Erbrecht – Keine Unwirksamkeit eines gegenseitigen Erbvertrags von Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei nachfolgender Heirat und späterer Scheidung

Haben die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen Erbvertrag geschlossen oder der Erblasser zu Gunsten seines Partners ein Testament errichtet und heiraten die Partner später, findet nach einem Beschluss des OLG Rostock auch im Fall der Scheidung vor dem Tod § 2077 BGB keine entsprechende Anwendung.

(OLG Rostock, Beschluss vom 13.07.2021 – 3 W 80/20)

Hintergrund

Der Erblasser verstarb 2017. Der Beteiligte zu 1.) war sein einziges Kind. Er war mit der Beteiligten zu 2.) verheiratet. Diese Ehe wurde im Oktober 2001 geschlossen und mit rechtskräftigem Urteil vom 06.04.2006 wieder geschieden. Am 02.05.2000 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 2.) einen Erbvertrag. In diesem setzten sich beide gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten zu Erben des Letztversterbenden die Tochter der Beteiligten zu 2.) und den Beteiligten zu 1.). Der Beteiligte zu 1.) hat nach dem Erbfall die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als alleinigen gesetzlichen Erben nach dem Erblasser ausweist. Da die letztwillige Verfügung des Erblassers zu Gunsten seiner geschiedenen Frau mit der Auflösung der Ehe gemäß § 2077 BGB unwirksam geworden sei. Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1.) zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtete sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1.).

OLG Rostock: Keine Anwendung § 2077 BGB

Der Erbvertrag hat seine Wirksamkeit nicht gemäß der §§ 2279, 2077 BGB mit der Scheidung der Ehe zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 2.) verloren. § 2077 BGB ist keine widerlegliche Vermutung für den Erblasserwillen, sondern enthält eine dispositive Auslegungsregel für die in der Norm festgestellten Fallgruppen. Erst seinem Wortlaut nach auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht unmittelbar anwendbar und zwar auch nicht bei nachfolgender Eheschließung. Das Zusammenleben ohne Trauschein gehört schon seit langem zur gesellschaftlichen Normalität, ohne dass sich hieran ohne Weiteres als Regelfall eine Eheschließung anschließt. Während die Ehe oder das hier vorbereitende Verlöbnis im Allgemeinen auch eine lebenslange familienrechtliche Bindung ausgelegt sind, wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Regel ohne rechtliche Bindung und ohne bestimmte Dauer eingegangen. Daher kann einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag bei nichtehelichen Lebenspartnern selbst dann, wenn sie später die Ehe miteinander schließen, nicht ohne Weiteres die Annahme eines besonderen partnerschaftlichen Bindungswillens unterstellt werden. Deshalb ist der tatsächliche Wille des Erblassers bei Errichtung des Testaments oder Abschluss des Erbvertrages zu ermitteln. So ist festzustellen, ob der Erblasser, hätte er die spätere Trennung in Betracht gezogen, in gleicher Weise verfügt hätte. Fehlen Anhaltspunkte hierzu in der Verfügung von Todeswegen ist der vermutliche hypothetische Erblasserwille zu ermitteln. Hierfür kann es bereits darauf ankommen, ob der Erblasser eine feste, dauerhafte Bindung bereits ins Auge gefasst hat oder seinen Partner nur gegenüber Erbansprüchen gesetzlicher Erben absichern wollte. Die Eheschließung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 2.) erfolgte in diesem Fall erst 17 Monate nach Abschluss des Erbvertrags. Der Erbvertrag lässt nicht erkennen, dass er in Vorbereitung der Eheschließung geschlossen werden würde. Vielmehr hat die Beteiligte zu 2.) vorgetragen, dass sie und der Erblasser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages noch nicht an eine Eheschließung gedacht hätten. Soweit der Beteiligte zu 1.) auf die Scheidungsauseinandersetzung, einer Zugewinnausgleichsvereinbarung, dem damit verbundenen Versorgungsausgleich, die Vermögenstrennung sowie schließlich auch das alleinige Sorgerecht des Erblassers verweist, könnten diese Umstände allenfalls als Anzeichen für einen bereits zum Zeitpunkt des Erbvertragsschlusses bestehenden Willen des Erblassers gewertet werden. Allerdings vermögen diese Umstände nicht zu belegen, dass der Erblasser die Beteiligte zu 2.) im Falle einer Kontentrennung nicht auch als Erbin eingesetzt hätte, eher das Gegenteil wird hierdurch angedeutet. Wenn die Parteien des Erbvertrages ihr Vermögen im Übrigen akribisch getrennt und auch sonst ihre nachehelichen Regelungen getroffen haben, steht die Vermutung nahe, dass sie, wäre dies ihr Wille gewesen, auch den Erbvertrag aufgehoben hätten. Dafür, dass der Erblasser nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Notwendigkeit eines solchen Handelns zur Umsetzung seines Willens nicht mehr zu erkennen, ergibt sich dem OLG Rostock nach Aktenlage nicht.

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