Erbrecht – OLG Karlsruhe zur Rückgabe eines gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments

1.
Dem Anspruch auf jederzeitige Rückgabe eines gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung nach den §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB steht es nicht entgegen, wenn in derselben öffentlichen Urkunde zugleich ein Ehevertrag errichtet sowie ein Pflichtteilsverzicht vorgenommen wurde.

2.
Soweit gemäß § 2300 Abs. 2 BGB für einen Erbvertrag gilt, dass dieser nur aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und den Vertragschließenden zurückgegeben werden kann, wenn er ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält, so ist diese Regelung nicht auf Testamente anzuwenden.

Hintergrund

Die Beteiligten begehren als Eheleute mit Schweizer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Deutschland die Rückgabe ihres gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung gemäß §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB, welches in einer öffentlichen Urkunde zugleich mit einem Ehevertrag am 21.01.2014 vor dem Notariat in Freiburg errichtet wurde. Dabei haben die Beteiligten das öffentliche Testament ohnehin schon widerrufen, es liegt Ihnen aber daran, dass das widerrufene öffentliche Testament im Erbfall nicht eröffnet wird.

Gemäß Niederschrift des wegen der Rücknahme des Testaments aufgrund Verfügung des Nachlassgerichts Freiburg im Breisgau vom 10.03.2021 nach Übersendung der öffentlichen Urkunde vor dem Nachlassgericht Waldhut durchgeführten Termins vom April 2021 wurde beim Öffnen des Umschlags festgestellt, dass es sich entgegen der Meldung auf den Hinterlegungsscheinen um eine öffentliche Urkunde mit einem Ehevertrag und einem gemeinsamen öffentlichen Testament handelt. Da der Ehevertrag nach Ansicht des Nachlassgerichts Waldhut nicht aus der amtlichen Verwahrung genommen werden durfte, erfolgte keine Rückgabe an die testierfähigen Eheleute, sondern eine Rücksendung an das Verwahrgericht Freiburg. Mit Verfügung des Nachlassgerichts Freiburg wurden die Beteiligten am 29.10.2021 darauf hingewiesen, dass es sich bei der verwahrten Urkunde um ein untrennbar mit einem Ehevertrag verbundenes gemeinschaftliches Testament handle und der Ehevertrag nicht aus der amtlichen Verwahrung genommen werden könne, weshalb eine Rückgabe der Urkunde an die testierenden Eheleute nicht möglich sei. Da es sich um ein gemeinschaftliches Testament und nicht um einen Erbvertrag handele, sei auf die Herausgabe und Weiterverwahrung durch einen Notar nicht möglich. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten teilten die Beteiligten daraufhin unter anderem ihre Rechtsansicht mit, dass der Ehevertrag keine Hinterlegung bedürfe. Das Nachlassgericht lehnte die Herausgabe der öffentlichen Urkunde durch Beschluss ab. Zur Begründung wurde vor allem ausgeführt, dass § 34 Abs. 2 und 3 BeurkG nur für einen Erbvertrag Anwendung finden, nicht aber – wie vorliegend – für ein notarielles Testament. Für dieses verbleibe es bei der Regelung in § 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG, welche eine besondere amtliche Verwahrung vorsehe. Zwar könne gemäß § 2256 Abs. 2 BGB ein Erblasser ein notarielles Testament jederzeit zurückverlangen, wodurch dieses als widerrufen gelte. Im vorliegenden Fall bestünde jedoch die Besonderheit, dass in derselben Urkunde auch ein Ehevertrag sowie ein Pflichtteilsverzicht enthalten und alle Bestimmungen untrennbar miteinander verbunden seien. Beim Ehevertrag sowie beim Pflichtteilsverzicht handle es sich um Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Daher sei für den Erbvertrag in § 2300 Abs. 2 BGB geregelt, dass Erbverträge nur dann aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen werden dürften, wenn sie nur Verfügungen von Todes wegen enthalten. Sei dagegen eine für Lebzeiten wirksame Bestimmung enthalten, sei die Rückgabe nicht möglich. Hintergrund sei, dass die Rückgabe nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts unter Lebenden führe. Die Rückgabe hätte daher zur Folge, dass die Urschrift der Urkunde eines noch wirksamen Rechtsgeschäfts verloren gehen könnte.

OLG Karlsruhe – Beschwerden der Beteiligten haben Erfolg

Die Rechtsfrage, ob die Beteiligten die Rückgabe ihres gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung verlangen können, ist vorliegend nach deutschem Recht zu beurteilen, da die Beteiligten auch schon zum Zeitpunkt der Errichtung ihres Testaments ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten (Art. 24 Abs. 1, 3 EU ErbVO i.V.m. Art. 21 Abs. 1 EU ErbVO). Das Nachlassgericht hat zu Unrecht angenommen, dass im vorliegenden Fall des Bestehens einer notariellen Urkunde, die zugleich ein gemeinschaftlich errichtetes Ehegattentestament als auch ein Ehevertrag sowie Pflichtteilsverzichtsregelungen untrennbar miteinander verbunden enthält, dass grundsätzlich gemäß § 2256 Abs. 2 S. 1 BGB, hier wegen Vorliegens eines gemeinschaftlichen Testaments i.V.m. § 2272 BGB, bestehende Recht der Beteiligten als testierende Erblasser auf Rückgabe des Testaments ausnahmsweise nicht durchgreift, weil diese notarielle Urkunde neben den dort niedergelegten Verfügungen der Beteiligten von Todes wegen zudem auch für Lebzeiten wirksame Bestimmungen enthält, nämlich die ehevertraglichen Regelungen sowie einen Pflichtteilsverzicht. Dies mag zwar gemäß § 2300 Abs. 2 BGB für Erbverträge gelten. Im vorliegenden Fall des Vorliegens eines vor einem Notar errichteten gemeinschaftlichen Testaments greife dies allerdings nicht. Dies zeigt nicht zuletzt auch der Verweis in § 2300 Abs. 2 S. 3 BGB nur auf § 2256 Abs. 1 BGB. Demnach kann ein Erblasser bezüglich eines nach § 2256 Abs. 1 BGB errichteten Testaments die Rückgabe jederzeit verlangen. Das Nachlassgericht hat im angefochtenen Beschluss für den Erbvertrag und zu § 2300 Abs. 2 BGB ausgeführt, dass Hintergrund für die dortige Regelung, nach welcher lediglich ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und an den Vertragschließenden zurückgegeben werden kann, sei, dass die Rückgabe nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts unter Lebenden führe und die Rückgabe somit zur Folge hätte, dass die Urschrift der Urkunde eines noch wirksamen Rechtsgeschäfts verloren gehen könnte. Für ein vor einem Notar oder nach § 2249 BGB errichtetes Testament, gemäß § 2272 BGB auf ein entsprechendes gemeinschaftliches Testament wie vorliegend, ist als Rückgabegegenstand alleine § 2256 BGB einschlägig, wonach die Beteiligten gemeinsam gemäß §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB die Rückgabe der vor dem Notariat Freiburg errichteten Urkunde verlangen können.

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