Erbrecht - Testament nicht im Original
Kann ein Testament nicht im Original, sondern nur eine private Kopie der Originalurkunde vorgelegt werden, ist die Kopie gemäß § 348 FamFG zu eröffnen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2022 – I-3 W x 119/22
Hintergrund
Die Beteiligte ist die Ehefrau des Erblassers und sie hat die Kopie eines vom Erblasser unter dem Datum des 02.01.1976 errichteten Testaments, welches sie als Alleinerbin bestimmt, zur Eröffnung beim Nachlassgericht eingereicht. Hierzu hat sie vorgetragen, der Erblasser habe diese Kopie gefertigt und ihr zur Aufbewahrung überreicht. Aus welchem Grund er ihr nicht auch das Original übergeben habe, sei ihr nicht bekannt.
Das Nachlassgericht hat die Eröffnung der Testamentskopie abgelehnt. Mangels hinreichender Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe sei eine Kopie nicht zu eröffnen.
Hiergegen beschwerte sich die Beteiligte. Das Nachlassgericht hielt an seinem Rechtsstandpunkt fest und führte zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses ergänzend aus, ob das Testament Grundlage für die Erteilung eines die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbscheins sein zeigen könne, sei im Erbscheinserteilungsverfahren zu prüfen. Ein die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbschein könne trotz Nichteröffnung der Testamentskopie beantragt werden.
OLG Düsseldorf: Beschwerde begründet
Nach § 348 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Die sich im hiesigen Verfahren stellende Frage, ob auch die Kopie eines Testaments zu eröffnen ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, im öffentlichen Interesse, nämlich im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch zeitnahe amtliche Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen ganz gleich welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. Daneben soll dem privaten Interesse der Beteiligten Rechnung getragen werden und ihnen soll durch die Testamentseröffnung zeitnah die Gelegenheit gegeben werden, die Verfügung auf ihre Rechtswirksamkeit und ihren Inhalten zu überprüfen sowie ihre Rechte am Nachlass wahrzunehmen. Die Testamentseröffnung ist dem Rechtspfleger übertragen. Eine beschleunigte Sachbehandlung ist geboten. Dementsprechend findet auch nur eine summarische Plausibilitätsprüfung dahingehend statt, ob sich das dem Nachlassgericht vorliegende Schriftstück nach Form und Inhalt als Verfügung von Todes wegen darstellen kann.
Ob ein Schriftstück den materiellrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Verfügung von Todes wegen genügt, ist im Eröffnungsverfahren nicht zu entscheiden. Im Zweifel hat die Eröffnung zu erfolgen. Vorstehende Grundsätze, die allgemein anerkannt sind, sprechen für die Eröffnung auch eines nur in Kopie vorhandenen Testaments. Im Einzelfall mag nämlich gerade nicht ohne weiteres zu erkennen sein, ob es sich bei einem Schriftstück um eine Kopie handelt. Dem Wesen des Testamentseröffnungsverfahrens lief es jedoch zuwider, wenn ein Streit hierüber in das Verfahren über die Testamentseröffnung vorverlagert würde. Die Düsseldorfer Richter wiesen auch darauf hin, dass allgemein anerkannt ist, dass auch offensichtlich formunwirksame Testamente zu eröffnen sind, da sie möglicherweise als Auslegungshilfe zur Ermittlung des Erblasserwillens in Betracht kommen können. Diese Erwägung gilt aber auch für die Kopie eines Testaments. Welche Folgerungen aus einem nur in Kopie vorliegenden Testament möglicherweise zu ziehen sein können, ist aber zu dem frühen Stadium der Testamentseröffnung nicht absehbar.
Das Argument, wonach eine Kopie nicht eröffnet werden könne, da keine Gewähr für die vollständige und unverfälschte Wiedergabe des Inhaltes bestehe, verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Dieselbe Gefahr besteht auch bei Testamenten, die nicht unterschrieben sind (etwa weil die Unterschrift fehlt, oder weil die Unterschrift an der Seite des Testamentstextes oder oberhalb des Textes aufgebracht ist). Als Abschluss der Urkunde muss die Unterschrift am Schluss des Textes stehen, den Urkundentext also räumlich abschließen, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern. Wird zudem vergegenwärtigt, dass allein die Eröffnung eines Schriftstücks als Testament gemäß § 348 FamFG nichts für seine Wirksamkeit besagt, die Klärung dieser Frage vielmehr Gegenstand insbesondere eines Erbscheinsverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage ist, ist es nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, der Gefahr der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Kopie eine solche Bedeutung zuzumessen, dass eine Eröffnung nicht zulässig wäre. Anders als beim abhandengekommenen Testament liegt bei einer Testamentskopie jedenfalls physisch ein Schriftstück vor, das eröffnet werden kann.
Bei Fragen zur Testamentseröffnung sowie zur Erstellung von letztwilligen Verfügungen stehen Ihnen unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte gerne zur Verfügung.
Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht