Erbrecht - Testamentsauslegung
Sachverhalt
In dem vom brandenburgischen OLG zu entscheidenden Fall begehrt der Antragsteller einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der die Beteiligte zu 2.), die Ehefrau des Erblassers, zu 1/2 und deren gemeinsamen Kinder, die Beteiligten zu 1.), 3.) und 4.) zu je 1/6 als Erben ausweist. Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten am 04.03.2019 ein gemeinschaftliches Testament, das überschrieben ist mit „Testament den 04.03.2019 Betreff Wohnhaus und Grundstück“
Weiter heißt es:
„Hiermit verfügen wir, dass unser Wohnhaus und Grundstück obiger Anschrift nach dem Tod des längerlebenden Eigentümers übergehen soll als Erbe
1. an unsere Tochter
2. sowie an unseren Enkel
für eventuellen Ausgleich gegenüber Geschwistern von Marco soll unsere Tochter nach ihren Entscheidungen sorgen. Das Erbe geht in gleichen Teilen an oben genannte Personen und soll nach deren Vereinbarung grundbuchrechtlich eingetragen werden. Es ist unser Wunsch, dass das Haus nicht verkauft wird und in der Familie verbleibt. Den Erben ist unsere Verfügung bekannt.“
Das Vermögen des Erblassers und seiner Ehefrau bestand zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments neben Eigentum an dem Grundstück, dass diese nach den Angaben der Ehefrau mit ca. € 500.000,00 bewertet haben, jedenfalls noch aus Sparvermögen in Höhe von insgesamt ca. € 250.000,00.
Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Testament enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung für den ersten Todesfall der Eheleute. Im Wege der Auslegung ergebe sich aber, dass der wirkliche Wille der Erblasser dahin gegangen sei, sich gegenseitig als Alleinerben für den ersten Todesfall einzusetzen. Die Formulierung, dass das Wohnhaus nach dem Tode des längerlebenden Eigentümers an die Beteiligten zu 4.) und 5.) übergehen solle, bringe zum Ausdruck, dass diese sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hätten, als dies die Eigentümer des Wohnhauses nebst Grundstück gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Dass die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben hätten einsetzen wollen, sei in dem Testament nicht einmal angedeutet. Angesichts des Umstandes, dass neben dem Hausgrundstück noch erhebliches weiteres Vermögen vorhanden gewesen sei, sei auch nicht über den wesentlichen Teil des Vermögens verfügt worden, sodass nicht von einer Erbeinsetzung ausgegangen werden könne.
OLG Brandenburg: Beschwerde erfolgreich
Dem OLG Brandenburg zufolge lässt sich dem Testament nicht entnehmen, dass sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, sodass die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Zwar ist zutreffend, dass dem Testament der Wunsch der Eheleute zu entnehmen ist, dass die im Testament genannten Personen nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten das Wohnhaus erhalten sollten. Dies reicht aber nicht aus, um das Testament dahingehend auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten. Hierzu findet sich im Testament keine Andeutung. Das Testament vom 04.03.2019 enthält keine ausdrückliche Einsetzung der Ehefrau des Erblassers für den ersten Erbfall.
Soweit der Beschwerdeführer meint, eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall ergebe sich durch Auslegung der Verfügung, folgt der Senat dem nicht. Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den Formzwecken allerdings nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Formen und ist daher gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig. Hier fehlt es bereits an einer Einsetzung der Tochter und des Enkels der Erblasser als Schlusserben. Fehlt es aber an einer Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall, d. h. enthält das Testament überhaupt keine Erbeinsetzung, ist auch kein Anhaltspunkt für eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten für den ersten Todesfall enthalten und diese nicht einmal angedeutet.
Bei der Zuwendung des Hausgrundstücks an die Tochter und den Enkel der Erblasser handelt es sich nicht um eine Erbeinsetzung, § 2087 Abs. 2 BGB. Ob eine Erbeinsetzung erfolgt ist, hängt vom Inhalt der Verfügung ab und ist durch Auslegung zu ermitteln (§ 2084 BGB). Für die Einvernahme einer Erbeinsetzung kann trotz Pfändung nur einzelner Gegenstände sprechen, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte. Hier spricht gegen eine Erbeinsetzung bereits der Wortlaut der letztwilligen Verfügung. Schon nach der Überschrift des Testamentes sollte dieses nur das Wohnhaus und Grundstück betreffen und nur eine Regelung hierüber getroffen werden. Schon dies spricht dafür, dass die genannten Personen nicht Gesamtrechtsnachfolger des letztversterbenden Erblassers werden sollten, sondern ihnen nur das Hausgrundstück zugewendet werden sollte.
Hiergegen spricht auch nicht die Bezeichnung der genannten Personen als Erben. Es ist anerkannt, dass die bloße Bezeichnung des testamentarisch Bedachten als Erben nicht maßgebend für die Beantwortung der Frage ist, ob eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegt, sondern gerade bei Laientexten höchstens ein Indiz für die beabsichtigten Rechtsfolgen darstellt. Auch in diesem Fall beurteilt sich diese Frage nach dem auszulegenden Inhalt der letztwilligen Verfügung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Wertverhältnissen. So kann die Zuwendung eines Gegenstandes, namentlich einer Immobilie, wie dem Hausgrundstück des Erblassers und seiner Ehefrau, zwar Erbeinsetzung sein, wenn entweder der Nachlass dadurch erschöpft wird oder wenn sein objektiver Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat. Nach den zur Zeit der Testamentserrichtung vorliegenden Gegebenheiten kann aber weder davon ausgegangen werden, dass der Nachlass durch die Zuwendung des Hausgrundstücks an die genannten Personen erschöpft worden ist, noch, dass der objektive Wert des Grundstücks das übrige Vermögen der Eheleute an Wert so erheblich übertroffen hat, dass dies offensichtlich als ihren wesentlichen Nachlass angesehen haben.
Gewollt war hier offenbar, ohne dass eine Erbeinsetzung festgestellt werden kann, beschränkt auf das Grundstück, dass zunächst der überlebende Ehegatte den Miteigentumsanteil des zuerst versterbenden Ehegatten erhält und das Grundstück dann nach dem Tod des Längerlebenden auf dem Testament genannten Personen übergeht.
Die Entscheidung zeigt erneut, wie wichtig die eindeutige Formulierung einer letztwilligen Verfügung ist. In unserer auf das Erbrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen sowohl bei der Erstellung von letztwilligen Verfügungen als auch bei Auslegungsfragen kompetent zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht