Erbrecht - OLG München zur Auslegung von vertragsmäßigen Verfügungen in einem Erbvertrag bei Wegfall des eingesetzten Schlusserben infolge Vorversterbens bei Verwendung der Klausel „Sonst wollen wir nichts bestimmen“

Hintergrund

In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall ist die Erblasserin im Jahr 2018 verstorben. Sie richtete am 17.08.1965 mit ihrem vorverstorbenen Ehemann einen Erbvertrag, in dem die Ehegatten unter Ziffer 2. folgende Anordnungen trafen:

 

„Im Wege des Erbvertrages vereinbaren wir in einseitig unwiderruflicher Weise: Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Erbe des Längstlebenden von uns soll der Sohn des Ehemannes A sein. Diese Erbeinsetzung ist jedoch nicht die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft. Sonst wollen wir nichts bestimmen.“

 

Der als Erbe bestimmte Sohn A ist im Jahr 1996 verstorben. Die in dem Verfahren Beteiligten zu 1) und 3) sind seine Abkömmlinge, die Beteiligte zu 2) ist die geschiedene Ehefrau des Beteiligten zu 3).

Erblasserin errichtete weitere letztwillige Verfügungen

Notarielles Testament vom September 2012:

In der freien Verfügung über meinen dereinstigen Nachlass bin ich meines Erachtens in keiner Weise beschränkt. Die mögliche rechtliche Bindungswirkung früherer gemeinschaftlicher Testamente oder Erbverträge – auch in der Form eines Ehe und Erbvertrages – ist mir bekannt. Ich habe zu Urkunde des Notars Dr. A in München vom 17.08.1965 mit meinem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann B einen Erbvertrag errichtet, in dem wir uns in erbvertraglich bindender Weise gegenseitig zu alleinigen Erben und den Sohn meines Ehemannes A als Schlusserben eingesetzt haben.“ A ist im Jahr 1996 verstorben. Er hat zwei Kinder nämlich P und S hinterlassen. Nach Hinweis des Notars auf die Bestimmung des § 2069 BGB erkläre ich weiter: Für den Fall des Vorversterbens von A von uns keine bindende Ersatzerben-Einsetzung gewollt, weil sich zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung der beiden Enkel noch nicht absehen ließ. Mir ist jedoch bekannt, dass die Auslegung früherer Verfügungen von Todes wegen und die daraus folgende Beurteilung von Verfügungen von Todes wegen nicht die Aufgabe des Notars ist.“

Notarielles Testament vom 26.10.2015

In dessen § 2 setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 2) zu Ihrer Alleinerbin ein. Die Beteiligten zu 1) und 3) sind der Auffassung, dass die von der Erblasserin im Nachgang zu den im Erbvertrag getroffenen Erbeinsetzungen errichteten Testamenten unwirksam sein, da sie als Abkömmlinge ihres vorverstorbenen Vaters an dessen Stelle getreten sein und sich die Vertragsmäßigkeit der Schlusserbeneinsetzung zugunsten Ihres Vaters auf sie als Ersatzerben erstrecke. Die Beteiligte zu 2) vertritt die Auffassung, dass in dem Erbvertrag eine Ersatzerbenstellung der Beteiligten zu 1) und 3) nicht geregelt sei. Eine ausdrückliche Anordnung liege nicht vor, sie ergebe sich auch nicht im Wege der individuellen Auslegung. Eine sich etwaige nach § 2069 BGB ergebende Stellung als Ersatzerbe sei jedenfalls nicht vertragsmäßig. Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) und 3) auf Erteilung eines Erbscheins, der eine Miterbenstellung zu je ein halb aufgrund des Erbvertrags aus dem Jahr 1965 bezeugt, zurückgewiesen und die Tatsachen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins als Alleinerbin aufgrund des Testaments aus dem Jahr 2015 für festgestellt erachtet. Es ist der Auffassung, dass die sich aus der entsprechenden Anwendung des § 2069 BGB ergebene Ersatzerben Einsetzung nicht vertragsgemäß sei und sich eine Bindung auch nicht durch einen Rückgriff auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ergebe.

 

Der Beteiligte zu 1) stellte die Beschwerde zum OLG München

OLG München – die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg

Die Münchner Richter teilten im Ergebnis die Auffassung des Nachlassgerichts, dass sich die Erbfolge nach dem Testament aus dem Jahr 2015 bestimmt und nicht nach dem von der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehemann niedergelegten Erbvertrag aus dem Jahr 1965. Letzterer enthält für die hier inmitten stehende Erbfolge nach der Erblasserin keine vertragsmäßigen Verfügungen, aufgrund derer die in dem Testament aus dem Jahr 2015 erfolgte Einsetzung der Beteiligten zu 2) zur Alleinerbin gemäß § 2289 Absatz 1Satz 2 BGB unwirksam wäre. Die Eheleute haben sich in dem Erbvertrag in einseitig unwiderruflicher Weise gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und den Sohn des Ehemannes aus erster Ehe als Erben des Längstlebenden eingesetzt. Damit tritt grundsätzlich im Hinblick auf § 2289 Absatz 1 Satz 2 BGB eine Bindung des überlebenden Ehegatten an die von ihm getroffene vertragsmäßige Verfügung in Bezug auf den Letztbedachten ein. Hingegen enthält die Bindung, wenn der Bedachte wegfällt. Dies gilt jedoch nicht, wenn seine Abkömmlinge als Ersatzerben berufen sind. Insofern steht vorliegend die Problematik inmitten, ob die Ehegatten in dem hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine Ersatzerbfolge für den Fall des Vorversterbens des Bedachten getroffen haben.

 

Keine ausdrückliche Regelung, keine ergänzende Auslegung

Eine ausdrückliche Regelung findet sich in dem Testament nicht. Demgemäß stellt sich die Frage, ob sich im Wege der Grundsätze der ergänzenden Testamentsauslegung die Regelung eine Ersatzerbfolge ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Eheleute in ihrem Ehevertrag ausdrücklich keinen Ersatzerben bestimmt haben.

(OLG München – 31 Wx 314/19)

 

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