Erbrecht - notarielles Nachlassverzeichnis kann an Eides statt versichert werden

Bieten die Angaben des Erben Anlass zu Zweifeln, ob die Erstellung des Nachlassverzeichnisses ordnungsgemäß erfolgt ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von diesem verlangen, die Richtigkeit aller aufgeführten Positionen an Eides statt zu versichern. Der Bundesgerichtshof hält es dabei für irrelevant, ob das Verzeichnis von einem Notar oder von dem Erben selbst erstellt worden ist.

Hintergrund

Der Vater zweier Söhne starb. Er hatte einen Sohn zum Alleinerben bestimmt, sodass der andere nur pflichtteilsberechtigt war. Der Erbe legte zunächst eine selbst verfasste Erklärung zum Nachlass vor, worin ein Bankkonto des Verstorbenen nicht aufgeführt war. Vor dem Landgericht Kiel wurde er zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Darin hatte der Notar allein aufgrund eigener Recherche Angaben zu diesem Konto aufgeführt. Der Pflichtteilsberechtigte verlangte daher, der Erbe möge Vollständigkeit und Richtigkeit aller aufgeführten Positionen an Eides statt versichern. Dies lehnte das Landgericht Kiel ab. Da in der nächsten Instanz das OLG Schleswig den vom Vater Begünstigten zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich aller Positionen im Verzeichnis verurteilte, die auf seinen eigenen Angaben beruhten aber nicht über diejenigen, die der Notar eigenverantwortlich erstellt hatte. Beide Brüder legten Revision zum BGH ein. Das Urteil wurde aufgehoben und an das OLG Schleswig zurückverwiesen.

 

BGH: Notarielles Verzeichnis ist wie Privatverzeichnis zu behandeln.

Die Karlsruher Richter haben diesen Streit nun erstmalig höchstrichterlich entschieden. Ein Pflichtteilsberechtigter kann vom Erben unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch dann verlangen, wenn dieser ein notarielles Verzeichnis vorlegt. Würde demnach ein Grund nach § 260 Abs. 2 BGB bestehen, anzunehmen, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist, müsse der Erbe grundsätzlich die Richtigkeit des Nachlassbestandes beeiden und zwar auch die Positionen, die der Notar erstellt hat. Nach dem BGH ist irrelevant, von wem das Verzeichnis erstellt worden ist, weil auch § 260 Abs. 2 BGB diesbezüglich keine Unterscheidung trifft. Das notarielle Verzeichnis würde erheblich an Bedeutung als höhere Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit verlieren, wenn eine eidesstattliche Versicherung entfiele.

 

Unrichtige Angaben des Notars müssen nicht beeidet werden.

Ist der Erbe jedoch mit einzelnen Angaben des Notars nicht einverstanden, kann er dem BGH zufolge diese Tatsache in seine eidesstattliche Versicherung einflechten, denn er muss nichts beeiden, was er für falsch hält. (BGH, Urteil vom 01.12.2021-IV ZR 189/20).

 

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