Erbrecht – Testament - OLG Saarbrücken zu den Anforderungen an ein sogenanntes Brieftestament
- Ein privatschriftliches Testament kann grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein.
- Das ist nur der Fall, wenn außer Zweifel steht, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden.
- An dem Nachweis des im Auslegungsweg gemäß § 133 BGB anhand aller innerhalb und außerhalb der Urkunde liegenden Umstände zu ermittelnden ernstlichen Testierwillens im Zeitpunkt der Erklärung sind strenge Anforderungen zu stellen; § 2084 BGB findet bei verbleibenden Zweifeln keine Anwendung.
- Solche Zweifel können sich aus Anzeichen ergeben, die für eine bloße Ankündigung einer noch vorzunehmenden Testierung sprechen (bspw. „zum Notar gehen“ zu wollen).
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.11.2021 – 5 W 62/21
Hintergrund
Unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde des Notars J. beantragten die Beteiligten zu 3.) und zu 4.) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheines über die jeweils hälftige Beerbung der verstorbenen Erblasserin, wobei sie sich zur Begründung ihres Erbrechts auf ein – zunächst nur in Kopie vorgelegtes, später im Original zu den Akten gereichtes – Schreiben vom 27.12.2018 berufen haben. Darin hatte die unverheiratete und kinderlose Erblasserin den Beteiligten zu 3.) und zu 4.) unter anderem folgendes mitgeteilt:
„Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am ersten Weihnachtstag recht herzlich bedanken. Im neuen Jahr gehe mit Toni zum Notar; Ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich überhaupt nicht um mich, da ist jede Verbindung abgebrochen.“
Ausweislich von den Beteiligten zu 3.) und zu 4.) vorgelegter Unterlagen war für die Erblasserin am 20.09.2019 ein Beurkundungstermin bei dem Notar vereinbart worden, bei dem unter anderem das im Entwurf vorgelegte Testament beurkundet werden sollte, in dem die Beteiligten zu 3.) und zu 4.) jeweils hälftig zu Erben berufen werden sollten. Nach Darstellung der Beteiligten zu 3.) und zu 4.) konnte dieser Termin aufgrund einer sturzbedingten Krankenhauseinweisung der Erblasserin auch in der Folge nicht mehr stattfinden.
Die im vorliegenden Verfahren durch ihre Verfahrensbevollmächtigte vertretenen Beteiligten zu 1.) und zu 2.) haben der Erteilung des Erbscheins widersprochen, unter anderem mit der Begründung, der Brief vom 27.12.2018 könne nicht als Testament angesehen werden, da es an der Ernsthaftigkeit der Erbeinsetzung fehle; auch formal bestünden Zweifel an der Gültigkeit des Schreibens als Testament. Da der Entwurf des notariellen Testaments nicht unterzeichnet worden sei, habe es bei der gesetzlichen Erbfolge zu verbleiben.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – die Tatsachen, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 3.) und zu 4.) beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet und die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins bewilligt. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1.) und zu 2.) mit ihrer Beschwerde, in der sie weiterhin die Ansicht vertreten, dass das Schreiben vom 27.12.2018 lediglich eine Grußkarte und kein Testament darstelle und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.10.2021 nicht abgeholfen hat.
Das OLG Saarbrücken schließlich befand, dass das Schreiben der Erblasserin vom 27.12.2018 – mangels eines sich daraus mit ausreichender Gewissheit ergebenden Testierwillens – nicht als letztwillige Verfügung angesehen werden könne; eine andere letztwillige Verfügung, aus dem sich ein Erbrecht zu Gunsten der Beteiligten zu 3.) und zu 4.) im beantragten Umfang ergeben könnte, existiert nicht. Schon der Wortlaut des Schreibens vom 27.12.2018 bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Erblasserin habe damit die Beteiligten zu 3.) und zu 4.) zu ihren Erben einsetzen wollen; denn es ist bereits nicht in diesem Sinne hinreichend eindeutig gefasst.
Hinzu kommt, dass nach Darstellung der Beteiligten zu 3.) und zu 4.), die ein Schreiben des Notars vom 16.09.2019 mit dem Betreff „Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Testament“ sowie später auch den Entwurf einer entsprechenden Urkunde vorgelegt haben, für die Erblasserin am 20.09.2019 ein Beurkundungstermin vereinbart war, dem dieser ein notarielles Testament entsprechenden Inhaltes hätte errichten sollen. Auch das lasse Rückschlüsse auf den Willen der Erblasserin bei der Abfassung des Schreibens vom 27.12.2018 zu und ist deshalb als Anzeichen für einen bestimmten Willen im allein maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung des vermeintlichen Testaments zu berücksichtigen.
Allerdings spricht hier nach Ansicht des Senats gegen die Annahme, dass das frühere Schreiben bereits mit Testierwillen verfasst worden sei. Denn die Vereinbarung des Beurkundungstermins und die auf Seiten der Erblasserin offenbar gesehene Notwendigkeit eines solchen Schrittes deutet unter den gegebenen Umständen daraufhin, dass sie vielmehr davon ausging, bislang nicht rechtsgültig testiert zu haben. Auch wenn es gute Gründe geben mag, ein bestehendes Testament nochmals in notarieller Form zu bestätigen, worauf das Nachlassgericht zutreffend hinweist, ist zu solchen anderen Gründen, die die Erblasserin zu diesem Schritt bewogen haben könnten, nicht ersichtlich. So beschränkt sich der Inhalt des vorgelegten Entwurfes eines notariellen Testaments auf die bloße Erbeinsetzung der Beteiligten. Andere Regelungen, für die es der Hinzuziehung eines Notars erkennbar bedurft hätte, sollten danach offenbar nicht getroffen werden, und auf die weitere Motivation der Erblasserin bei Vereinbarung des Termins ließ sich nach den insoweit unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Nachlassgerichts nicht mehr weiter aufklären.
Unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei sämtlichen Fragestellungen rund um die Errichtung von Testamenten und der Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen kompetent zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht