Erbrecht – OLG München zur ordnungsgemäßen Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses

Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ist eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners. Beschränkt sich der Schuldner auf die Beantwortung von Fragen des Notars, ohne diesem von sich aus Auskünfte zu erteilen, tut er regelmäßig nicht alles in seiner Macht stehende, um das notarielle Nachlassverzeichnis aufzunehmen, so dass grundsätzlich die Verhängung eines Zwangsgeldes in Betracht kommt (OLG München, Beschluss vom 10.11.2022 – 33 W 775/22).

Hintergrund

Der Schuldner hat mit Schreiben vom 30.07.2020 das Notariat M. in K. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt, ohne dass dieses in der Folgezeit erstellt worden wäre. Mit Schreiben vom 11.02.2022 hat der Schuldner daraufhin das Notariat V. in B. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt. Dieses Notariat forderte im Februar 2022 beim Schuldner Unterlagen an, die dieser am 04.03.2022 übersandte. Eine weitere Anfrage des Notariats wurde am 08.04.2022 beantwortet. Für den 13.09.2022 war offenbar die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Notar geplant, der entsprechende Termine an die Parteivertreter mitgeteilt hatte. Nachdem der Rechtsanwalt des Gläubigers Einwände gegen den seitens des Notars übersandten Entwurf mit E-Mail vom 12.09.2022 geäußert hatte, wurde der Termin abgesagt, das Nachlassverzeichnis wurde seitdem nicht erstellt. Der Gläubiger hatte bereits am 12.01.2022 gegen den Schuldner die Verhängung eines Zwangsgeldes beantragt.

Landgericht weist Antrag zurück

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 02.06.2022 zurückgewiesen und der dagegen an 14.06.2022 eingelegten sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.08.2022 nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

OLG: Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde

Der Senat befand die sofortige Beschwerde als zulässig, insbesondere sei sie fristgerecht erhoben worden. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Grundsätzlich ist eine Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nur möglich, wenn die Berufung dagegen in vollem Umfang zurückgewiesen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn keine wesentliche Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht erfolgt ist.

Vorliegend hat der Senat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zwar nicht vollständig zurückgewiesen, vielmehr das Urteil teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Allerdings erstreckt sich die Klageabweisung lediglich auf die vom Erstgericht angeordnete Vorlage von Belegen. Deshalb kann vorliegend die Vollstreckung ausnahmsweise aus dem landgerichtlichen Urteil erfolgen, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils durch die Entscheidung des Senats letztlich nur um die Belegvorlage abgeändert wurde und der Tenor des Berufungsurteils aufgrund dessen selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO lagen auch vor. So ist insbesondere die Verpflichtung des Schuldners bisher nicht erfüllt, ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt nicht vor. Die Zwangsvollstreckung zur Erfüllung eines titulierten Anspruchs auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO. Das gilt auch dann, wenn zur Vornahme der Handlung die Mitwirkung eines Dritten – hier des Notars – notwendig ist. Die Vollstreckung dient dann dazu, den Willen eines Schuldners insoweit zu beugen, als dieser alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht stehende zu tun hat, um den Notar zur erforderlichen Mitwirkung zu veranlassen. Dabei ist es für die Festsetzung einer Zwangsmaßnahme gemäß § 888 Abs. 1 ZPO bedeutungslos, ob und inwieweit der Schuldner in der Vergangenheit alles Erforderliche mit der gebotenen Beschleunigung getan hat, um auf eine zügige Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses hinzuwirken, denn das Zwangsgeld hat im Gegensatz zum Ordnungsgeld keinen Sanktionscharakter. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Mitwirkung des beauftragten Notars zu erlangen.

Für die Frage, ob Zwangsmaßnahmen gemäß § 888 Abs. 1 ZPO zu verhängen sind, ist mithin darauf abzustellen, ob dem Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung Maßnahmen oder Handlungen möglich sind, die zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs, hier die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses, führen können.

Vor diesem Hintergrund war vorliegend ein Zwangsgeld zu verhängen, da der Schuldner bislang nicht hinreichend auf die zügige Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses hingewirkt hat. Spätestens nachdem es im September 2022 nicht zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gekommen ist, hätte der Schuldner beim Notar vorstellig werden müssen und sich zu den Umständen erklären müssen, die der Gläubiger in seiner E-Mail vom 12.09.2022 am vorgelegten Entwurf bemängelt hat. Es kann dabei dahinstehen, ob die vom Gläubiger angesprochenen Punkte alle tatsächlich so in das notarielle Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind, oder nicht. Jedenfalls handelt es sich bei allen Punkten um solche, die grundsätzlich pflichtteilsrelevant sein können, so dass es die Aufgabe des Auskunftsschuldners gewesen wäre, sich von sich aus zu diesen Punkten gegenüber dem Notar zu erklären. Keinesfalls darf er warten und sich darauf zurückziehen, bis ihm vom Notar entsprechende Fragen gestellt werden, denn der Notar erfüllt mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses keine eigene Verbindlichkeit, vielmehr handelt es sich allein um eine Verbindlichkeit des Schuldners, so dass es dem Schuldner obliegt, aktiv zu werden. Dass der Schuldner erst vom Notar aufgefordert werden muss, entsprechende Angaben zu machen, zeigt, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat vorliegend, also nicht alles getan hat, was aufgrund der Umstände geboten und ihm auch möglich war, um das notarielle Nachlassverzeichnis vorzulegen.

Die Entscheidung zeigt, dass der Schuldner darauf achten muss, nicht nur die Fragen des Notars zu beantworten, sondern auch selbst von sich aus Auskünfte zu erteilen. Kommt er dem nicht nach, kann zwar kein Ordnungsgeld mit Sanktionscharakter, jedoch aber ein Zwangsgeld gemäß § 888 Abs. 1 ZPO verhängt werden, wenn nachgewiesen wird, dass er nicht alles Mögliche getan hat, um das notarielle Nachlassverzeichnis noch vorzulegen.

In unserer auf das Erbrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei sämtlichen Fragen zur Erstellung von Nachlassverzeichnissen und bei Fragen etwaiger gebotener Handlungen in diesem Zusammenhang kompetent zur Verfügung.