleinerben einsetzt. Später streicht die Frau den genannten Verein durch und notiert nach den Worten „Zu meinem Erben setze ich ein: „wird noch genannt, Datum“. Die einzige Schwester beantragt einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Der ursprünglich zum Alleinerben eingesetzte Verein tritt dem entgegen. Die Änderung des Testaments erkenne er nicht an, da nur das Datum der Änderung, nicht aber der Ort angegeben sei und die Änderung auch nicht mit Vor- und Zunamen unterschrieben sei.

 

OLG Stuttgart: Eine weitere Unterschrift unter der Streichung ist nicht erforderlich

Die Stuttgarter Richter sahen dies anders. Die Schwester ist Alleinerbin. Denn die Alleinerbeneinsetzung des Vereins sei durch die Streichung wirksam widerrufen. Da die Erblasserin entgegen ihrer kundgetanen Absicht keinen neuen Erben eingesetzt hat, sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Hiernach sei die Schwester Alleinerbin. Gemäß § 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat (§ 2247 Abs. 2 BGB), wobei das Testament auch beim Fehlen von Angaben zu Zeit und Ort grundsätzlich gültig ist (§ 2247 Abs. 5 BGB).

 

Erblasser kann jederzeit Ergänzungen vornehmen

Nach der Testamentserrichtung kann der Erblasser jederzeit eigenhändig Ergänzungen vornehmen, auch nur durch Streichungen. Zusätze oder Nachträge müssen gleichfalls der Form des § 2247 BGB genügen. Hierzu müssen sie entweder vom Erblasser gesondert unterschrieben sein oder sich in der Testamentsurkunde in den Gesamttext einfügen und zur Zeit des Erbfalls durch die unterhalb des Textes stehende Unterschrift nach dem Willen des Erblassers gedeckt sein. Bloße Streichungen bedürfen als solche dann nicht der Form des § 2247 BGB, wenn sie sich nur auf den Widerruf des Gestrichenen (§ 2255 BGB), etwa einer Erbeinsetzung, beschränken Hingegen ist die Einhaltung der Testamentsform erforderlich, wenn die Streichung nicht nur negativ wirken soll, sondern indirekt eine positive Verfügung des Erblassers enthält.

 

Wirksamer Widerruf durch Streichung

Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin die ursprünglich von ihr vorgenommene Erbeinsetzung durch nachträgliche Änderung des Testaments wirksam gemäß § 2255 BGB widerrufen. Die nachträglichen Änderungen im privatschriftlichen Testament der Erblasserin liegen darin, dass der Name des gemeinnützigen Vereins durchgestrichen wurde und mit den Worten „wird noch genannt“ die Ernennung eines neuen testamentarischen Erben angekündigt wurde. Eine solche neue Erbeinsetzung enthält die Änderung gerade nicht. Wenn eine solche – wie tatsächlich geschehen – unterbleibt, gilt ohne Weiteres die gesetzliche Erbfolge, ohne dass dies von der Erblasserin hätte angeordnet werden müssen. Die gesetzliche Erbfolge wurde in der Testamentsänderung auch mit keinem Wort erwähnt. Der Auffassung gemeinnützigen Vereins, durch die Streichung sei nicht nur eine negative Wirkung bezweckt worden, sondern indirekt auch eine – gemäß § 2247 BGB formbedürftige – positive Verfügung getroffen worden, da durch die Streichung (nach Auffassung des Nachlassgerichts) die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, kann nicht gefolgt werden. Es ist vielmehr hier der genannte Grundsatz einschlägig, dass bloße Streichungen dann nicht der Form des § 2247 BGB bedürfen, wenn sie sich wie hier nur auf den Widerruf des Gestrichenen – hier der Erbeinsetzung des gemeinnützigen Vereins – beschränken.

 

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