Erbrecht – Nachlassverzeichnis beim Pflichtteil unvollständig – Erben droht Zwangsgeld oder Gefängnis
Hintergrund
Das OLG München hatte in einem Pflichtteilsstreit über die Folgen eines unvollständigen notariellen Nachlassverzeichnisses zu entscheiden. In dieser Angelegenheit war der Erblasser am 10.08.2016 verstorben. Nach dem Erbfall hatte ein Pflichtteilsberechtigter eine Erbin auf Vorlage eines von einem Notar erstellten Nachlassverzeichnisses verklagt.
Erbin erkennt den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten an
Die Erbin hatte diesen Anspruch vor Gericht anerkannt und vom Gericht wurde ein entsprechendes Anerkenntnisurteil erlassen. In der Folge übermittelte die Erbin dem Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis. Dieses notarielle Nachlassverzeichnis hielt der Pflichtteilsberechtigte aber für grob mangelhaft.
Nachlassverzeichnis wird in mehreren Punkten kritisiert
Der Pflichtteilsberechtigte monierte an dem vorliegenden Nachlassverzeichnis insbesondere drei Punkte. Zum einen hatte der Notar keinerlei eigene Ermittlungen zu einem im Nachlass befindlichen Oder-Bankkonto des Erblassers angestellt, auf das auch die Erbin Zugriff gehabt habe. Weiter bemängelte der Pflichtteilsberechtigte, dass das Nachlassverzeichnis keine Angaben zu einer Lebensversicherung des Erblassers enthalte. Schließlich kritisierte der Pflichtteilsberechtigte, dass er bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses vom Notar nicht persönlich hinzugezogen worden sei.
Notarielles Nachlassverzeichnis ist nicht erfüllungstauglich
In Anbetracht dieser Mängel sei, so der Pflichtteilsberechtigte, das von der Erbin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis gar nicht erfüllungstauglich. Der Pflichtteilsberechtigte machte sich vor diesem Hintergrund daran, seinen in dem gerichtlichen Anerkenntnisurteil festgestellten Anspruch auf ein ordentliches Nachlassverzeichnis zu vollstrecken. Er beantragte daher bei Gericht, gegen die Erbin ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft anzuordnen.
Landgericht erlässt einen Zwangsgeldbeschluss
Das Landgericht entsprach dem Antrag und erließ den beantragten Beschluss. Diesen wollte die Erbin nicht akzeptieren und legte Beschwerde zum OLG ein. Das OLG hielt die Entscheidung des Landgerichts aber im Ergebnis für zutreffend. In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG allerdings darauf hin, dass zwei der drei Punkte, auf die das Landgericht seine Entscheidung gestützt hatte, die Anordnung des Zwangsgeldes nicht rechtfertigen würden.
Der Erblasser hatte keine Lebensversicherung abgeschlossen
Zum einen seien durch den Notar keine Feststellungen zu der angeblichen Lebensversicherung des Erblassers veranlasst, dass es sich bei der Versicherung gar nicht um eine Lebens-, sondern um eine Rentenversicherung gehandelt habe. Weiter könne die Festsetzung des Zwangsgeldes nicht darauf gestützt werden, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen wurde. Hierzu wäre grundlegende Voraussetzung, dass die Verpflichtung zur Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten in dem zu vollstreckenden Urteil ausgewiesen sei. Dies war vorliegend nicht der Fall.
Notar muss die Ermittlungen zu den Nachlasskonten nachbessern
Das OLG teilte jedoch die Auffassung des Landgerichts, dass zu den Konten des Erblassers in dem vorliegenden notariellen Nachlassverzeichnis nicht ausreichend Auskunft erteilt worden sei. Nach Rechtsprechung des BGH erwerbe nämlich alleine durch die Errichtung eines Oderkontos ein Mitkontoinhaber als Beschenkter bereits zu Lebzeiten den hälftigen Anteil des Sparguthabens. Der Notar hätte in diesem Fall auf jeden Fall der Frage nachgehen müssen, ob pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen vorliegen. Nachdem das Nachlassverzeichnis diesen Punkt aber offenbar unbeantwortet ließ, war auch die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Erbin gerechtfertigt.
OLG München, Beschluss vom 09.08.2021 – 33 W 775/21
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Rechtsanwalt Manuel Ast
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht