Erbrecht – Testamentsauslegung - ein gemeinsames Ehegattentestament kann auch in mehreren getrennten Urkunden errichtet werden

Ein Ehepaar legt seinen letzten Willen im Jahr 1984 in drei Urkunden nieder. Nach dem Tod des Ehemannes verfasst die Ehefrau im Jahr 2021 ein neues Testament. Nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 04.01.2023 – 14 W 89/22 ist die Erbfolgeregelung der Eheleute aus dem Jahr 1984 als ein gemeinsames Testament zu sehen und die darin erfolgten Regelungen sind bindend.

Hintergrund

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte einen Erbstreit unter drei Geschwistern zu klären. Der Streit wurde durch den Umstand ausgelöst, dass die verheirateten Eltern der Geschwister ihren letzten Willen am 02.08.1984 nicht nur in einem, sondern gleich in drei Testamenten niedergelegt hatten. Die Mutter der drei Geschwister hat am 02.08.1984 ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt verfasst:

„Mein letzter Wille. Im Falle meines Todes bestimme ich meinen Mann zum alleinigen Erben.“

Am gleichen Tag hatte der Vater der Geschwister ein spiegelgleiches Testament folgenden Inhalts errichtet:

„Mein letzter Wille. Im Fall meines Todes bestimme ich meine Frau zum alleinigen Erben.“

Schließlich hatten die Eheleute an demselben Tag gemeinsam ein drittes Testament mit folgendem Inhalt errichtet:

„Unser letzter Wille. Im Falle unseres gemeinsamen Todes bestimmen wir unsere drei Kinder F, S, L zu gemeinsam Erben bis auf meinen Schmuck, den meine Tochter S erbt.“

Der Ehemann verstarb im Jahr 2016 und wurde von seiner Ehefrau beerbt.

Diese errichtete am 12.01.2021 ein notarielles Testament. In diesem setzte die Ehefrau ihre Tochter zu 65 % als Erbin ein, ihre beiden anderen Kinder zu je 17,5 %. Die Ehefrau verstarb noch im Jahr 2021.

Nach dem Erbfall beantragte die Tochter der Erblasserin einen Erbschein auf Grundlage des notariellen Testaments aus dem Jahr 2021, um als Erbin ihrer Mutter zu 65 % festgestellt zu werden. Die beiden Geschwister der Antragstellerin waren mit diesem Erbscheinsantrag ihrer Schwester nicht einverstanden. Sie erklärten gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung des notariellen Testaments aus dem Jahr 2021 und setzten auf die Erbfolge, die sich aus dem Testament ihrer Eltern aus dem Jahr 1984 ergab.

Das Nachlassgericht favorisierte die Argumente der Antragstellerin und stellte die antragsgemäße Erteilung des Erbscheins in Aussicht. Hiergegen legten die anderen beiden Geschwister Beschwerde zum OLG ein. Dieses gab der Beschwerde statt und hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf.

Die Richter wiesen in ihrer Entscheidung darauf hin, dass das zeitlich spätere notarielle Testament der Erblasserin unwirksam sei, da es dem bindenden und zeitlich früheren gemeinsamen Testament der Eheleute aus dem Jahr 1984 widersprechen würde. Dabei stellte das OLG fest, dass es sich bei dem Testament der Eheleute aus dem Jahr 1984 um ein gemeinsames Testament handeln würde, obwohl die Eheleute drei Urkunden erstellt hatten. Maßgeblich für ein gemeinsames Testament sei, so das OLG, dass Eheleute den Willen hätten, gemeinsam zu testieren. Es sei jedoch nicht entscheidend, dass ein solches gemeinsames Testament in einer Urkunde errichtet würde. Die Gemeinschaftlichkeit der Erklärungen der Eheleute müsse aus den Einzeltestamenten selbst wenigstens andeutungsweise nach außen erkennbar sein. Diese Voraussetzungen sah das Gericht im zu entscheidenden Fall als gegeben an, da die Testamente am gleichen Tag und am selben Ort errichtet worden waren und auch der Wortlaut der Testamente Rückschlüsse darauf zuließen, dass die Eheleute gemeinsam testieren wollten.

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